Fortsetzungsroman
Mühlstraßenbande: Teil 7

Spannende Geschichten von Franz Strasser | Foto: Verlag Bibliothek d. Provinz
  • Spannende Geschichten von Franz Strasser
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Fortsetzungsroman: Franz Strasser erzählt in "Die Mühlstraßenbande" von seiner Kindheit nach dem Krieg.

...Für meine Freunde hatte sie stets ein Marmeladen- oder Butterbrot übrig, wenn sie bei mir zum Spielen waren. In der damaligen Zeit war das etwas ganz Besonderes, da ja die Lebensmittel rar und die Menschen wesentlich genügsamer waren.
Also zog ich mir warme Kleidung an, wickelte einen selbst gestrickten Schal mehrfach um meinen Hals, stülpte mir eine Wollmütze über und wartete noch den billigenden Blick meiner Großmutter ab. Anschließend verließ ich voller Unternehmungslust die Wohnung und ging durch den Garten auf die Holzbrücke hinter dem Haus, die über den Schwarzbach führte. Hier schaute ich mich nach Forellen um, aber es war nichts zu sehen. Daher zog ich weiter zur Streicherbrücke, die sich ungefähr zweihundert Meter unterhalb befand. Doch auch hier war nichts zu erspähen. Von der Stadt aus führte ein Weg über die Brücke durch die Krautberggasse hinauf zur Au. Da oben lebte eine Familie, die ich gut kannte. Diese hatte zwei Kinder, den Franz und die Mitzi. Wir waren gute Freunde und spielten oft miteinander. Zudem gab es dort Ziegen, Hühner und Schweine, was damals zur Selbstversorgung so üblich war.
Als ich nun dort auf der Brücke stand und mich so umschaute, kam die Mutter der beiden Kinder mit einem »Goaßlschlitten« die Krautberggasse heruntergerodelt. Auf dem Gefährt lagen ein paar Leinensäcke. Erfreut winkte ich ihr zu, und als sie die Brücke erreichte, blieb sie neben mir stehen und fragte freundlich, ob ich Zeit und Lust hätte, mit ihr Heu für ihre Tiere im Luegergraben zu holen. Da ich ja nun Zeit im Überfluss hatte, war ich sofort mit von der Partie. Ich spürte ein großes Glücksgefühl in mir aufkommen, denn jetzt bot sich mir ein abwechslungsreicher und sinnvoller Zeitvertreib.
Sogleich nahm ich den Schlitten, denn es lag wunderbarer Pulverschnee. Gestreut wurde damals nicht, da es keine Autos gab. Alles was einen Motor und Räder hatte, wurde im Krieg benötigt und so waren nur noch ein paar Pferdefuhrwerke übrig geblieben. Sogar der Rettungswagen und der Leichenwagen wurden von Pferden gezogen. Somit waren die Straßen glatt und weiß und es war eine rechte Lust, mit dem »Goaßlschlitten« über sie hinweg zu gleiten. Ab ging die Post in Richtung Luegergraben. Zuerst überquerten wir die mittlere Ybbsbrücke und dann zogen wir durch die Siedlung Raifberg.
Dieser Ort barg für uns Buben etwas Beklemmendes. So viele Häuser an einem Fleck, sogenannte Reihenhäuser, waren für die damalige Zeit etwas ganz Neues. Wir wohnten ja alle in Häusern, die weiter auseinander gelegen waren. Mit Unbehagen und Magengrummeln näherten wir uns unumgänglich diesem Gebiet. Darum schien es mir ein großes Glück zu sein, dass die Burschen aus dieser besagten Siedlung alle in der Schule waren. Ansonsten, so glaubte ich felsenfest, hätte ich bestimmt einige dicke Schneebälle an den Schädel bekommen, sobald sie mich entdeckt hätten. Raifberg unversehrt hinter uns lassend, ging es dann weiter nach rechts in den Luegergraben. Beschwingt und voller Euphorie zog ich den Schlitten. Von hier aus war es nicht mehr weit.
