Landesrat Dörfel (ÖVP)
"Teile von 13. und 14. Pension für Pflege heranzuziehen ist fair"

Landesrat Christian Dörfel (ÖVP). | Foto: MeinBezirk/Siegl
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Sozial-Landesrat Christian Dörfel (ÖVP) spricht im Interview über die Altenpflege in Oberösterreich. Die Pflegeausbildung ist derzeit sehr gefragt, trotzdem braucht es Personal aus dem Ausland, um den Personalbedarf in den Heimen zu decken. Da die Zahl der Pflegebedürftigen in Zukunft stark steigen wird, schlägt Dörfel vor, Teile der 13. und 14. Pension zur Finanzierung der Pflege heranzuziehen. 

Interview: Thomas Kramesberger

Wie steht’s aktuell um die Pflege in Oberösterreich?
Dörfel:
Das Ziel des Landes ist es, gute Pflege sicherzustellen – leistbar für den Einzelnen und finanzierbar für die öffentliche Hand. Derzeit können wir den Auftrag sehr gut erfüllen. Wir haben 70.000 Personen, die Pflegegeld beziehen und 48.000 nehmen öffentliche Hilfe in Anspruch. Ungefähr 16.000 davon sind in Alten- und Pflegeheimen untergebracht, 23.000 Oberösterreicher werden zu Hause und von mobilen Diensten betreut. 5.500 Personen haben 24-Stunden-Betreuung. Und der Rest besucht Tagesstätten, die auch Angebote zur Entlastung der pflegenden Angehörigen sind.

Stehen derzeit Betten in den Heimen leer und was macht das Land dagegen?
Ja, wir haben freie Betten in den Heimen, die teilweise auf einen Personalmangel zurückzuführen sind. Daher legen wir einen großen Fokus auf die Ausbildung neuer Mitarbeiter und konnten mit der „Fachkräftestrategie Pflege“ bereits Erfolge erzielen. Im Vorjahr haben 743 Personen eine Pflegeausbildung absolviert, das sind um 30 % mehr als vor zwei Jahren. Insgesamt machen derzeit 1.600 Personen eine Ausbildung, so viele wie noch nie. Aber wir müssen trotzdem weiterhin auf sämtlichen Klavieren spielen, wir werben verstärkt für den Pflegeberuf. Das Image der Pflege hat sich in den letzten Jahren stark verbessert, gerade für jungen Menschen ist der Beruf attraktiver geworden. Die Jungen sehen, dass die Arbeit in der Pflege zwar anstrengend, aber auch sinnstiftend und krisensicher ist. Es kommen mehr Umsteiger aus anderen Berufen und wir kontaktieren gemeinsam mit dem AMS arbeitslose Personen, um sie anzuwerben. Zudem intensivieren wir die Bemühungen, in Drittstaaten Pflegekräfte anzuwerben. Und schließlich gibt es die Pflege- und Betreuungsmanagement GmbH, die die Sozialhilfeverbände bei der Personalgewinnung unterstützt.

In OÖ gibt es 134 Alten- und Pflegeheime. Wird die Zahl in den nächsten Jahren steigen?
Für diese Fragen haben wir den Prozess der „Betreuungsarchitektur 2040“ gestartet – das ist die dritte Säule neben der Fachkräftestrategie und der Betreuungs GmbH. Die Betreuungsarchitektur beschäftigt sich mit den zusätzlichen Angeboten, die wir neben mobilen Diensten und Alten- und Pflegeheimen noch brauchen. Wir sind in Verbindung mit Gemeinden, Organisationen, sammeln Pilotprojekte und Ideen – mittlerweile sind es mehr als 300 Modelle, die teilweise schon in OÖ umgesetzt werden.
All das werten wir jetzt aus und stellen den Sozialhilfeverbänden dann ein Baukastensystem zur Verfügung, auf das sie jederzeit zurückgreifen können, um den steigenden Bedarf zu decken.

Foto: MeinBezirk/Siegl

Aber grundsätzlich liegt der Fokus auf mobiler Pflege und neuen Angeboten, und nicht auf dem Bau neuer Heime?
Ja, weil wir den Wunsch vieler Menschen erfüllen wollen, den Lebensabend in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Zudem appellieren wir an die Oberösterreicher, sich rechtzeitig zu überlegen, ob aufgrund der baulichen Gegebenheiten in ihren vier Wänden überhaupt ein Altern möglich ist. Aber ebenso müssen wir uns bemühen, dass sich die Gesellschaft auf örtlicher oder Stadtteilebene zur „sorgenden Gemeinschaft“ weiterzuentwickelt. Da gibt es sehr gute Beispiele, wie Ehrenamt unter Führung von Fachkräften koordiniert werden kann.
Das Ziel muss es sein, nicht nur das Altersheim als Möglichkeit zu sehen. Denn wir können in den nächsten zehn Jahren nicht sieben neue Heime bauen. Den Bedarf nur über Heime zu decken, geht sich finanziell und personell nicht aus. Daher brauchen wir andere Angebote, die genauso ein Leben im Alter sicherstellen.

