Boris Seidl aus Traun

„Curling-Botschafter“ trainiert brasilianische Nationalmannschaft

Boris Seidl aus Traun gründete mit seinem Bruder Manuel des ersten Curlingklub Österreichs. Seit 2022 trainiert er die brasilianische Nationalmannschaft. Im Interview erzählt von der Faszination Curling und den Unterschieden zwischen Europa und Brasilien. 

Wie bist Du zum Curling-Sport gekommen? Was fasziniert Dich an diesem Sport?
Seidl: Im Februar 2002 habe ich mir gemeinsam mit meinem Bruder und einigen Freunden im TV die olympischen Winterspiele in Salt Lake City angesehen. Wir fragten uns, warum Österreich als Wintersportnation in dieser Disziplin nicht vertreten sei. Nach einigen Recherchen haben wir festgestellt, dass in Österreich kaum Curling gespielt wird. Somit haben wir einfach den ersten Curlingklub in Oberösterreich gegründet. Die komplette administrative Arbeit, somit die Klubgründung, Ansuchen, Organsition Equipment etc. hat hauptsächlich mein Bruder Manuel übenommen. Das muss ich fairerweise an dieser Stelle anmerken. Am Curling fasziniert mich vor allem die Präzision und die Feinheiten, welche nötig sind, um professionell Curling spielen zu können. Da Curling ein Teamsport ist, viele Leute interagieren, interessieren mich ebenso auch die sozial-dynamischen Prozesse, welche in Teams, Vereinen und Verbänden stattfinden.

Wie verlief Dein bisheriger Weg im Curling?
2007 konnte sich mein Team aus Traun für die Curling Europameisterschaft qualifizieren. Es folgten Staatsmeistertitel und andere sportliche Erfolge. Als aktiver Spieler war ich bereits im Jahr 2004 als Jugendwart für den österreichischen Curling Verband tätig. Im Jahr 2015 begann ich am Gymnasium St. Johann i. T. und an der HAK Kitzbühel als Sportlehrer, dabei war ich gleichzeitig als Jugendnationaltrainer für Österreich engagiert. Sehr rasch verbuchten meine damaligen SchülerInnen Erfolge und das Jugendsportprojekt "Curling Juniors Austria" verbesserte sich von Jahr zu Jahr. Seit Sommer 2022 bin Trainer des brasilianischen Curling-Teams.

Wo liegen die Unterschiede zwischen Brasilien und Europa bezüglich Training, Mentalität, sportlicher Infrastruktur?
Das ist eine sehr umfangreiche Frage. Die sportliche Infragstruktur ist auf jeden Fall besser als in Österreich. In Österreich haben wir ein "Zwei-Rink- Curlinghalle", Brasilien hat beispielsweise eine "Drei-Rink-Curlinghalle". Die Kultur und die Mentalität ist sicherlich besonders, aber da ich in der Vergangenheit als Musiker viel in der Welt unterwegs war, kann ich mich gut an neue Kulturen anpassen. Das Training findet regelmässig statt, dabei bilde ich zwei brasilianische Curlingcoaches aus und verfasse momentan ein Methodenbuch für den brasilianischen Curlingverband, welches nachhaltig den brasilianischen Curlern unterstützen soll.

Welchen Stellenwert genießt Curling in Brasilien?
Brasilien ist ein unglaublich großes Land und ich kann schwer sagen, welchen Stellenwert im Allgemeinen der Sport hier genießt. Ich habe mitbekommen, dass viele Leute gar nicht wissen, was Curling überhaupt ist. Der brasilianische Curlingverband ist aber motiviert und fokusiert sich auch sehr auf den Behindertensport. Dabei arbeite ich auch zum erstenmal mit Rollstuhl Curlingspielern, was eine neue und sehr interessante Erfahrung für mich ist. Im August fand die World Curling Celebration Tour in Sao Paulo statt und der Verband gab mir die Chance mit Olympiasiegerin Stefania Constantini mein damaliges Curlingbuch zu präsentieren (zufällig war ihr Foto auf der ersten Seite meines Buches - damals kannte sie niemand, auch ich nicht, sie wurde im Februar 2022 Olympiasiegerin, zufällig wurde sie vom brasilianischen Verband eingeladen und konnten das Curlingbuch gemeinsam präsentieren). Zusammenfassend möchte ich meine persönliche Meinung mitteilen und behaupte, dass der Stellenwert des Curlings seitens des Verbandes in Brasilien sicher größer ist, als in Österreich.

Über welchen Zeitraum bist Du im Jahr in Sao Paulo und wie läuft Dein Leben dort ab?
Ich bin mehrere Monate in Brasilien, da ich allerdings ebenso ein Buch für den brasilianischen Verband verfasse und zwei Coaches ausbilde, darf ich in gewissen Zeiträumen auch online arbeiten und muss daher nicht zwingend in Brasilien sein.