Interview Pernkopf
Spitäler: Zusperrdebatte ist durch Krise beendet
NIEDERÖSTERREICH. Landesvize Stephan Pernkopf über die Lehren aus der Krise für Gesundheit, Nahrung und Wirtschaft.
Wir sind noch nicht über den Berg, aber wie sieht die erste Bilanz der Corona-Krise im Gesundheitssystem aus?
In den Landeskliniken wurden 597 Corona-Patienten behandelt, davon 111 intensiv. Die Höchstzahl der belegten Betten waren 217 am 6. April. Davon wurden 57 Patienten intensiv behandelt. Verfügbar waren 1.207 Betten, 170 davon in Intensivstationen. Wir hatten zu jeder Zeit genügend Intensivbetten und Beatmungsgeräte. Auch die Akutversorgung abseits Corona war jederzeit gewährleistet.
War die Panik überzogen?
Es war eine absolute AusnahmeSituation, die wir so in ganz Europa noch nicht gekannt haben. Wir
hatten die Erfahrungen aus Italien, aus Spanien, wo das Militär Tote abtransportiert hat. Wir wollten solche Zustände verhindern, was auch gelungen ist.
Was waren die wichtigsten Lehren aus den Ereignissen?
Vier Punkte waren für den Erfolg wichtig:
- Erstens – eine gute Abstimmung mit Bund und Ländern.
- Zweitens – Contact Tracing und Tests.
- Drittens – nicht alle direkt ins Spital, bei mildem Verlauf Heimquarantäne.
- Viertens – Ein Stufenplan mit Corona-Schwerpunktspitälern in allen Regionen.
Damit konnten die Versorgungslast gleichmäßig verteilt und Patienten in Heimatregionen betreut
werden. Wir haben Spitzenmedizin und Spitzenpersonal in allen Regionen.
Gerade an den dezentralen Kliniken gab es von Gesundheitsökonomen heftige Kritik.
Die Gesundheits-Ökonomen haben Jahre lang das Zusperren von ganzen Spitälern gefordert. Da kamen Forderungen, wie „Krankenhausträger müssen ganze Krankenhäuser schließen“ oder „Provinzkrankenhäuser haben wenig Sinn“, es sei sogar dumm an ihnen festzuhalten. Heute sagen die gleichen Gesundheits-Ökonomen „es kommt uns zugute, dass wir so viele Spitäler haben. Das entpuppt sich als großer Vorteil“. Gott sei Dank haben wir nie auf diese vermeintlichen Propheten vertraut. Es braucht mehr Hausverstand in der Gesundheitspolitik.
Ist die Zusperrdebatte beendet?
Ja. Die Krise zeigt uns, dass Grundversorgung in den Regionen
extrem wichtig ist. Gesundheitsversorgung lässt sich nicht outsourcen, und dann nach Belieben
wieder zukaufen.
Bei Medikamenten und Schutzausrüstung wurde die Produktion aber schon „outgesourced“.
Das ist falsch. Wir dürfen keine Abhängigkeiten aus Fernost etc. zulassen. Es herrschten WildwestManieren bei der Beschaffung von medizinischen Gütern und Schutzausrüstung. Wir dürfen nicht von Medikamenten aus Asien, Techniken aus Übersee abhängig sein. Deshalb müssen wir die Produktion systemrelevanter Güter wieder zurückholen und absichern. Das gilt auch für Lebensmittel.
Die Lebensmittelversorgung hat trotz Krise gut funktioniert.
Weil wir in Niederösterreich einen hohen Anteil an Selbstversorgung haben und die Landwirtschaft kleinteilig strukturiert und dadurch krisenfest ist. Das zeigt: Unsere Landwirtschaft ist mehr wert, als der billigste Preis in den Flugblättern der Handelskonzerne. Die EU muss dafür sorgen, dass Europa weiter in der Lage ist, sich selbst zu versorgen – durch Familienbetriebe. Einsparungen bei Bauern, zum Beispiel beim Agrarbudget, gefährden in der Krise die Versorgungssicherheit.
Sie sind Präsident des Ökosozialen Forums. Hat die Krise die Ökosoziale Marktwirtschaft wieder modern gemacht?
Absolut. Der Wiederaufbau nach Corona soll ökosozial sein. Ökosozial ist, was Arbeitsplätze schafft, die Umwelt schützt und die Wirtschaft stützt. Damit können wir Wirtschaftskrise und Klimakrise gemeinsam bekämpfen.
Geht's ein wenig konkreter?
Niederösterreich kann hier Vorbild sein. Etwa das Gemeindepaket des Bundes wird eine Milliarde schwer sein, davon sollen mindestens 20% für Öko-Maßnahmen investiert werden. Wir hatten in diesen Tagen bereits Konferenzen mit 1.000 Bürgermeistern und Umweltgemeinderäten. Ziel ist: So viele Mittel wie möglich für die Gemeinden und Umwelt abholen. Es geht um PV-Anlagen, LED-Beleuchtungen, Raus aus Öl, Sanierungen, Renaturierung von Flüssen. Damit nicht Amazon & Co. zu den Gewinnern der Krise werden, sondern damit wir nach der Corona-Krise auch den Klimawandel bekämpfen und damit auch Gemeinden stärken.
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