Arbeitslosigkeit und "Klarna-Schulden
Schuldnerberatung in Niederösterreich boomt

"Klarna"-Schulden: Online-Shopping mit attraktiven Ratenkäufen wird immer mehr Jugendlichen in Niederösterreich zum Verhängnis. | Foto: pixabay
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  • "Klarna"-Schulden: Online-Shopping mit attraktiven Ratenkäufen wird immer mehr Jugendlichen in Niederösterreich zum Verhängnis.
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7.923 Beratungsgespräche führten die Expertinnen und Experten der NÖ Schuldnerberatung im Jahr 2023 durch, in denen sie insgesamt 4.012 Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern geholfen haben. Wo der Schuh am meisten drückt, wie hoch die Durchschnittsverschuldung ist und wie man aus der Schuldenfalle ausbrechen kann, hat uns Michael Lackenberger, Geschäftsführer der NÖ Schuldnerberatung, verraten.

NÖ. Die Menschen, die bei der NÖ Schuldnerberatung Hilfe suchen, kommen mit den unterschiedlichsten Anliegen. Die einen haben hohe Verbindlichkeiten, die im Extremfall bis in die Privatinsolvenz führen.

"Wir haben eine Veränderung hin zur sozialen Mittelschicht bemerkt, die mittlerweile rund zwei Drittel unseres Klientel ausmacht. Diese Gruppe ist nicht hoch verschuldet, sondern kann sich das Leben nicht mehr leisten",

erzählt Lackenberger. Ob Stromrechnung oder Miete, die Zahl der Erstkontakte hat sich 2023 um 17 Prozent erhöht.

"Und ja, das macht mir Sorgen. Jene, die mit hohen Schulden kommen, haben eine ganze Reihe an Möglichkeiten, umgekehrt wir viele Hebel, an denen wir ansetzen können. Wenn aber jemand kommt, der sich das Leben nicht mehr leisten kann, was sollen wir dem raten."

Michael Lackenberger ist Geschäftsführer der NÖ Schuldnerberatung. Dass sich immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten können, bereitet ihm große Sorge. | Foto: Barbara Mair
  • Michael Lackenberger ist Geschäftsführer der NÖ Schuldnerberatung. Dass sich immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten können, bereitet ihm große Sorge.
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Zur Schuldnerberatung bevor es "brennt"

Klassische Schuldnerberatungen machen den Hauptteil der Gespräche bei der NÖ Schuldnerberatung aus. Dass darüber hinaus aber auch eine "Budgetberatung" angeboten wird, wissen die wenigsten oder nehmen es zumindest kaum in Anspruch.

"Dabei ist es viel besser, Hilfe und Rat zu suchen, bevor die Situation eskaliert. Sobald man weiß, dass sich etwas ändern wird, etwa ein Kind unterwegs ist oder die Zinsen beim Kredit in die Höhe schnellen werden, kann man bei uns anrufen und sich beraten lassen."

Das Angebot der NÖ Schuldnerberatung ist kostenlos, beraten wird vertraulich.

"Die Blaupause gibt es nicht, jeder Fall ist anders",

sackt Lackenberger. Uns so helfen die Experten etwa bei der Haushaltsaufstellung, in der Einnahmen und Ausgaben gegenüber gestellt werden, helfen bei staatlichen Unterstützungen, Förderungen oder dabei, eine kleinere Wohnung zu finden, weil etwa die aktuelle zu teuer geworden ist.

"Auch im Falle einer Privatinsolvenz sind wir da und vertreten die Menschen im Verfahren."

Dass die Meisten erst zu spät kommen, wenn der Schuldenberg schon hoch ist, bedauert Lackenberger. Zuvor hätte man vielleicht noch eine Lösung finden können.

Foto: pixabay (Symbolfoto)

So unterschiedlich ist Niederösterreich

Die größte Schuldnerberatungsstelle ist in Wr. Neustadt, dort wurden mit 2.881 auch die meisten Beratungsgespräche geführt. Dass es im Waldviertel mit 501 Beratungsgespräche in der Zwettler Beratungsstelle vergleichsweise "ruhig" zugeht, ist schlicht dem sozialen Gefüge in ländlicheren Regionen geschuldet, wie Lackenberger erklärt.