Bald waren wir auf dem Bauernhof angelangt, von dem wir das Heu holen wollten. Es war ein schönes und gepflegtes Gehöft. Die Bündel (Leinensäcke) waren schnell gefüllt und aufgeladen. Anschließend wurden wir von den freundlichen Bauersleuten in die Küche gebeten. Sie waren bereits mit dem Mittagessen fertig, und wir wurden an den riesigen Ecktisch geladen. Ich schaute ein wenig umher. Auf einer Seite führte eine Tür in die große Wohnstube, in der ebenfalls ein großer hölzerner Tisch, eine Eckbank und knorrige Stühle standen. Im Winkel hing ein schönes, massives Kreuz, das mit einem Palmbuschen geschmückt war. Drüben vom Herd zog ein Geruch – noch tausendmal besser als ¬Myrrhe und Weihrauch – in meine Nase. Es war eine »Blunzen«, die auf dem Ofen schmorte. Da fragte uns die Bäuerin, ob wir nicht auch etwas kosten wollten. Am liebsten wäre ich vor Freude hochgesprungen, aber ich hatte mich in der Gewalt und antwortete nur ruhig und brav: »Bitte, sehr gern.« Mir lief die Spucke im Mund zusammen und ich dachte nur: Wenn mich jetzt meine Freunde sehen könnten! Die armen Burschen mussten sich noch in der Schule quälen, während ich hier förmlich im Paradies verweilte. Die Bäuerin legte Besteck auf den Tisch und wandte sich anschließend wieder dem Ofen zu. Dort hantierte sie mit den Töpfen und Tellern – und dann war es soweit. Die Blunzen wurde uns mit warmem Kraut und Erdäpfeln gereicht. Mein Stück war ein bisschen aufgesprungen und richtig resch – ein Traum auf der Zunge. Ich fühlte mich wie im siebten Himmel. Welch schöne Begebenheiten hatte mir dieser Tag bereits gebracht! Nach dem Essen bekamen wir noch ein Glas Most – meiner war ein Süßmost, fruchtig erfrischend – und dann ging die Reise, gesättigt und gut gelaunt, wieder zurück Richtung Heimat. Unterwegs unterhielten wir uns fröhlich und zufrieden über den gelungenen Ausflug und genossen noch die herrliche Winterluft. In Waidhofen angekommen, zog ich noch mit der Mutter meiner Freunde den beladenen Schlitten die Krautberggasse hinauf und wir brachten gemeinsam die Heusäcke in den Schuppen. Sie bedankte sich herzlich bei mir und wir verabschiedeten uns voneinander. Als ich zu Hause ankam, schaute meine Großmutter schon besorgt aus dem Küchenfenster. Als sie mich erblickte, eilte sie gleich zur Tür und hielt sie mir auf. Sofort fragte sie mich voller Sorge, wo ich denn so lange gewesen sei, und warum ich nicht zum Mittagessen erschienen sei. Da erzählte ich von meinem Erlebnis und von »der besten Blunzen der Welt«, und sie war gleich besänftigt, zufrieden und auch sehr stolz, dass ich der Mutter von Franz und Mitzi so tatkräftig geholfen hatte.

Fortsetzung folgt

Nachdem wir unser köstliches Mahl, die knusprigen Knacker, verspeist hatten und Omas Puls sich wieder normalisiert hatte, widmeten wir uns der »Nachspeise«, die diesmal etwas anders ausfiel. Mein Vater und mein Bruder schlugen sich zu diesem Zweck in die Büsche und kamen nach einer Weile mit einigen Lianen wieder zum Vorschein. Anschließend setzten sie sich damit gemeinsam an die Feuerstelle, knickten die Stöcke in etwa zehn Zentimeter lange Stücke, zündeten sie in der Glut an und sogen genüsslich an ihnen, als wären es die teuersten Zigarren. Prompt fiel meinem Vater wieder eines seiner Jugenderlebnisse ein. Wir hörten gespannt zu – und das war wirklich genüsslich.

Mühlstraßenbande:

Erzählungen, Franz Strasser
Verlag Bibliothek der Provinz
ISBN 978-3-99028-383-7
19 x 12 cm, 100 S., € 13,00

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