Thomas Schranz
Tösner Wanderschäfer kämpft um Almen

Wanderschäfer Thomas Schranz mit Schaf und Herdenschutzhunden auf der Weide. | Foto: Gabriel Müller
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  • Wanderschäfer Thomas Schranz mit Schaf und Herdenschutzhunden auf der Weide.
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Thomas Schranz (47) ist der bekannteste Wanderschäfer Österreichs und verfolgt ein Berufsbild, das die heimischen Almen in neuem Glanz erstrahlen lassen soll. Altes Wissen und die gezielte Weideführung mit seinen 170 Schafen helfen ihm dabei. Der Hirte aus Leidenschaft ist ein Pionier mit mächtigen Gegnern. Der zurückkehrende Wolf ist seine geringste Sorge, aber auch auf ihn ist er vorbereitet.

TÖSENS. Ein viel sagendes Pfeifen in unterschiedlichen Tonlagen lenkt Hirtenhund Winnie um die kleine Schafherde. Dazwischen Rufe von seinem Herrn, die den Vierbeiner anfeuern und einzelne Lämmer in die gewünschte Laufrichtung treiben lassen. Das Gesicht des Wanderschäfers Thomas Schranz aus Tösens im Tiroler Oberland ist wettergegerbt, aber ausnehmend frohsinnig. Der Blick in die Ferne, zu seinen Tieren auf der Weide, spiegelt seine Berufung. Nicht die Aufgabe als Hirte allein hat ihn gelockt, sondern die Sehnsucht des Herzens, die dem Erhalt der Kulturlandschaft gilt. „Früher war ich Jäger und habe dort meinen kleinen Beitrag für Naturpflege und Wildtiere geleistet. Doch ich habe rasch gelernt, dass gezielte Weideführung viel mehr gegen Bodenerosion und für Biodiversität leistet und so habe ich meinen Fokus auf Weidewirtschaft gerichtet“, so Schranz, der im Nebenerwerb auch für den Tourismusverband Tiroler Oberland Wanderwege repariert sowie Hinweisschilder und Markierungen im Dienst der Urlauber in Schuss hält.

Bewusstes Leben

„Ginge es um wirtschaftliche Kriterien, müsste ich sofort den Großteil meiner Schafe verkaufen und mich um gewinnbringendere Dinge kümmern, die mehr für meine Familie und mich eintragen“, erklärt der zweifache Familienvater mit einem warmherzigen Lächeln. Aber Schranz geht es um viel mehr als um Geld: Um gesunde Almlandschaften für nachfolgende Generationen, um bewussteres Leben im Naturkreislauf, um Nachhaltigkeit und nicht zuletzt auch Katastrophenschutz. „Die wenigsten Menschen begreifen, dass Erosionsschutz weit über 2.000 Metern beginnt, da kommen die schweren Hochleistungskühe von heute nicht mehr hin, doch Schafe und Ziegen können hier Muren und Hochwässer mit ihrem Weideverhalten an der Wurzel packen“, so der beherzte Alpenvisionär, der sich oft wie ein Prophet in der Wüste fühlt und parallel mit lokalen Agrargemeinschaften, den Österreichischen Bundesforsten und nicht zuletzt der Jägerschaft heiße Diskussionen über alte Weiderechte und das künftige Ziel grenzüberschreitender, zusammengeführter Schafherden mit bis zu 800 Tieren unter aktiver Behirtung führt.

„Wir müssen hier kein Rad neu erfinden. Die guten Erfahrungen in der Schweiz, in Südtirol und Bayern zeigen ganz klar, dass Herdengrößen dieser Art mit je einem permanenten Hirten und einem Hütehund auf der Alm die ideale und nachhaltige Bewirtschaftung in höheren Lagen ermöglicht“, so Schranz der dank der Netzwerkarbeit des WWF sowie der Herdenschutzinitiative im regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit Fachleuten und Expertenorganisationen dazu steht.

