Ein Heuchler trifft auf dumme Menschen.
Man kennt diese sogenannten Vermittler, die den unbedarften Menschen supersichere Anlagen aufschwatzen. Die Sorglosigkeit (manchmal schlicht Dummheit) wird dann oft bestraft: Sie verlieren Hab und Gut und manchmal auch ihre Würde. In Tartuffe von Molière, im Akademietheater aufgeführt, ist das nicht anders. Ein frecher Betrüger, ein leutseliger Vagabund im christlichen Mantel des sich aufopfernden, selbstlosen Eremiten gehüllt, treibt eine Familie fast in den Ruin. Er schleimt sich bei Vater Orgon ein, und hat bald das Oberkommando über das Familienoberhaupt und damit über den ganzen Clan. Orgon ist ihm verfallen und will sogar seine Tochter mit ihm verheiraten, damit er zur Familie gehört. Außer seiner Mutter, die Tartuffe ebenfalls hörig ist, erhebt sich die gesamte Hausgemeinschaft gegen den Eindringling. Doch der verführte alte Mann glaubt immer noch uneingeschränkt dem scheinheiligen Gedudel, und so wird ihm das ganze Eigentum abgeluchst. Der Sohn, der ihn vor Tartuffes Avancen zu Orgons attraktiver junger Frau warnt, wird enterbt, weil er gewagt hat, den Schützling seines Vaters menschliches Verlangen nach Fleischeslust zu unterstellen.
Auch das restliche Familienteam sinnt danach, Tartuffe loszuwerden. Als dieser Orgons Frau Emire verführen will, tritt eine Wendung ein. Zuerst weist sie ihn brüsk ab, sieht aber dann doch eine Chance, den lästigen, kujonierenden Lüstling endgültig zu eliminieren. Emire gibt sich Tartuffes sexuellen Begierden scheinbar hin und überführt so den schmierigen Tyrannen. Ihr gelackmeierter Ehemann, der dieses Schauspiel im Hintergrund beobachtet, kommt endlich zur Besinnung und möchte den entlarvten „Heiligen“ aus seinem Haus verbannen. Doch es ist zu spät, der Gerichtsvollzieher ist schon im Haus und will auf Verlangen des neuen Hausherren Tartuffe den Vollstreckungsbeschluss vollziehen. Orgon hat vor kurzem sein Vermögen auf Tartuffe überschrieben. Erst im letzten Moment schreitet die Staatsgewalt ein, um den Betrüger, der schon viele Straftaten im Vorfeld angesammelt hat, hinter Gitter zu bringen.
Was will uns das Stück heute sagen? Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Am TV-Schauplatz gibt es spannendere Geschichten. In der Regie von Luc Bondy spielt die Elite des Burgtheaters. Und sie spielt die Farce mit Hingebung und körperlichem Einsatz. Einige Protagonisten sind besonders hervorzuheben: Gert Voss als Vater Orgon, Gertraut Jesserer (welch wunderbares Burgtheater-Deutsch) als dessen Mutter, Johanna Wokalek als Gemahlin von Orgon, Joachim Meyerhoff als Tartuffe, Edith Clever als goscherte Haushälterin und Klaus Pohl mit seinem Kurzauftritt als Gerichtsvollzieher. Unerschlossen bleibt dem Zuschauer, warum die Inszenierung manchmal auf Schultheater-Niveau abgleitet, etwa dann, wenn der nicht mehr ganz junge Voss unter einen engen Tisch kraxeln muss, um den Ausschweifungen zu lauschen, oder wenn die weiblichen Bediensteten durchs Haus schleichen, als wären sie nicht ganz bei Trost. Vielleicht war diese Inszenierung als Metapher und Warnung gegen korrupte und „hilfsbereiten“ Bankern, Versicherungsvertretern, Politikern und andere Rattenfängern gemeint, die allesamt angeblich nichts anderes im Sinne haben, als unser Wohl. In Wahrheit gieren Sie nach unserem Geld, Vertrauen und unseren Wählerstimmen unter dem Mantel der „Nächstenliebe“.
Leider gibt es noch immer genug Menschen, die solchen unlauteren Versprechen verfallen und solchen Schurken Zulauf sichern.
Insgesamt aber war es ein kurzweiliger Abend, der après mit einem Schluck Wein hinunter gespült wurde.
Nächste Vorstellung: 19.10. 2013, 19,30 Akademietheater.
Reinhard Hübl
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