Wirtschaftskammer-Wahl 2015 – eine Wahl mit wenig Wahl
Wie alle sozialpartnerschaftlichen Kammern in Österreich, so werden auch die Wirtschaftskammern alle 5 Jahre gewählt. Von 23. bis 26. Feber ist es in den 9 Bundesländern auch 2015 wieder so weit.
Grundsätzliches & Ausgangslage
Bundesweit kandidieren dabei Ableger von ÖVP (ÖWB - Wirtschaftsbund), SPÖ (SWV - Wirtschaftsverband), Grünen, Freiheitlichen und Neos. In manchen Bundesländern & Sparten gibt es darüber hinaus auch noch unabhängige Kandidaten.
Bei der letzten Wahl 2010 hat der schwarze Wirtschaftsbund in 7 von 9 Bundesländern zwischen 70 und 80% der Stimmen errungen. Nur in Kärnten (61,4%) und vor allem im Wien (50,3%) ist es knapper geworden.
Das Wahlrecht ist dabei durch die Verschachtelung nicht nur nach Bundesländern, sondern auch nach Sparten bzw. Fachgruppen sehr kompliziert. Eine einheitliche Bundesliste für alle Wahlberechtigen – so wie wir das z.B. von den Nationalratswahlen kennen – gibt es nicht.
Weitgehender, inhaltlicher Einheitsbrei
Inhaltlich gibt es zwischen allen größeren Fraktionen, die kandidieren, in den Schlüsselfragen weitgehende Einigkeit.
Ein Weiterführen des derzeitigen neoliberalen Wirtschaftssystems, das insgesamt Konzerne begünstigt und KMUs benachteiligt, wird im Endeffekt von allen befürwortet – auch wenn der ÖVP-Wirtschaftsbund (ÖWB) für die Positionierung der Wirtschaftskammer derzeit natürlich die alleinige Verantwortung trägt.
Der SWV (SPÖ) fährt in Wien schon seit vielen Monaten eine große und engagierte Vorwahl-Kampagne, mit bekannten Testimonials wie Werner Gruber. Auch gegen die Sonntagsöffnung in Tourismuszonen hat sich der Wiener SWV ganz klar und offensiv positioniert – als einzige Wirtschaftskammer-Fraktion. Für mich ist das definitiv ein Pluspunkt, ist das doch endliche einmal eine Position zum Nutzen der Kleinunternehmer.
Aber einmal abgesehen davon, dass dessen Position bezüglich der Sonntagsöffnung früher eine andere war, so gibt es vor allem 1 großen Kritikpunkt am SWV, aber auch am ÖWB:
Es gibt in rund 20% der Wiener Fachgruppen rot-schwarze "Gemeinschaftslisten", die vor allem erst nach dem Ende der Einreichfrist fixiert worden sind.
Weiters scheinen Wirtschaftsbund und vor allem SWV zwar eine kritische Position zum generellen Rauchverbot zu haben, jedoch die Segel im Kampf gegen dieses schon gestrichen zu haben: Es gibt mehrere Meldungen aus jüngerer Vergangenheit, dass diese schon umfangreiche Entschädigungen von Wirten bei der Einführung des totalen Rauchverbots fordern.
Die Grüne Wirtschaft trommelt zwar lautstark für mehr Nachhaltigkeit und hat sicher auch einige interessante, ethisch-ökologische Unternehmer in ihren Reihen. Abgesehen davon, dass aber auch diese Fraktion den wirtschaftspolitischen, neoliberalen Grundkonsens mit trägt, so hat sie zu den 2 heißesten Themen der letzten Monate keinen Laut von sich gegeben: Sowohl punkto Sonntagsöffnung, als auch punkto Rauchverbot haben sich die Grünen Wirtschafter völlig aus dem öffentlichen Diskurs heraus genommen. Ob es da Bedenken gibt, sich mit klaren Positionierungen "in die Nesseln zu setzen"?
Denn abgesehen von der bekannt radikalen Pro-Rauchverbot-Position der Bundespartei, so hat der Wiener Spitzenkandidat Hans Arsenovic auf Facebook klare Sympathien für ein generelles Verbot durchblicken lassen. Eine Position, die unter den Unternehmer polarisiert.
Bleiben noch RFW, Pro-Mittelstand (FPÖ) und Unos (Neos).
Auch diese 3 Fraktionen sind allesamt stark neoliberal geprägt, verfechten Deregulierungen, von denen fast nur Konzerne profitieren, sogar noch stärker als die 3 erst genannten Fraktionen.
