Assistenzhund Keks – ein Trauerspiel in mehreren Akten
Ein Partner-Hund ist der Traum so mancher Menschen mit Behinderung. Hier wurde er zum Alptraum.
Es war einmal – nein, das ist leider kein Märchen, es ist die traurige Wahrheit. Es war und ist noch immer ein kleines Mädchen namens Nelly, damals 5 Jahre alt, das hatte und hat noch immer Diabetes, Typ 1. Im schönen Land Salzburg gab und gibt es noch immer einen ziemlich bekannten Verein namens „Partner-Hunde Österreich“. An den wendeten sich die Eltern des kleinen Mädchens, weil der Verein in seiner Werbung immer anpries: „außergewöhnliche Hunde für außergewöhnliche Menschen“. Schließlich brauchte Nelly ja einen außergewöhnlichen Hund, der sollte nicht nur ihr treuer Gefährte werden, der Hund sollte vor allem den sich verändernden Blutzuckerspiegel bzw. die Abweichung von den "Normalwerten" bemerken und ihren Eltern anzeigen - das heißt, es geht um die Unterzuckerung (Hypoglykämie) wie auch um die Überzuckerung (Hyperglykämie). Das war ganz besonders wichtig in der Nacht. Das Anzeigen von einer Unterzuckerung muss gründlich trainiert werden, eine Überzuckerung erkennen die meisten (aber nicht alle) Hunde instinktiv.
Die große Vorfreude
Alle freuten sich schon sehr auf den Hund. Natürlich, er würde viel Geld kosten, die Familie musste Spender selbst suchen und es war gar nicht so leicht, so viele großzügige Sponsoren zu finden, auch gab es noch den Selbstbehalt von 2.000 Euro. Da war außerdem noch die Frage der Schule – der Verein verlangte, dass Nelly auf jeden Fall die Erlaubnis haben musste, ihren Hund in Zukunft in die Schule mitnehmen zu dürfen. Geht nicht in Österreich, erfuhr die Familie damals, also zogen sie extra nach Deutschland. Plötzlich wurde diese Meinung geändert – für den Schulbesuch mit dem Hund würde die Familie die ausdrückliche Erlaubnis des Vereins benötigen...
Große Versprechungen und dann...
Die sehr anstrengende Einschulung wurde durchgestanden, die feierliche Übergabe des Hundes erfolgte im Februar 2012, die Freude war groß. Doch sie dauerte nicht lange. Der Hund wurde zwar vom Verein in allen Medien groß gerühmt, als der „erste Diabeteswarnhund in Österreich“ und ähnliches mehr, aber die versprochene Nachtanzeige wollte nicht und nicht funktionieren. Im Mai 2012 verkündete Frau Färbinger, die Geschäftsführerin und Cheftrainerin des Vereins „Partner-Hunde Österreich“ in zahlreichen Medien: das Training für die Nachtanzeige hat begonnen.
In Wahrheit hat Keks in der Anfangszeit (erstes halbes Jahr) nur ca. 30% angezeigt, aber auch nicht wirklich zuverlässig. Nachtanzeige gab es nur eine einzige - ca. 2 Monate nach seinem Einzug bei der Familie.
Am Drehtag (Sommer 2012) für den Beitrag bei der "ORF-Sommerzeit" fing Keks plötzlich an zu humpeln. Frau Färbinger brach sofort die Mitwirkung an den Dreharbeiten ab. Die Familie war völlig überrascht von seinem Humpeln und hatten keine Ahnung von der Ursache. Sie glaubten an eine vorübergehende Erscheinung, der Hund wurde tierärztlich behandelt.
Wie soll es weitergehen?
In ihrer Verzweiflung über die unzureichenden Anzeigen von Keks wandte sich die Familie an das „Animal Training Center“, doch dort mussten die Trainer sehr bald das Training abbrechen, weil der Hund massive Trennungsängste zeigte und begann, sich blutig zu beißen.
Es stellte sich außerdem heraus, dass am Hund aufgrund einer schweren Hüftgelenksdysplasie eine sogenannte Pfannnenschwenkung durchgeführt worden war. Bei dieser Operation werden die Hüftgelenke aufgeschnitten, völlig umgedreht und wieder zusammengesetzt. Obwohl die Operation in vielen Fällen gut geht, sollte man einen solchen Hund auf keinen Fall als Assistenzhund ausbilden. Keks jedenfalls brauchte und braucht noch immer wieder Physiotherapien. Natürlich dachte die Familie nicht daran, den Hund zurückzugeben – Kinder lieben bekanntlich ihre Tiere über alles und außerdem - was würde in der Trainingsstätte mit ihm geschehen? Frau Färbinger schob die mangelnde Leistung des Hundes auf eine angeblich falsche Behandlung durch die Familie. Das Kind sei auch noch nicht reif genug für einen solchen Hund. Im Zuge einer Rücksprache mit einem amerikanischen Hundefachmann habe sie festgestellt, dass Signalhunde für Diabetiker erst an Kinder ab 12 Jahren sinnvollerweise vergeben werden sollten. Vielleicht hätte sie diese weise Erkenntnis schon haben sollen, als sie den Hund an die damals fünfjährige Nelly verkaufte?
