Frauenhaus Mistelbach
Ein Ort an dem Frauen geglaubt wird
Seit 30 Jahren bietet das Frauenhaus von gewaltbetroffenen Frauen Schutz. An Aktualität verlieren sie leider nie.
MISTELBACH. "Es wäre schön, wenn es unseren Job eines Tages nicht mehr gibt", hofft Sylvia Unger-Hochmeister. Sie betreut gemeinsam mit vier anderen Mitarbeiterinnen in Mistelbach von Gewalt Betroffene, die den Schritt weg von ihrem Peiniger wagen. Derzeit ist das Haus wieder voll belegt. Dabei wurde gerade eine neue Wohneinheit eingerichtet, die es erlaubt auch mit älteren Söhnen – bis dato galt die Regeln das männliche Jugendliche über 14 Jahren nicht im Frauenhaus untergebracht werden – einzuziehen.
Angst spürbar
"Gewalt ist mehr als ein heftiger Streit. Bei familiärer Männergewalt liegt eine Machtungleichheit vor oder wird eine Machtungleichheit geschaffen", erklärt Claudia Fath-Kuba, langjährigeMitarbeiterin des Mistelbacher Frauenhauses. Es beginnt mit persönlichen Einstellungen, die einzelne über andere stellen. Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit und so weiter.
In der zweiten Stufe wird diesen Überzeugungen in mikroaggressiven Handlungen Raum gegeben. Das kann – absichtlich oder unabsichtlich – mit Ausgrenzung passieren oder falschen Darstellungen von Tatsachen.
In einem dritten Schritt verbalisiert sich das. Sexistische Scherze bis hin zu sexuelle Belästigungen oder in ihrer Steigerungsform als Herabwürdigungen, Kontrolle, sexuelle Übergriffe. Diese Form nimmt derzeit immer mehr zu. "Speziell in Krisenzeiten, wenn das Geld knapp wird, suchen sich Gewalttäter ein einfaches Ventil. Aber Gewalt ist nicht angeboren, es wird erlernt", erklärt Claudia Fath-Kuba.
Zu körperlich schmerzhafter Gewalt wird dies spätestens im vierten Schritt, wenn Täter beginnen handgreiflich zu werden. "Bemerkenswert ist, wie viel Überlegung dahinter steckt. Der Täter will ja nicht erwischt werden und schlägt da zu, wo man es nicht gleich sieht. Das blaue Auge von früher kommt heute eher selten vor", berichtet Claudia Fath-Kuba aus ihrem Alltag und weiters, "Der gesellschaftliche Konsens hat sich verändert, Gewalt in der Familie wird heute nicht mehr als normal angesehen wird."
29 getötete Frauen in einem Jahr
Die schlimmste Form häuslicher Gewalt sind der Femizid oder Frauen, die sich selbst umbringen, da sie keinen anderen Ausweg aus der Situation für sich sehen. Alleine bis Ende Februar dieses Jahres wurde zwölf Fälle massiver häuslicher Gewalt in Österreich angezeigt. 2022 wurden 29 Frauen - darunter auch ein kleines Mädchen – in Österreich ermordet. 27 davon mutmaßlich durch ihre (Ex-) Partner, Bekannte oder jemanden aus dem Familienumfeld.
Was die Mitarbeiterinnen in ihrem Beruf aufbaut, sind die Erfolgsgeschichte, wenn man sieht, wie es eine Frau geschafft hat, ihr Leben gewaltfrei neu aufzustellen. "Aber auch jene Frauen, die nach Hause zurückkehren, tun dies gestärkt, weil sie wissen, dass es mit dem Frauenhaus einen Ort gibt, an dem ihnen geglaubt wird", macht Claudia Fath-Kuba Mut, den Schritt aus der Gewalt zu wagen.
ZUR SACHE
In den letzten 30 Jahren konnte alleine in Mistelbach 847 Frauen und deren 936 Kindern eine Zuflucht geboten werden. Jede fünfte Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Jede dritte Frau musste seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form der sexuellen Belästigung erfahren. Jede siebente Frau ist am ihrem 15. Lebensjahr mindestens einmal von Stalking betroffen.
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