AMAG-CEO Helmut Kaufmann im Interview
Die AMAG kann bis 2040 dekarbonisieren, aber ...

AMAG-Vorstandsvorsitzender Helmut Kaufmann im Gespräch mit Thomas Kramesberger (BezirksRundSchau). | Foto: BRS/Siegl
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... die Versorgung mit ausreichend "grünem Gas" und grünem Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen muss sichergestellt sein, sagt AMAG-CEO Helmut Kaufmann im Interview mit der BezirksRundSchau. Der neue Vorstandsvorsitzende des größten österreichischen Aluminiumkonzerns mit Sitz in Ranshofen (Braunau) spricht außerdem über die Geschäftsentwicklung des Unternehmens, die Konjunktur, Konkurrenz aus Asien und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts.

Interview: Thomas Kramesberger

BezirksRundSchau: 2023 brachte für die AMAG einen Rückgang bei Gewinn und Umsatz, andererseits war es das zweitbeste Jahr der Geschichte. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Kaufmann: Wir haben im Vorjahr in einem sehr schwierigen Umfeld das zweitbeste Ergebnis der Firmengeschichte erwirtschaftet. Aber man darf nicht nur auf die Zahlen schauen, sondern muss sich auch vor Augen führen, wie diese Zahlen zustande gekommen sind. Im Zuge der Covid-Krise wurde die Luftfahrt schwer getroffen. Dann kam der Ukraine-Krieg und die Sorge um Energiesicherheit und um funktionierende Lieferketten – aus all dem ist im Jahr 2022 eine unglaublich dynamische Marktsituation entstanden. 2023 hat sich dann wiederum vieles verändert: Covid war überwunden, die Supply Chains haben sich erholt, die Sorge um die Energiepreise hat nachgelassen und die Lager vieler Unternehmen waren voll. Im ersten Halbjahr 2023 war dann unsere Abliefermenge schon niedriger, aber die Preise noch sehr gut. Im zweiten Halbjahr entwickelte sich zunächst die Nachfrage verhalten und dann haben auch die Preise nachgegeben. Das hat zu einem etwas ungewöhnlichen Ungleichgewicht zwischen erstem und zweitem Halbjahr geführt, aber insgesamt immer noch zu einem zufriedenstellenden Gesamtergebnis 2023.

Inwiefern spielt der Aluminiumpreis für die AMAG eine Rolle?
Der Aluminiumpreis betrifft vor allem den Standort Kanada. Wir sind dort an der Primärmetallproduktion Alouette mit 20 Prozent beteiligt. Das ist die größte Elektrolyse in Nord- und Südamerika und da spielt der Aluminiumpreis die entscheidende Rolle. Am Standort Ranshofen spielt der Aluminiumpreis „nur“ für den Umsatz eine Rolle, ist aber im Wesentlichen ein Durchläufer, weil die Wertschöpfung aus der „Umarbeitung“ des Aluminiums entsteht.

Haben sich die einzelnen Geschäftsfelder der AMAG entlang des Marktes entwickelt – also etwa der Luftfahrtbereich dynamischer und der Industriebereich zurückhaltender?
Die Luftfahrt ist am Weg der Erholung und die Automobilindustrie war im Vorjahr stabiler als erwartet – und läuft noch immer sehr positiv. Aber andere Bereiche, die in der Covid-Krise geboomt haben, beispielsweise der Sport- und Freizeitbereich, haben nachgelassen. Nicht so gut gelaufen ist auch der Baubereich – aus den bekannten Gründen, von Kreditvergaben bis hin zur Teuerung. Aber es ist eben Teil unserer strategischen Positionierung und ein wichtiger Teil unseres Erfolgs, breit aufgestellt zu sein – dadurch können wir gut kompensieren, wenn sich eine Branche nicht so gut entwickelt.

