Manfried Rauchensteiner im Interview
"Der Staatsvertrag, Figl und ich"
Der Wahl-Rabensburger Manfried Rauchensteiner im Interview über seine aktuellen Bücher.
RABENSBURG/WIEN. Der Blick zurück gibt einem oft die Sicht frei, für das was vor einem liegt. Zumindest wenn man historisch bewandert ist und sich aus den Mustern der Vergangenheit die Struktur der Gegenwart zu erklären sucht.
Einer von Österreichs angesehensten Historikern, Manfried Rauchensteiner, widmete sich diesem Versuch mit der Überarbeitung seiner zeitgeschichtlichen Österreich-Analyse "Unter Beobachtung". Hier einen Schlusspunkt in diesen bewegten Zeiten zu setzen, ist für Geschichtswissenschaftler keine leichte Aufgabe. Nur gut, dass es einen Drucktermin gab, scherzt Rauchensteiner. Ein Blick in die Innenpolitik zeigt, dass man gerade wöchentlich ein weiteres Kapitel schreiben könnte.
Staatsvertrag
Das Themenfeld ist für den 1942 geborenen Kärntner über manche Strecken ein sehr persönliches. Dabei kann der ehemalige Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums auf einzigartige Erlebnisse zurückblicken, die nur den allerwenigsten Österreichern gestattet waren. So durfte Rauchensteiner im Zuge einer Reise nach Moskau in den 1980er das Original des Staatsvertrages, das in den dortigen Archiven verwahrt ist, in seinen Händen halten. "Ich glaub zuvor hatte es nur Leopold Figl in der Hand", kann sich der Historiker ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ein Foto dieses denkwürdigen Moments blieb ihm aber verwehrt, schließlich werteten die sowjetischen Behörden den Staatsvertrag als Geheimdokument.
Die Welt von gestern
Parallelen zur heutigen Pandemiesituation findet man rasch zu Beginn des Buches. Mit dem Ende des ersten Weltkrieges zog die spanische Grippe über den Globus. "Vieles gleicht sich verblüffend. Auch damals wurde gegen die Hygienemaßnahmen angeschrieben. Man fühlte sich wegen der Alltags- und Abstandsregelung in Metternich'sche Zeiten zurückversetzt, " verweist der Historiker auf hundertjährige Quellen, "Doch kann man die medizinische Versorgung und Möglichkeit keinesfalls vergleichen." Da eine Pandemie für einen Geschichtswissenschafter ein spannendes Feld auftut, gab Manfried Rauchensteiner zu diesem Thema ein eigenes Buch heraus - mit den an Stefan Zweig angelehnten Titel "Corona und die Welt von gestern".
ZUR PERSON
1942 in Kärnten geboren, verlängerte er seine Militärdienstzeit als Einjährig-Freiwilliger (Reserveoffizier) 1960/61 bei der Panzertruppe des österreichischen Bundesheeres in Graz. Anschließend studierte er bis 1966 Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Wien. Noch im selben Jahr wurde Rauchensteiner wissenschaftlicher Beamter in der Militärwissenschaftlichen Abteilung des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) in Wien. Von 1992 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2005 war er Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums. Von 2005 bis 2011 fungierte er als Koordinator und Berater beim Aufbau des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden.
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