Die Rückkehr der Hirten

Dabei entstünde auch hierzulande ein altes Berufsbild neu: Der Hirte oder die Hirtin. In Deutschland und der Schweiz gibt es dazu eigene Ausbildungszentren. Die Nachfrage aus den vermehrt in diese Richtung geführten Almbetrieben kann somit zunehmend mit professionellen Vollbluthirten gedeckt werden. Warum sich dieses System auf kurz oder lang durchsetzt und weshalb es sich letztlich rechnet, ist für Thomas Schranz sonnenklar. Seiner Meinung nach schlägt man mit der aktiven Behirtung und der gezielten Weideführung drei Fliegen mit einer Klappe: „Zum einen verhindern wir eine Über- und Unterbeweidung auf der Alm. Zum anderen sind die Gewichtserträge der Tiere deutlich besser. Zuletzt wissen wir mittlerweile alle, dass der Wolf als streng geschützte Art zu uns zurückgekehrt ist. Und den flinken Beutegreifern schieben wir mit eigenen Herdenschutzhunden sowie elektrischen Weidezäunen einen soliden Riegel vor.“

Reichtümer der Natur weitergeben

Die zwei hellen Hündinnen der Rasse Kangal hören auf die Namen Dijay und Summ. Sie umkreisen permanent die Schafherde und werden ihren Namen gerecht, die an Musik und Bienen erinnern. Sie können es nachgewiesenermaßen mit Wölfen aufnehmen und werden doch zu Lämmern, wenn sie Thomas Schranz mit einem Schaf auf dem Arm hinter den Ohren krault. Seine bedächtige Ruhe strahlt dabei über sie. Schranz gehen die Jahre als Sohn einer kinderreichen Bauernfamilie durch den Kopf. Schon damals waren die stillen Zeiten mit den blökenden Lämmern auf der Weide und mit wehendem Blick in die Ferne die schönsten seines jungen Lebens. Weitergeben will er, was er an Reichtümern der Natur und des atmenden Lebens in ihr erleben durfte. So verwundert es kaum, dass Schranz soeben einen naturpädagogischen Lehrpfad in Zusammenarbeit mit der Neuen Mittelschule Prutz hinter seinem Haus eingerichtet hat. Im Zuge der im Vorjahr gestarteten Initiative „Region im Wandel“ vom Tourismusverband Tiroler Oberland. Um sein Geld, auf seinem Grund, ohne kommerzielle Absichten. Um der Kinder willen. Für ihre Zukunft und das geerdete und ganz bewusste Erleben von Sehen, Riechen, Pflanzen und Schmecken. Die Initiative „Blühendes Österreich“ hat ihm dafür eine wichtige Anschubhilfe gegeben, nun ist auch dieses kleine Kinderparadies fertiggestellt und öffnet regelmäßig seine Tore.

"Wer Hilfe braucht, kommt zu mir"

Vieles geht dem Wanderschäfer aus Leidenschaft durch den Kopf. Oft zu viel, wie Freunde und Familie meinen. Und doch sind es die Geradlinigkeit und die Beflissenheit seiner umsichtigen Schritte, die Schranz Anerkennung und Unterstützung eintragen. „Wer Hilfe braucht, kommt zu mir und ich gebe mein Wissen gerne weiter. Ob es um regionale Wertschöpfungsketten geht oder um gezielte Weideführung auf der Alm. Das Leben ist ein Nehmen und Zurückgeben. Am Ende bedeutet es ein Mehr für uns alle“, so Schranz mit einem in die Ferne schweifenden Blick.

Das Abendrot legt sich sanft über das Oberinntal. Das blöken der Weidelämmer und das verspielte Bellen der Hunde versinkt in der schleichenden Dämmerung. Das Tagwerk von Thomas Schranz ist für heute getan. Doch seine Visionen bleiben wach. Noch lange.

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Wanderschäfer Thomas Schranz mit Schaf und Herdenschutzhunden auf der Weide. | Foto: Gabriel Müller
Porträt Thomas Schranz, Wanderschäfer | Foto: Gabriel Müller
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