Was war, was ist, was wird in Zukunft sein?
Letztere Frage kann ich nicht beantworten. Jeden Tag ein neuer Krisenherd. Krankhafte Politiker: Putin, Erdoğan, Trump, Assad – die Liste derer, die den Cosmos in den Untergang treiben, ließe sich beliebig lang fortsetzen. Wir schrammen täglich daran vorbei. Hass, Neid, ideologische Verwirrtheit - die kleinen Strache‘s strahlen uns an. Na und, geht mich nix an. Inzwischen halten die Rechten das Migrations-Thema auf Trab. Ein Führer muss her. Was hat das alles mit „Niemandsland“ im Wiener Volkstheater zu tun? Nichts - und doch etwas.
Die Israelin Yael Ronen legt Wunden offen. Ein Schauspieler erfährt, dass sein Vater ein Verbrecher ist - ein Vergewaltiger, Peiniger. Früher wohl gelitten – vom Sohn verehrt - steht er plötzlich als Kriegsverbrecher vor serbischen Richtern. Manchmal ist es nicht leicht, dem Themenwechsel zu folgen. In Wien treffen Flüchtlinge aufeinander - heute wie damals. Migranten sind sie alle. Da ist die Mutter Azra, die mit Ihrer Tochter Lajla zusammenlebt. Sie kann sich mehr schlecht als recht ernähren. Ungewiss, ob sie arbeiten darf, gemeinnützig oder im realen Beschäftigungprozess, ob sie überhaupt hierbleiben darf. Lajla entkommt – vermeintlich -Ihrem seelischen Chaos in der neuen Heimat Österreich, indem sie als politische Aktivistin nach Palästina geht. Ein Pass macht es möglich. Zu dem Nahost-Korrespondenten hat sie ein eher undurchsichtiges Verhältnis. Und da ist noch ein dubioser Staranwalt, der überfordert ist und gerne seine eigenen Spielchen treibt. In Wien finden der Palästinenser Osama Zatar und die Jüdin Jasmin Avissar Unterschlupf. Ihre Ehe wird von beiden Volksgruppen abgelehnt, und so wird Österreich ihre neue „Heimat“
Zwei Stunden dauert das verwirrende und zerstörende Stück - Leid, Ausbeutung und Ausgeschlossenheit sind die prägenden Themen. Der Politik-Professor Jörg versucht vergeblich eine intellektuelle Aufarbeitung der Materie. Ein Großteil der Gesellschaft ist ratlos, wie man mit den ungewollten Ausländern umgehen bzw. auf sie zugehen soll. Im 15. Bezirk, wo sich der Hauptteil der Handlung abspielt, sowieso. Im Fernsehen sieht man einerseits geglückte Integration, andererseits wie sich Migranten gegenseitig die Schädel einschlagen. Und die große Masse?
Ronen zeigt in dem Stück grandios Beziehungs-Blitzlichter, Verbrecher, „Fahnenflüchtige“ - einfach Menschen, die weder mit sich, noch mit den anderen im Reinen leben können. Was wird in Zukunft passieren? Diese Frage lässt das Stück offen.
Einzelne SchauspielerInnen aus dem glänzenden Ensemble vor den Vorhang zu holen wäre unfair, denn alle leisten kolossale Schauspielarbeit.
Next: 27.10.2016
Infos und Tickets: www.Volkstheater.at
Reinhard Hübl
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