ÖGB-Präsident Wolfgng Katzian
Muskeln am grünen Tisch

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ÖGB-Chef Wolfgang Katzian über Regierung, Tabubrüche und das Finden von Kompromissen.

Sie haben die Regierung kritisiert und als „verhaltensoriginell" bezeichnet...
Die Regierung ist natürlich demokratisch legitimiert, aber sie hat, im Gegensatz zu den vorherigen nicht die Absicht, Vorhaben mit Experten im Vorfeld zu diskutieren. Wir bekommen Informationen erst dann, wenn sie die Öffentlichkeit auch bekommt. Dann gibt es nur die Möglichkeit, allfällige Bedenken öffentlich zu artikulieren. Das war bei Arbeitszeitgesetz und Sozialversicherung so – und bei der Steuerreform wird es wohl auch so sein.

Sind Sie vielleicht sogar dankbar für Schwarz/Blau, weil der ÖGB kann jetzt endlich wieder Muskeln spielen lassen?
Muskeln zeige ich ja nicht, weil die Regierung eine bestimmte Farbenkonstellation hat. Muskeln muss ich dann zeigen, wenn mein Vis-à-vis mit mir nicht reden will. Wir waren auch mit anderen Regierungen nicht immer auf einer Linie, aber es gab im Vorfeld Gespräche und am Ende des Tages schaute ein Kompromiss heraus. Nicht ohne Grund sprechen sich 70 Prozent der Menschen für die Sozialpartnerschaft aus.

Sie sind eher Sozialpartner als Kämpfer?
Ich war in meinem gewerkschaftlichen Leben immer ein Freund des gemeinsamen Redens. Ich bin ein Pragmatiker, weil ich weiß, dass wir in einer Demokratie unterschiedliche Lebenskonzepte und Weltbilder haben. Demokratie ist ein permanenter Verhandlungsprozess.


"Was mich auch stört, sind nicht eingehaltene Versprechen."

Zum Arbeitszeitgesetz: Zwölf-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche waren oft Realität: Was ist denn der Tabubruch?
Die Beseitigung der Mitbestimmung. Früher hat der Vorstand mit dem Betriebsrat verhandelt, wenn ein Zwölf-Stunden-Tag notwendig war. Jetzt ist es Gesetz. Was mich auch stört, sind nicht eingehaltene Versprechen: Selbstbestimmte Freizeitblöcke oder die Vier-Tage-Woche finden sich nicht im Gesetz. Im Zuge der KV-Verhandlungen ist im Herbst viel gelungen. Wir haben z. B. die elfte und zwölfte Stunde für die Metaller mit 100% Zuschlag kollektivvertraglich geregelt. Im Handel haben wir einen Rechtsanspruch für die Vier-Tage-Woche errungen.

Die Handelsbranche ist unter Druck. Gefährdet ein höheres Lohnplus nicht Arbeitsplätze?
Für den stationären Handel haben wir die Inflationsrate ausgeglichen und mit 2,8 % einen realen Lohnzuwachs durchgesetzt. Aber es geht ja nicht nur um mehr Geld, sondern auch ums Rahmenrecht: Wir konnten Vier-Tage-Woche, Altersteilzeit und Karenzanrechnung durchsetzen.

Man hat den Eindruck, die Gewerkschaft kommt nur den Kleinhändlern an, nicht aber den Online-Giganten.
Dafür haben wir die Konsumenten als Partner, um einen gewissen Druck zu erzeugen. Nachdem Amazon jetzt auch in Österreich einen Standort hat, muss auch Amazon aufgrund der Pflichtmitgliedschaft in der WKO einen KV anwenden.

Sie sind also für eine Pflichtmitgliedschaft in der WKO?
Auch dank der Kammerstruktur haben wir 98,7 Prozent Abdeckung bei Kollektivverträgen. Das ist ein europäischer Spitzenwert.

Gibt es ein gemeinsames Angebot an die Wirtschaft, um gegen leer stehende Geschäfte vorzugehen und gleichzeitig Regeln für die Online-Händler in der Hand zu haben?
Ich bin dafür, dass sich die Gewerkschaft und der österreichische Handel zusammentun und auf europäischer Ebene gemeinsam für gleiche Regeln für den stationären und den Online- Handel stark machen.


"Für viele Menschen ist der Job in dem Bereich [Anm. Pflege] eine Berufung."

Haben Sie Ihre Weihnachtsgeschenke online bestellt?
Ich habe einige Geschenke online bestellt, aber die meisten besorge ich klassisch im Geschäft.

Glauben Sie, dass alle Regelungen, die zum Schutz der Arbeitnehmer eingeführt wurden, heute noch adäquat sind? Viele Mitarbeiter sprechen sich für flexiblere Arbeitszeiten aus...
Es gibt ja für jede Regelung einen Grund – und den zu überprüfen, dagegen haben wir nichts. Auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist im Sinne vieler Arbeitnehmer, wenn sie es selbst in der Hand haben und nicht permanent „stand by“ sein müssen.

Auf wie viele Stunden kommen Sie in der Woche?
Manchmal sind es schon 60 Stunden. Ich bin aber kein Maßstab. Wie alle leitenden Angestellten bin ich darum vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen.

Geht uns die Arbeit wegen der Automatisierung aus?
Viele sagen, wir verlieren die Hälfte der Jobs und die wenigen Jobs müssen wir auf alle verteilen, damit alle ein gutes Leben führen können. Andere sagen, es entstehen neue Jobs. Es gibt etwa einen immer höheren Bedarf im Bereich der Pflege. Hier wollen wir die optimalen Voraussetzungen für die Arbeitnehmer schaffen.

Der Pflege steht aber eine Nullrunde bevor...
Qualität kostet Geld, ausgebildetes Personal muss auch entsprechend entlohnt werden. Die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft leisten eine immens anstrengende Arbeit, für sie geht es vor allem auch um eine Entlastung. Deshalb fordern wir auch eine 35-Stunden-Woche.

Wie wollen Sie das durchsetzen? Kann man eine Pflegeeinrichtung bestreiken?
Genau deswegen sind wir auch nie bis zum Äußersten gegangen. Für viele Menschen ist der Job in dem Bereich eine Berufung. Aber die Gewerkschaften sind viel kreativer als nur zu streiken. Die Kollegen haben genug andere Mittel, da können Sie sicher sein.

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