Mit 89 Jahren in der Kletterwand

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Ottilie Lenhart tastet in fünf Metern Höhe nach dem nächsten Griff auf der Kletterwand. Sie ist mit einem Seil gesichert, streckt ihre Finger und erreicht den Griff. Geschafft! Tage später wird sich Ottilie Lenhart daran erinnern und sagen: „Danke, dass ich bei diesem schönen Ausflug in die Kletterhalle dabei sein durfte.“

Das Tageszentrum Regenbogen der Volkshilfe und der Klettertherapeut Hermann Wiesinger haben gemeinsam ein neues, gewagtes, österreichweit einzigartiges Projekt gestartet: Klettern mit Menschen, die eine dementielle Erkrankung haben.

130.000 Menschen in Österreich leben mit der Diagnose Demenz. Alle meinen es gut mit ihnen. Die Angehörigen begleiten sie fürsorglich und schauen, dass sie möglichst die Wohnung oder das Haus nicht mehr verlassen, weil das Leben da draußen zu gefährlich scheint. Liebevolle Fürsorge wird zur Bevormundung.

„Lebensfreude im Alter duelliert sich mit Sicherheit im Alter“, sagt Sabine Wögerbauer, Leiterin des Volkshilfe-Demenztageszentrums in Linz, „bei der Diagnose Demenz ist man unweigerlich mit den Begriffen Stillstand und Rückschritt konfrontiert.“ Dabei ist Wögerbauer überzeugt, dass auch im hohen Alter und bei Demenz Fortschritte möglich sind, man müsse sich nur trauen, Neues auszuprobieren. „Wir müssen wegkommen von dem Bild, dass mit der Diagnose Demenz das Leben aufhört.“

In den Demenztageszentren der Volkshilfe wird ein buntes Programm angeboten. „Wir gehen mit unseren Tagesgästen auf den Urfahraner Markt, wir gehen Reiten, aufs Schiff und jetzt eben auch Klettern. Man kann, mit der richtigen, engagierten Unterstützung, trotz Demenz ein erfülltes und freudvolles Leben führen.“

Ottilie Lenhart ist 89 Jahre alt und seit sechs Jahren Tagesgast im Volkshilfe Tageszentrum Regenbogen. Sie ist körperlich fit, werkt im Garten und wenn sie gut aufgelegt ist, bekommt das Gegenüber spontan ein Zwickerbussi. Sie ist heute zum zweiten Mal in der Kletterhalle in Auwiesen. Genauso wie Gerhard Haslehner (53) und Gotffried Thom (75). Herr Thom ist pensionierter Diakon und wundert sich über sich selbst. „Ich bin als Kind einmal zehn Meter abgestürzt. Ich hätte nie gedacht, dass ich da heute angstfrei raufklettern kann.“

Hermann Wiesinger ist selbst leidenschaftlicher Kletterer. Von ihm stammt Idee, mit Frauen wie Ottilie Lenhart oder mit Männern wie Gerhard Haslehner und Gottfried Thom in die Wand zu steigen. „Klettern ist nicht nur etwas für junge, dynamische Leute. Das können, mit professioneller Anleitung, auch ältere Menschen machen. Und ob sie Demenz haben oder nicht, spielt dabei keine Rolle“, sagt Wiesinger. Das Klettern sei eine von vielen Möglichkeiten, dem Alltag Abwechslung zu geben, nach draußen zu kommen und Spaß zu haben. „Ja, darum geht es doch, Freude zu haben am Leben.“

Positive Nebeneffekte des Kletterns sind - ganz allgemein - eine Verbesserung der Koordination von Gehirn, Armen und Beinen, bessere Beweglichkeit, mehr Kondition, Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und höheres Selbstbewusstsein durch das Erfolgserlebnis. „Und das gilt für alle Menschen, die in die Kletterwand steigen. Egal, in welchem Alter und egal, ob mit oder ohne Demenz“, erklärt Hermann Wiesinger.

Als Ottilie Lenhart wieder festen Boden unter den Füßen und den Klettergurt abgelegt, geht sie zu Sabine Wögerbauer und umarmt sie. „So alt hab’ ich werden müssen, dass ich die Wände hochklettern kann.“

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Foto: Cityfoto
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