Bundesforste-Vorstand Schöppl im Interview
"Klimawandel ist in den Bilanzen angekommen"

Georg Schöppl ist seit 1997 im Vorstand der Bundesforste und dort für Finanzen und Immobilien zuständig.  | Foto: ÖBf/Mark Glassner
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  • Georg Schöppl ist seit 1997 im Vorstand der Bundesforste und dort für Finanzen und Immobilien zuständig.
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OÖ. Georg Schöppl ist seit 2007 Vorstand der Österreichischen Bundesforste (ÖBf). Der Wenger (Bezirk Braunau) ist für Immobilien und Finanzen des größten Grundeigentümers Österreichs zuständig. Insgesamt bewirtschaften die ÖBf 850.000 Hektar Naturfläche, knapp ein Zehntel des gesamten österreichischen Staatsgebiets.
Im Interview mit der BezirksRundschau spricht Schöppl über den Klimawandel, die steigende Bedeutung des Immobilien- und Energiegeschäfts und den freien Seezugang an heimischen Badeseen.

BezirksRundschau: Wie stark sind die Bundesforste von Klimawandel und Borkenkäfer betroffen?
Schöppl: Dadurch, dass wir jeden zehnten Quadratmeter Österreichs betreuen, sind wir so stark wie kein anderes Unternehmen unserer Größenordnung vom Klimawandel betroffen. Die letzten fünf Sommer waren die wärmsten der Messgeschichte, der Winter war der zweitwärmste der Messgeschichte: Es tut sich also was!
Die gute Nachricht für die Bundesforste ist, dass wir in hohen Lagen sind und dort die Käferholzmengen in den letzten Jahren sogar rückläufig waren: Wir hatten im Jahr 2016 eine Käferholzmenge von knapp 390.000 Festmetern – 2019 sind wir bei 210.000 Festmetern.
Was wir aber feststellen, ist dass der Klimawandel dazu führt, dass sich die Fichte aus tieferen Lagen verabschiedet – unter 600 bis 800 Metern Seehöhe wird es für die Fichte schwierig. Uns trifft es in den tieferen Lagen – Mühlviertel, Waldviertel und auch im oberösterreichischen Zentralraum. In den gebirgigen Gegenden in Salzburg, der Steiermark, dem Salzkammergut und Tirol – dort war es in den letzten Jahren, was den Käfer betrifft, nicht so dramatisch. Ganz schlimm ist es aber bei unseren Nachbarn in Tschechien und Deutschland. Tschechien hat im letzten Jahr doppelt so viel Holz geerntet als in einem normalen Jahr – fast nur Schadholz. Die staatlichen Einrichtungen dort produzieren normalerweise 16 bis 20 Millionen Festmeter Holz jährlich, im Vorjahr waren es aber schon 30 Millionen Festmeter und heuer geht man von 60 Millionen Festmetern aus.

Kann man das dann noch irgendwie verkaufen?
Nein. Wir waren zuletzt wirtschaftlich massiv davon betroffen. Unsere Erfahrung war, dass man keinen Festmeter Holz, der nicht schon vorab mit einem Kunden vereinbart war, zusätzlich verkaufen kann. Was uns zuletzt getroffen hat, war aber gar nicht so sehr der Käfer, sondern der Schneebruch im Jänner. Zudem waren wir immer wieder von Sturmereignissen betroffen. Insgesamt hatten wir im Vorjahr einen Schadholzanteil von 80 Prozent.

Was heißt das für die Bundesforste?
Es entstehen hohe Kosten und die Verkaufserlöse sind in den letzten Jahren gesunken. Die Marktpreise für das wichtigste Sortiment, also die Fichte, sind seit 2014 im Jahresschnitt um 30 Prozent zurückgegangen. Der Klimawandel ist jedenfalls in den Bilanzen der Unternehmen angekommen – auch bei uns. Wir hatten alleine im Vorjahr klimawandelrelevante Kosten von mehr als 40 Millionen Euro. Das sind 20 Prozent unserer Betriebsleistung. Unser Glück ist, dass wir nach der Neugründung 1997 begonnen haben, neue Standbeine zu entwickeln. Unser ertragreichster Geschäftszweig sind mittlerweile die Immobilien. 1997 hatten wir eine Betriebsleistung bei den Immobilien von knapp unter 14 Millionen Euro, im Vorjahr waren es schon 48,7 Millionen Euro.