Was erwarten Sie von der konjunkturellen Entwicklung heuer – und konkret für die AMAG?
Also wir sehen, dass sich die Luftfahrt weiterhin gut entwickelt, ebenso der Automobilbereich. Die Nachfrage nach industriellen Anwendungen erholt sich in den USA und in Asien – in Europa läuft es aber doch noch recht zögerlich. Speziell die Entwicklung in Deutschland ist noch immer etwas träge. Also grundsätzlich sehen wir die Entwicklung nicht sehr viel anders als im Vorjahr – aber bei niedrigeren Preisen, weil diese Sorge um die Materialversorgung nicht mehr so da ist.

Sie haben jetzt Deutschland angesprochen. Merkt man generell in den USA und Asien also schon wieder mehr Dynamik als in Europa?
Wir sind von Ranshofen aus international tätig – mit einer Exportquote von über 80 Prozent. Allerdings exportieren wir zu 55 Prozent nach Europa und den Rest dann in andere Länder, und der stärkste externe Markt ist Nordamerika. Dort ist die Nachfrage nach Qualitätsprodukten derzeit stärker.

Sehen Sie schon ein bisschen Licht am Ende des Konjunktur-Tunnels? Oder werden 2024 und Anfang 25 noch eher mau bleiben?
Ich kann jetzt auch nicht zu weit nach vorne blicken, aber 2024 dürfte sich die derzeitige Entwicklung noch fortsetzen. Ich spüre jetzt keinen übertriebenen Optimismus. Denn es gibt noch ausreichend Unsicherheiten auf der Welt und immer wieder Störungen, die die Wirtschaft beeinflussen.

Helmut Kaufmann ist seit 1. Jänner 2024 Vorstandsvorsitzender des größten österreichischen Aluminiumkonzerns mit Sitz in Ranshofen (Braunau). | Foto: BRS/Siegl
  • Helmut Kaufmann ist seit 1. Jänner 2024 Vorstandsvorsitzender des größten österreichischen Aluminiumkonzerns mit Sitz in Ranshofen (Braunau).
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Die AMAG hat in Ranshofen schon eine sehr hohe Recyclingquote beim Aluminium. Ist man da technisch schon am Limit oder kann man die noch steigern?
Die Recyclingquote ist unmittelbar abhängig von den Legierungen, die man daraus fertigt. Wir haben den Vorteil gegenüber unseren internationalen Wettbewerbern, dass wir sowohl eine Gusslegierungsgießerei, als auch eine für Walzprodukte haben. Wir produzieren ungefähr 200 unterschiedliche Legierungen in Ranshofen – im Mittel über alle Produkte gerechnet kommen wir auf 75 Prozent Schrotteinsatz. Aber es gibt Produkte mit fast 100 Prozent Schrottanteil und jene, in denen überhaupt kein Schrott drinnen ist. Aber: Global betrachtet setzen sich Aluminiumprodukte seit vielen Jahren im Durchschnitt aus einem Drittel Schrott und zwei Dritteln Primärmetall zusammen – und die AMAG liegt eben bei 75 Prozent, also mehr als doppelt so hoch.

Beim Stahl heißt es gemeinhin, der Stahl aus Europa sei qualitativ hochwertiger als die „Billigkonkurrenz“ aus China. Kann man das beim Aluminium auch so umlegen?
Die AMAG verfolgt eine Spezialitätenstrategie und wir sind im Legierungsentwicklungsbereich sehr aktiv. Wir erreichen etwa mit einer höheren Schrotteinsatzrate hervorragende Legierungen und erzeugen somit „CO2-optimierte“ Produkte – in diesem Bereich sind wir sicher Vorreiter. In China wurden im letzten Jahrzehnt riesige Summen in neue Werke investiert, die am aktuellsten Stand der Technik sind. Also anlagentechnisch ist China im Vergleich zur westlichen Welt sicher nicht im Hintertreffen, aber das Werkstoff-Knowhow und das Betreiber-Knowhow bekommt man nicht von einem Tag auf den anderen. Und auch beim Thema Recycling ist China sicher noch hinter der AMAG, denn wir betreiben in Ranshofen das modernste Aluminiumwerk der westlichen Welt und bauen auf mehr als 40 Jahre Erfahrung im Recycling.

