"Es hat mich fast gebrochen."
Eiskunstlauf - Aus Sport wird Mord
Eine ehemalige Spitzensportlerin im Eiskunstlauf aus dem Bezirk Neusiedl am See erzählte den RegionalMedien Burgenland von ihren Erfahrungen mit Leistungsdruck im Sport.
NEUSIEDL AM SEE. Dass Sport bis ins hohe Alter förderlich ist, ist unumstritten. Jedoch gibt es auch hier ein gesundes Maß, das man nicht überschreiten sollte. Die RegionalMedien holten die Meinung von jemandem ein, der die Wirkungen des Leistungssports seit der frühen Kindheit erfahren hat.
REGIONALMEDIEN: Wie sind Sie ursprünglich zum Spitzensport gelangt?
ANONYM: Indem ich anfangs hobbymäßig mit dem Eislaufen angefangen habe. Eines Tages kam meine Trainerin auf mich zu und hat mir gesagt, dass ich Talent hätte und dass ich auf Leistungssport umsteigen sollte.
Wie haben Sie die ersten Jahre im Eiskunstlaufverein in Erinnerung?
Anfangs lustig und schön, aber auch körperlich sehr anstrengend. Als ich noch hobbymäßig im Verein Sport gemacht habe, kam ich auf vier Stunden die Woche. Als ich jedoch auf Leistungssport umgestiegen bin, hat sich die Stundenanzahl verfünffacht.
Ab wann war der Punkt erreicht, an dem aus dem Hobby des Eislaufens eher eine Verpflichtung wurde?
Nach einem zweiten Trainerwechsel bemerkte ich anhand der vielen Wettbewerbe am Wochenende, der wochenlangen Trainingslager in den Ferien und dem im Vergleich zum vorherigen Hobbyeislaufen viel schärferen Ton bei den Sporteinheiten, dass das Eislaufen für mich quasi einem Beruf gleicht und ich das machen musste, was mir angeschafft wurde.
Hatten Sie darüber nachgedacht, mit dem Eislaufen aufzuhören?
Nein, eigentlich nicht. Es wurde mir allerdings von mehreren Personen des Öfteren empfohlen.
Mit welchen Beschwerden hatten Sie damals zu kämpfen?
Eine einfachere Frage wäre, mit welchen nicht. Von Rücken- und Steißbeinschmerzen, hin zur Schleimbeutelentzündung, gefolgt vom Wachstumsfugenbruch, drei gerissenen Bändern beim Fußknöchel und noch vielem mehr war so gut wie alles vorhanden. Ich habe mir außerdem mehrmals den Fuß verdreht. Psychisch hat der harte Ton beim Sport mich auch nicht unversehrt gelassen, da ich aufgrund der Kommentare meines Trainers, so wie viele andere in meinem Verein, eine Essstörung entwickelt habe.
Wie sind Sie mit diesen Beschwerden damals umgegangen?
Regelmäßige Arztbesuche und Physiotherapieeinheiten waren bei mir keine Seltenheit. Die Essstörung habe ich erst bekämpfen können, nachdem ich dieser Art von Sport ein für alle Mal abgeschworen habe. Es hat mich fast gebrochen.
Was hat Sie davon abgehalten auf Ihre körperlichen und psychischen Beschwerden zu hören und stattdessen weiterzumachen?
Weil ich das Eislaufen damals als Verpflichtung empfunden habe, der ich mich nicht so ohne Weiteres entziehen konnte.
Was hat Sie schlussendlich doch noch davon überzeugt, dem Spitzensport abzuschwören?
Mein Freund hat mir damals die Augen geöffnet und mich mit Dingen konfrontiert, die ich damals nicht wahrhaben wollte.
Wie blicken Sie nun auf die Jahre im Spitzensport zurück?
Es gibt Momente, an denen ich diese Zeit vermisse, jedoch bin ich froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe und mein Leben endlich genießen kann.
Würden Sie den regulären Gelegenheitssport dem Spitzensport anhand Ihrer Erfahrungen aus erster Hand vorziehen?
Ja sicher. Allein deswegen, dass die Gesundheit im Spitzensport sogar noch stärker verbraucht wird, als wenn man gar nicht körperlich aktiv wäre.
Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben?
Ich würde mir selbst raten, wesentlich früher auf die psychischen und körperlichen Probleme zu reagieren und den Leistungssport sein zu lassen.
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