"Je ländlicher die Gegend, desto mehr Menschen leben im familiären Verbund. Sie sind besser integriert und können sich Unterstützung suchen, wenn es notwendig ist. Je städtischer die Gegend wird, umso mehr gehen diese Strukturen verloren. Darum sind die Beratungen im Zentralraum mit St. Pölten und dem Weinviertel mit Hollabrunn auch wesentlich höher."

Das schlägt sich auch in der Durchschnittsverschuldung derjenigen nieder, die bei der Schuldnerberatung aufschlagen. Während sie im Waldviertel mit 50.700 Euro am niedrigsten ist, ist sie im Mostviertel mit 90.600 am höchsten. Dazwischen liegen das Weinviertel mit einer Durchschnittsverschuldung von 82.900 Euro, das Industrieviertel mit 74.800 Euro und der Zentralraum mit 66.000 Euro.

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Männer haben höhere Schulden

Liegt die Durchschnittsverschuldung NÖ-weit bei 74.100 Euro, so sieht man bei der NÖ-Schuldnerberatung auch Unterschiede bei den Geschlechtern. Während die Frauen im Schnitt mit 56.800 Euro im Minus sind, hat der Schuldenberg der NÖ-Männer einen Wert von rund 86.300 Euro pro Kopf. Warum, fragen wir Michael Lackenberger.

"Männer haben meist andere Ausgabenstrukturen, auch Unterhaltskosten für Kinder oder ehemalige Ehepartner kommen hier zu tragen. Bei den Frauen sind es meist die Bürgschaften, die sie übernehmen, die ihnen schlussendlich zum Verhängnis werden."

Schulden sind keine Frage des Alters

Die 30- bis 55-Jährigen machen die Hauptgruppe bei der NÖ Schuldnerberatung aus.

"In diesem Alter ist man gefährdet, seinen Job zu verlieren und tut sich oft auch schwer, einen neuen zu finden. Und nach wie vor ist der Jobverlust der Schuldengrund Nummer 1",

erzählt Lackenberger. Auch Scheidungen und Trennungen, die auf einmal aus einem Haushalt zwei machen, dazu noch Kinder und Unterhalt, spielen in dieser Altersphase eine große Rolle.
Grundsätzlich kennen Schulden jedoch keine Alter.

"Im vergangenen Jahr war unser ältester Schuldner 87 Jahre alt, unser jüngster 17. Letzterer ist betrunken mit dem Moped gefahren, hat einen Verkehrsunfall verursacht und wurde daraufhin mit hohen Schadenersatzforderungen konfrontiert. Gemeinsam mit seinen Eltern hat er sich bei uns beraten lassen."

Foto: pixabay (Symbolfoto)

Jugendliche in der "Klarna"-Schuldenfalle

Wer bei der NÖ Schuldnerberatung Hilfe sucht, wird bis zu seinem 25. Lebensjahr als Jugendlicher geführt. Diese Gruppe hatte im Jahr 2023 durchschnittlich 28.000 Euro Schulden – 2021 waren es noch 21.000 Euro. Verlust des Arbeitsplatzes ist auch hier der Schuldengrund Nummer 1, dicht gefolgt vom Konsumverhalten.

"Onlineplattformen machen das Einkaufen den Jungen schmackhaft, Ratenzahlungen werden meist schon im Vorfeld angeboten. Dazu kommen noch die sogenannten Klarna-Schulden, die durch spätere Bezahlungsmöglichkeiten entstehen, dazu. Irgendwann verlieren die jungen Leute den Überblick und stecken in einem hohen Schuldenberg fest",

weiß Lackenberger. Dass es meist am nicht vorhandenen oder zu geringen Finanzwissen scheitert, ist dem Experten bewusst.

"Seit Jahren fordern wir Finanz-Bildung in den Lehrplan der Pflichtschulen aufzunehmen, bis jetzt aber ohne Erfolg."

Finanzführerschein in Niederösterreich seit 2023

Dank Kooperation mit dem Land Niederösterreich und der Arbeiterkammer NÖ bietet die NÖ Schuldnerberatung seit dem vergangenen Jahr den "NÖ Finanzführerschein" an. 2023 war man vor allem in den Polytechnischen Schulen unterwegs, um Basis-Finanzwissen in fünf Modulen zu vermitteln. Aktuell reichen die finanziellen Mittel aus, um 300 Schülerinnen und Schülern im Jahr den Finanzführerschein ermöglichen zu können.

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