Wäre die Zuschreibung „billige Konkurrenz“ aus Asien also mittlerweile falsch?
Das wäre keinesfalls richtig und war im Rückblick auch eine ziemlich arrogante Haltung des Westens. Mit den neuen Anlagen wurde natürlich auch Knowhow geliefert. Wenn man sich nun derzeit die Wettbewerber ansieht, haben die Chinesen durchschnittlich modernere Werke als die westlichen Anbieter.

Aber inwiefern spielt da dann das Preisthema rein, weil in China ja tendenziell billiger produziert wird?
Genau deshalb verfolgen wir eine Spezialprodukte-Strategie – weil wir uns dem reinen Preiswettbewerb entziehen und stattdessen mit Innovation, Nachhaltigkeit, Qualität, Service und Verlässlichkeit punkten wollen.

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Inwieweit ist Europa dann noch wettbewerbsfähig im Vergleich zu Asien, Stichwort Energiepreise und Co.?
Ja, das ist natürlich ein großes Thema – und auch unsere Personalkosten. Denn bei den Lohnabschlüssen in der jüngeren Vergangenheit in Österreich wurde der internationale Wettbewerb ein bisschen ausgeblendet.

Sind die hohen Lohnabschlüsse also mittelfristig eine Gefahr für den Standort?
Ja, das glaube ich schon. Also wenn es so weitergeht und wenn schon fürs Folgejahr wieder ein Lohnabschluss über der Inflation ausgehandelt ist, dann sind das alles Dinge, die sich über die Jahre summieren und eine negative Auswirkung haben werden. Die raschen Kostensteigerungen sind durch höhere Produktivität einfach nicht mehr wettzumachen.

Die Industrie in Europa soll dekarbonisieren und braucht für die Produktion preiswerte Energie. Gleichzeitig gibt es immer wieder Widerstand gegen den Ausbau der Erneuerbaren, wie etwa zuletzt wieder beim Windkraftprojekt im Kobernaußerwald. Haben Sie Verständnis dafür?
Wenn man Haushalte und Industrie das ganz Jahr über mit erneuerbarer Energie versorgen will, muss man einen guten Energiemix zusammenbringen. Die Solar-Energie funktioniert im Sommer am besten – nur was tun wir dann im Winter?
Aber generell ist diese Diskussion zu wenig auf Fakten basiert und deswegen kann auch so mancher Politiker den Eindruck vermitteln, dass alles so leicht ginge. Nur ein Beispiel: Die AMAG hat vor ein paar Jahren einen Preis bekommen, als wir die größte Dach-Photovoltaikanlage installiert haben – auf 65.000 Quadratmetern. Und trotzdem deckt diese Anlage nur drei Prozent unseres jährlichen Stromverbrauchs ab. Es ist also undenkbar, dass die AMAG, selbst im Sommer, rein über PV läuft. Windenergie ist eine gute Ergänzung in der kälteren Jahreszeit. Generell kommen wir jedenfalls um einen sinnvollen Mix aus Wasser, Wind, Gas und PV nicht herum.
Wir haben jetzt unter der Maßgabe, dass die Industrie bis 2040 klimaneutral sein soll, eine Dekarbonisierungs-Roadmap erarbeitet. Konkret haben wir uns alle Anlagen am Standort angesehen und wissen grundsätzlich, auf welche Energieträger umgerüstet werden kann. Allerdings gibt es eine entscheidende Vorgabe: Die AMAG will, mit Ausnahme von PV-Anlagen, kein Energieproduzent werden. Also erwarten wir, dass wir in Zukunft „grünes Gas“ und grünen Strom bis zu den Werkstoren geliefert bekommen – und das zu wettbewerbsfähigen Preisen. Sonst schießen wir uns komplett aus dem internationalen Markt, wenn die Industrie zwar „grün“, aber nicht wettbewerbsfähig ist.

