Kommentar
Wahl in Niederösterreich am Seziertisch: Guerilla, Klima und der Führer

Die ÖVP liegt knapp 23 Prozent vor der SPÖ. Bis 1999 war die Sozialdemokratie in Niederösterreich bei Bundeswahlen immer vor der ÖVP. Nun sind die letzten Hochburgen gefallen. | Foto: Screenshot
  • Die ÖVP liegt knapp 23 Prozent vor der SPÖ. Bis 1999 war die Sozialdemokratie in Niederösterreich bei Bundeswahlen immer vor der ÖVP. Nun sind die letzten Hochburgen gefallen.
  • Foto: Screenshot
  • hochgeladen von Marie-Theres Weiser

Das Wahlergebnis in Niederösterreich unter der Lupe. Eine Analyse von Chefredakteur Oswald Hicker.

Und wieder einmal bleibt Gottfried Waldhäusl über. Das freiheitliche Urgestein musste nun bereits zum dritten Mal mitansehen, wie die Parteispitze seine Heimatpartei in die Luft sprengt. Zuerst dampfte ein gewisser Rosenstingl mit der Parteikasse nach Brasilien ab. Waldhäusl blieb, half, die bankrotte FPNÖ zu sanieren. Danach färbte Jörg Haider in Knittelfeld die FPÖ orange - Waldhäusl blieb blau. Als Einziger in Niederösterreich. Er wurde sogar aus seinem Büro im Landhaus delogiert und fand seinen Schreibtisch am Gang wieder. Trotzdem baute er die Partei aus den Trümmern wieder auf.

Russen, Gucci und der Führer

Und nun geht die Misere von vorne los. Der Bundesparteichef wollte erst die Republik an Russen verscherbeln und bediente sich jahrelang am Spesenkonto der Partei. Den NÖ-Landtagsklub führt ein Burschenschafter, in dessen Bude lustige Liedchen über die Vergasung von Millionen Juden kursierten. Ein Landtagsabgeordneter gratulierte an Hitlers Wiegenfest augenzwinkernd zum Geburtstag und eine zweite postete zum selben Anlass Eiernockerl, die Leibspeise des Führers.

Schlag aufs Hosentürl

Mit dieser Hypothek ging die FPÖ in die Wahl und muss in vier Monaten Gemeinderatswahlen schlagen. Der wahre Schaden dabei ist aber weniger der „Schlag aufs Hosentürl“, den der Wähler der FPÖ verpasste. Es ist die Problematik, genug Mandatare zu finden, welche für die FPÖ kandidieren. Schon jetzt hatten die Blauen Probleme, alle gewonnenen Mandate in Gemeinderäten zu besetzen. Und das wird nun nicht einfacher. Wer will schon einer illustren Truppe wie der oben beschriebenen angehören?

Sesselkleber und Unbekannte

Ähnliche Probleme plagen auch die SPNÖ. Auch die Sozialdemokratie, die bis einschließlich 1999 bei Bundeswahlen die stärkste Kraft in unserem Bundesland war, plagt ein Personalproblem. Die jungen, engagierten Linken driften in Scharen zu den Grünen ab. Auch deshalb, weil alte Sesselkleber sie parteiintern nie ans Ruder ließen. Als Spitzenkandidat der Landesliste wurde mit Rudolf Silvan ein völlig unbekannter Gewerkschafter aufgestellt. Dessen Bedeutsamkeit symbolisiert ein Detail sehr gut: Jemand legte eine Wikipedia-Seite für Silvan an, die Administratoren der Online-Enzyklopädie löschten diese umgehend. Grund: Fehlende Relevanz. Tatsache.

Kurskorrektur? Fehlanzeige.

Als Ass im Ärmel zauberte man – bereits zum zweiten Mal – Sonja Hammerschmid hervor. Mit einer Scheinmeldung in St. Pölten machte man sie zur Niederösterreicherin. Ergebnis: Auf Bezirksebene sind nun auch die letzten Hochburgen gefallen. St. Pölten und Wiener Neustadt sind türkis. Kurskorrektur? Fehlanzeige. „Der Kurs stimmt“, analysierte Parteichefin Rendi-Wagner nach dem historisch schlechtesten Wahlergebnis. Und SPNÖ-Chef Franz Schnabl erkannte: „Die Parteichefin hat gekämpft wie eine Löwin."