Vor allem RFW und Unos, in 2. Linie aber auch Pro-Mittelstand sind auch die radikalsten Verfechter von immer noch weiter ausgedehnten Laden-Öffnungszeiten inklusive Sonntagsöffnung. Und die Sonntagsöffnung ist aus gutem Grund einer der größten Wünsche der Großwirtschaft – und wieder einmal zum Nachteil der klein strukturierten Handels-Unternehmen.
Der RFW hat unter Schwarz-Blau-Orange etliche, Maßnahmen zum Nutzen der Großwirtschaft mitgetragen oder sogar aktiv verfochten, wie die den Konzernen dienende Gruppenbesteuerung oder die den Kapitalgesellschaften dienende Körperschaftssteuersenkung. Maßnahmen für KMUs sind auch in dieser Zeit dagegen meist auf der Strecke geblieben. Positiv ist die klare Position gegen ein allgemeines Rauchverbot.
Pro-Mittelstand hat immerhin sehr klar gegen ein generelles Rauchverbot und für die Wahlfreiheit der Wirte ausgesprochen.
Auch die Unos sind für die Wahlfreiheit, allerdings ist ihre Liberalisierungs-Manie so stark ausgeprägt, dass sie sogar das WIFI teilprivatisieren wollen.
Fazit und bedingte Wahlempfehlung
Inhaltlich gibt es generell wenig wirkliche Unterschiede zwischen den hier genannten Listen.
Von manch unabhängigen Kandidaten abgesehen, so zeigt diese Wirtschaftskammer-Wahl, dass ein Bedarf nach neuen Gruppierungen vorhanden ist, die unterschiedliche Inhalte vertreten und nicht nur mit Worthülsen sondern tatsächlich klar Position gegen die Konzerne und für kleine und mittelständische Unternehmen beziehen.
Nicht nur durch die aktuellen Punkte "Rauchverbot" oder "Allergen-Verordnung" drohen KMUs gegenüber Großunternehmen durch massive, bürokratische Auflagen schwer benachteiligt zu werden. Auch teure Zulassungsverfahren und aufwändige Hygiene-Richtlinien seitens der EU sind für die Großen gut machbar, während sie für die Kleinen existenzbedrohend sein können.
Inhaltliche Gründe für mich persönlich als Kleinunternehmer einer Fraktion die Stimme bei dieser Wahl zu geben sind jedenfalls einmal das Eintreten für einen arbeitsfreien Sonntag und für die Wahlfreiheit der Wirte, ob sie Raucherlokale führen wollen.
Den freien Sonntag vertritt zumindest in Wien der SWV (SPÖ), die Wahlfreiheit der Wirte bezüglich Raucherlokalen am klarsten Pro-Mittelstand (FPÖ).
Generell empfehle ich – so wie auch schon bei den NÖ-Gemeinderatswahlen 2015 – auch in der Wirtschaftskammer einer Oppositionspartei die Stimme geben und damit ausgleichend wählen.
Wenn 1 Partei eine absolut Mehrheit hat, dann fährt sie über Vorschläge der anderen einfach drüber. Nur wenn sich mehrere Gruppen einigen müssen, besteht die Chance auf konstruktive, demokratische Lösungen.
Und trotz aller Missstände und berechtigter Kritik:
Ich empfehle allen Unternehmern ganz klar, wählen zu gehen.
Denn wer nicht wählt, wählt auch. Und zwar immer so, wie es diejenigen Unternehmer tun, die gültige Stimmen abgeben.
Und selbst, wer die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer abschaffen möchte, kann seine Meinung durch eine Stimme für Listen, die dieses Ziel verfolgen, Kund tun.
P.S.: Dieser Artikel spiegelt die persönliche Meinung des Autors wieder. Alle Informationen sind jedoch gewissenhaft recherchiert und aufbereitet, wie es sich für einen anständigen Journalisten gehört.
Update 23.02.2015:
Die WK-Wahlen sind heute gestartet. Am Wochenende davor hat es 1 Reaktion zu meinem Artikel seitens Hans Arsenovic von der Grünen Wirtschft gegeben, wo er seinen Unmut geäussert hat. Mir ist nicht wirklich klar, was der Stein des Anstoßes ist, habe aber den Dialog mit dem Hr. Arsenovic gesucht und bin gespannt, ob und was er antwortet.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal 2 Dinge klar stellen:
- Ich bin nicht für die Bezirksblätter tätig, sonder bin freier Journalist (Mitglied des Wiener Journalistenclubs), der unter anderem auf meinbezirk.at Artikel veröffentlicht.
- Werden ALLE Fraktionen in diesem Artikel kritisch behandelt. Weiters möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass meine ausdrückliche Grund-Empfehlung lautet, Oppositionslisten zu wählen. Unabhängig von meinen oder den persönlichen Präferenzen anderer Unternehmer zählt zu diesen natürlich auch die Grüne Wirtschaft.
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