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Derzeit liegt die AMAG beim Energieverbrauch noch bei etwa zwei Drittel Erdgas – muss man sich von der Idee verabschieden, dass das in Zukunft überhaupt ohne Gas geht?
In unserem Fall muss man sich von der Idee nicht verabschieden. Wir können mehr oder weniger das gesamte Walzwerk sukzessive auf elektrischen Strom umstellen. Aber im Gießereibereich wird es uns – mit dem heutigen Stand der Technik – noch nicht möglich sein, alles mit Strom zu lösen. Da ist Wasserstoff sehr wahrscheinlich die Alternative. Sie müssen sich den Ablauf so vorstellen: Wir haben für Produkte quasi ein „Herstellrezept“. Aber wenn wir einen Erdgasofen auf Strombetrieb umstellen, wird sich der anders verhalten. Damit wir die gleiche Produktqualität zusammenbringen, müssen wir ein neues Rezept entwickeln. Insgesamt haben wir mehr als 100 Öfen, die wir in Ranshofen umstellen müssen – und das verlangt viel Forschung und eine intensive Zusammenarbeit mit Anlagenbauern.

Ist der Zeithorizont 2040 für die Umstellung realistisch?
Für die AMAG, ja. Ob die Energieversorgung stehen wird, wird sich zeigen. Was man aber mit bedenken muss, sind die Kapazitäten der Anlagenbauer. Denn es gibt nur eine Hand voll kompetenter Anlagenbauer in unserer Branche. Darum sagen wir immer, man muss früh genug damit anfangen.
Ein Punkt ist in der Debatte ebenfalls noch wichtig: Die Kapazitäten unserer 100 Öfen sind natürlich verplant. Und wenn man einen Ofen von Erdgas auf Strom umrüstet, dann ist das ja nicht eine Frage von Stunden, sondern das kann Monate dauern. Also steht in dieser Zeit die Ofenkapazität nicht zur Verfügung – deshalb kann man jetzt auch nicht zehn Öfen gleichzeitig umrüsten. Sondern es muss Schritt für Schritt gehen.
Und wenn wir von Erdgas auf Wasserstoff umrüsten, brauchen wir über eine sehr lange Zeit eine Doppelversorgung. Gleiches gilt bei der Umstellung von Erdgas auf Strom, dann brauchen wir massiv mehr Strom sowie die Umspannwerke und die Leitungen dafür. Also, zusammenfassend: Ja, wir glauben, dass wir technisch bis 2040 umstellen können, wenn die externe Versorgung sichergestellt ist und die Preise für erneuerbare Energie passen.

Die Situation am Arbeitsmarkt hat sich zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung entspannt. Die AMAG beschäftigt derzeit circa 2.200 Mitarbeiter. Geht der Kampf um die Mitarbeiter wieder los, wenn es wirtschaftlich wieder aufwärts geht?
Wir sind glücklicherweise in einer Region, die sich in den letzten Jahren industriell sehr, sehr gut entwickelt hat. Und wir haben nicht nur auf der österreichischen, sondern auch auf der deutschen Seite sehr potente Firmen, die in den letzten Jahren gewachsen sind – wie auch wir. Im Jahr 2000 hatte die AMAG etwa 1.200 Mitarbeiter, jetzt liegen wir bei etwas über 2.000, also ein signifikantes Wachstum.
Zurzeit haben Sie Recht und es gibt keinen Mitarbeitermangel in der Region. Die AMAG setzt jedenfalls stark auf die Ausbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter. Wir beschäftigen derzeit auch mehr Lehrlinge als in der Vergangenheit, denn gute Facharbeiter sind das Rückgrat des Erfolgs.

Zum Schluss noch: Was macht für Sie persönlich die AMAG aus?
Die AMAG ist eine super Mannschaft, ein super Team. Die Kompetenz in der AMAG ist extrem hoch, das gibt es in unserer Branche kein zweites Mal. Wir haben eine junge, motivierte, super ausgebildete Truppe, die enorm viel Engagement zeigt. Ich halte es für wichtig, dass man den Mitarbeitern ehrlich sagt, dass wir im internationalen Wettbewerb gegen Hersteller antreten, die vielleicht günstigere Rahmenbedingungen als wir haben – aber wir müssen trotzdem gewinnen und dafür all unsere Kräfte mobilisieren. Und ich denke, dass die AMAG genau dabei besonders stark ist und intern sehr gut zusammengearbeitet wird. Das ist sicher unser Erfolgsgeheimnis.

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