Sie haben zuvor den Höchststand bei der Pflegeausbildung erwähnt – ist das ein Trend oder der wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet?
Es sich sicher beides richtig. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird der öffentliche Dienst wieder interessanter. Aber die Sozialberufe haben schon seit Längerem großen Zulauf und wir haben durch verschiedene Maßnahmen die Arbeitsbedingungen in der Pflege stark verbessert. Wobei man das sinnstiftende Element des Berufes nicht unterschätzen darf, sonst gäbe es nicht so viele Umsteiger, die in diesem Beruf landen. Aber wir müssen trotzdem weiter daran arbeiten, die Pflege noch attraktiver zu machen, durch mehr Digitalisierung, dem Abbau der Bürokratie – damit mehr Zeit für den Kontakt mit den Menschen bleibt.

Aber trotz Höchststand bei den Ausbildungen braucht Österreich weiter Zuwanderung, um die Pflegestellen zu besetzen?
Natürlich, wenn wir unseren Lebensstandard so aufrechterhalten wollen, benötigen wir Fachkräfte aus dem Ausland. Wir rekrutieren in erster Linie in Oberösterreich oder angrenzenden Ländern, in anderen EU-Ländern, aber dann kommen schon die Drittstaaten. Bei den Philippinen sind wir am weitesten.

Wie viele Philippiner arbeiten mittlerweile in der Pflege in OÖ?
Es sind derzeit etwa 220 Personen und heuer kommen 44 weitere dazu. Interessant ist, dass die Pflegekräfte aus dem Ausland zwar Deutsch können, aber keinen Dialekt – deshalb gibt es jetzt regionale Dialektkurse. Denn die Bewohner der Altenheime reden ja nicht Hochdeutsch und im Innviertel verwendet man andere Begriffe wie im Salzkammergut. 

Sie haben zuletzt angeregt, die 13. und 14. Pension zur Finanzierung der Pflege heranzuziehen. Wie soll das genau funktionieren?
Das ist im Kontext der langfristigen Finanzierung der Pflege zu sehen. Eigentlich ist es ein Gebot der Fairness und der Gleichbehandlung, weil Bewohner von Heimen derzeit 80% der normalen Monatspension abliefern, und die 13. und 14. wird überhaupt nicht angegriffen. Andere Personen, die etwa 24 Stunden-Hilfe haben oder die Zuhause sind, müssen natürlich die ganze Pension für Wohnen, Essen sowie Lebenserhaltung- und Pflegekosten aufwenden. Daher eben die Anregung, wertneutral, offen und ehrlich zu diskutieren, in welchem Ausmaß man das zur Finanzierung heranziehen könnte. Es geht auch nicht um die ganze 13. und 14. Pension, sondern um 20, 30 oder 40 Prozent davon.

Foto: MeinBezirk/Siegl

Denken Sie, es ist in der Gesellschaft schon angekommen, welchen Kraftakt es braucht, um die Pflege in Zukunft abzusichern?
Nein, das ist bisher noch nicht ausreichend angekommen. Aber man darf aufgrund der Herausforderung nicht den Kopf in den Sand stecken. Wir müssen auch die Rolle der älteren Menschen neu definieren. Bisher geht man oft davon aus, wer alt ist, ist pflegebedürftig. In Wahrheit müssen wir anders denken und fragen, welche Fähigkeiten dieser Mensch hat und wie uns das als Gesellschaft noch weiterbringt. Wir dürfen nicht vergessen, das sind Leute, die haben eine unheimliche Lebenserfahrung, sind bereit, noch etwas zu tun, weil jeder eine Aufgabe braucht. Ich erinnere mich an eine 91-jährige Dame, die in einem Sozialmarkt mithilft und kürzlich bei einer Veranstaltung sagte: „Traut den Alten etwas zu!“. Also ja, wir können und sollen das enorme Potenzial der älteren Generation nutzen.

Landesrat Christian Dörfel (ÖVP). | Foto: MeinBezirk/Siegl
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