Eichgraben rettet die Welt

Kommen wir zu den Gewinnern. Die Grünen haben vorerst einmal sich selbst gerettet. Jetzt hat man selbiges mit dem Planeten vor. Die NÖ-Spitzenkandidatin kennt außerhalb von Eichgraben im Wienerwald kein Mensch. Das ist aber egal. In Anbetracht der „Fridays for Future"-Bewegung hätten die Grünen auch einen Hydranten oder einen Gummistiefel aufstellen können und hätten zehn Prozent gewonnen.

Klima-Linke gegen rechts

Nun schlägt aber die Stunde der Wahrheit. Bei den Gemeinderatswahlen müssen weitere Parteistrukturen aufgebaut werden. Dabei können die Grünen auf eine junge Generation von Linksökos zählen, welche die Altachtundsechziger nach und nach in Politpension schicken. Diesen jungen Klima-Klassenkämpfern eine Koalition mit der ÖVP schmackhaft zu machen, wird schwierig. Etwa genauso leicht, wie den Ultras von Austria und Rapid zu erklären, dass es im Interesse des Wiener Fußballs ist, dass man eine Spielgemeinschaft gründet und auch die Fanklubs fusioniert werden.

Men in black kaperten Diskos

Zuletzt die ÖVP. Die hat die Saat ihres Wahlerfolges in Niederösterreich in den 90er-Jahren gelegt. Während etwa die SPÖ in Zeiten der Stärke ihre Bezirksstrukturen abbaute, baute die Volkspartei diese professionellst auf. Mit Kampagnen wie „Men in black" oder "Erwinizer" eroberte man damals Diskotheken und shanghaite so junge Mitglieder in Massen. Dabei spielte es keine Rolle, ob man ökosozial, konservativ, intellektuell oder Furchentreter war. Jeder, der etwas bewegen wollte, liebäugelt seit damals mit einer Kandidatur für die ÖVP.

Guerillas statt Millionen

Nun hat diese Struktur wieder einmal Schlagkraft bewiesen. Aufgrund der strikten Einhaltung der Wahlkampfkosten-Obergrenze griff man zu Guerilla-Marketing. Tausende Niederösterreicher begannen nach Anleitung durch die Landespartei, in Eigenregie Latten zu Landschaftselementen zusammenzuzimmern. Was aussah wie spontane Unterstützungsaktionen durch die Bevölkerung, war in Wahrheit eine perfekt konzertierte Aktion. Das Ergebnis: Niederösterreich steuerte zum ÖVP-Ergebnis 342.000 Stimmen bei. Ziemlich genauso viele wie Wien, Tirol und das Burgenland gemeinsam. Alle Bezirke Niederösterreichs sind nun türkis, nur in zwei der 573 Gemeinden gab es ÖVP-Verluste. Mit diesem Ergebnis werden die Niederösterreicher nun auch in der Bundespolitik mehr Einfluss haben als je zuvor.

(Sollte das Ergebnis nicht angezeigt werden, bitten wir Sie den Cache in Ihrem Browser zu löschen.)

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

4:34

Fische sind Glückskinder des Monats
Horoskop – das sagen die Sterne im Mai

Wir sind angekommen, im Wonnemonat Mai. Ob es für die zwölf Sternzeichen wirklich romantisch wird, das wissen Astrologe Wilfried Weilandt und Astroshow-Moderatorin Sandra Schütz. Und diesmal mit dabei: Violinistin Barbara Helfgott. ÖSTERREICH. Auf den Mai freuen dürfen sich alle Fische, die zählen nämlich – mit 100 Prozent in sämtlichen Bereichen – zu den Glückskinder des Monats. Ein wenig mehr Geduld müssen hingegen die Krebse haben. Die sind zwar die Pechvogerl des Monats Mai, haben es im...

Hier findest du die billigsten Tankstellen in Niederösterreich.
4

Benzin- und Dieselpreise
Die billigsten Tankstellen in Niederösterreich

Hier erfährst du täglich, wo die billigsten Tankstellen in Niederösterreich sind, wie man günstig tankt und auch, wie man am Besten Sprit sparen kann. NÖ. In ganz Österreich ist es am günstigsten Vormittags zu tanken, da die Tankstellen nur einmal täglich, um 12 Uhr, die Spritpreise erhöhen dürfen. Preissenkungen sind jedoch jederzeit und in unbegrenztem Ausmaß möglich. Wir aktualisieren die Liste der günstigsten Tankstellen in Niederösterreich täglich mit den aktuell gültigen Preisen. Die...

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Niederösterreich auf MeinBezirk.at/Niederösterreich

Neuigkeiten aus Niederösterreich als Push-Nachricht direkt aufs Handy

Bezirksblätter auf Facebook: MeinBezirk.at/Niederösterreich

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Niederösterreich und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.