Totale Verzweiflung
In ihrer Verzweiflung klagte die Familie den Verein „Partner-Hunde“ auf Schadenersatz. Im tierärztlichen Gutachten stellte die Gutachterin fest, dass dieser Hund mit einer solchen Operation von vornherein nicht ausgebildet werden hätte sollen. Sie zweifelte auch sein Anzeigevermögen an. Für sie blieb auch zweifelhaft, ob Keks nicht nur auf Mimik und Gestik ihrer Besitzer bzw. sich wiederholende Abläufe während des Trainings reagierte, statt auf die Veränderungen des Blutzuckerspiegels des Mädchen.
Der Verein Partner-Hunde schlug einen Austausch des Hundes vor, aber das wäre für das Mädchen unerträglich geworden – würden Sie es übers Herz bringen, einem kleinen Mädchen seinen geliebten Kameraden einfach wegzunehmen?
Ein Hund ist bekanntlich kein Gegenstand, den man einfach austauschen kann, obwohl er in unserer Gesetzgebung bezüglich Handelbarkeit als solcher gewertet wird. Im übrigen ist das Vertrauensverhältnis verständlicherweise zur Trainerin nachhaltig gestört. Beim Gewährleistungsrecht greifen aber leider die Vorschriften, die beim Kauf und Verkauf von Gegenständen anzuwenden sind, Tiere sind nur vor Quälerei extra geschützt.
Das traurige Ende vom Lied
Die Familie hat nun statt des hochgelobten Diabetes-Signalhundes einen kranken Hund, der ständig kostspielige Physiotherapie benötigt, der die geforderten Anzeigen der Unterzuckerung deshalb auch kaum leistet und der noch dazu keine Minute allein bleibt.
Im Zuge des Prozesses bot der Verein „Partner-Hunde“ einen Vergleich in Höhe von 10.915 Euro an. Die Familie, obwohl ihr übel mitgespielt wurde, musste auf den Vergleich eingehen, sie hatten einfach nicht mehr die Kraft, weiterzukämpfen. Außerdem ziehen sich solche Prozesse in die Länge und der Ausgang ist immer ungewiss – Recht und Gerechtigkeit sind bekanntlich zwei Paar Schuhe.
Aber es ist schon bemerkenswert, dass es noch zwei weitere Prozesse gegen den Verein gab, die beide mit einem Vergleich endeten – der eine mit einem ähnlich hohen Betrag.
Aber die Geschichte ist noch lange nicht aus. Als Nelly ihren Keks bekam, gab es noch kein Gesetz, das ein objektive Überprüfung eines jeden Assistenzhundes (oder was dafür ausgegeben wurde), vorschrieb. Nur die Blindenführhunde mussten eine Prüfung haben. Jeder, der Lust hatte, konnte also irgendwelche Hunde an Menschen mit Behinderungen (außer Blindheit) verkaufen und dieser Hundeführer hatte entweder Glück und bekam einen gesunden und brauchbaren Hund oder – er zog eine Niete. Pech gehabt...
Und heute?
Heute gibt es das Gesetz. Es sollten also nur mehr staatlich geprüfte Assistenzhunde in den Verkehr kommen. Die Betonung liegt auf sollten. Die meisten Ausbildungsstellen halten sich dran, nicht so der Verein „Partner-Hunde Österreich“. Dieser behauptet, seine Hunde seien bereits „zertifiziert“, von einer „Internationalen Organisation“. Wer braucht da schon österreichische Gesetze? In Wirklichkeit ist die sogenannte Zertifizierung nur eine wertlose Bescheinigung einer Berufsvereinigung von Hundetrainern. Die Irreführung geht aber weiter. Den Empfängern eines „Partner-Hundes“ wird vorgespielt, ihr Hund sei automatisch ein Assistenzhund, also auch ohne staatliche Prüfung. Auch das ist falsch, er ist dann nur ein ganz gewöhnlicher Haushund, aber leider kann diese Vorgangsweise bisher nach dem Strafrecht nicht direkt belangt werden.
Was kann ich tun?
Aber Sie können etwas tun: Warnen Sie alle Menschen, die einen Assistenzhund wollen, dass sie mit keinem Hund eine Zusammenschulung beginnen, der nicht schon die staatliche Qualitätsprüfung beim Messerli-Forschungsinstitut (und nur dort) http://www.vetmeduni.ac.at/assistenzhunde/ bestanden hat! Ohne diese Prüfung wird man auch nicht zur Teamprüfung zugelassen und der Hund wird dann auch kein Assistenzhund! Und genau so wichtig: spenden Sie nur für geprüfte Assistenzhunde. Damit verhindern Sie, dass plötzlich Menschen mit Behinderung vor den Scherben ihrer Hoffnungen stehen.
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