Was darf man sich konkret bei den Bundesforsten unter Immobilien vorstellen? Da hatte man früher Seen und Co. im Kopf, aber das sind mittlerweile auch Wohnbauten, oder?
Ja, genau. Wir haben vor Jahren damit begonnen, Forsthäuser, die wir nicht mehr gebraucht haben, zu verwerten. Mittlerweile haben wir uns zu einem professionellen Immobilienunternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern weiterentwickelt. Wir haben im Bestand der Bundesforste mehr als 4.000 Immobilien. Stark gewachsen sind in den letzten Jahren  Baurechte und Baupachten – da gibt es mittlerweile 800 solcher Verträge. Das geht vom sozialen Wohnbau bis hin zum Supermarkt.

Also, die Bundesforste verkaufen eigentlich nichts, sondern verpachten den Grund nur?
Ja, genau. Dieses Geschäft macht mittlerweile auch schon 4,5 Millionen Euro aus. Das andere sind die Seen: 70 Prozent der heimischen Seen werden von uns betreut. Da geht es hauptsächlich um Stege, Bojen und Bootshäuser.
Was für uns auch noch wichtig ist, ist der Wintertourismus: Jeder zehnte Pistenkilometer in Österreich gehört den Bundesforsten. Wir haben also mit vielen der großen Skigebiete in Österreich Verträge.

Da ist auch der Grund verpachtet?
Ja, meistens langfristig, 30 oder 40 Jahre. Und seit einigen Jahren bauen wir verstärkt in guten Lagen auch selber Wohnimmobilien. Wir haben etwa ein Projekt in Weyregg, das gerade fertig geworden ist, oder ein Projekt am Mondsee und auch in St. Johann – wir errichten diese Bauten natürlich in Holz. In den letzten fünf Jahren haben wir etwa 30 Millionen Euro in den Wohnbau investiert – in den nächsten fünf Jahren werden es ungefähr 50 Millionen Euro sein.
Am meisten investieren wir allerdings in den Energiebereich. Wir haben in Summe fast 100 Millionen Euro in erneuerbare Energien investiert.

Also in Wasserkraftwerke?
In Wasserkraftwerke und in Windparks – und wir sind am größten Biomassekraftwerk in Zentraleuropa in Wien-Simmering beteiligt. Wir haben acht Wasserkraftwerke, jetzt kommt gerade das neunte, und wir haben einen Windpark in der Steiermark: Im Vorjahr haben wir etwa 260 Gigawattstunden Strom produziert.

Gibt es da noch Steigerungspotenzial?
Ja, wir bauen gerade noch ein Wasserkraftwerk in Tirol. In den nächsten sechs Jahren können wir etwa noch ein Potenzial von 100 Gigawattstunden dazubauen. Die Energie ist für uns mittlerweile ein wichtiges Standbein, denn vor zehn Jahren hat das noch gar nichts zum Konzernergebnis beigetragen – und im Vorjahr haben wir schon fünf Millionen Euro damit verdient.

Wie viel trägt das klassische Geschäft mit dem Holz der Bundesforste noch zum Konzernergebnis bei?
50 Prozent. Man muss sich nur vorstellen: Ein Euro mehr oder weniger beim Holzpreis macht bei uns einen Unterschied von 800.000 Euro aus. Wir haben im Vorjahr mit dem Holz alleine nichts verdient, das muss man einfach so sagen – da haben uns die anderen Standbeine schon sehr geholfen. Das ist auch der Grund, warum wir sicher das einzige staatliche Forstunternehmen in einem Umkreis von 600 Kilometern sind, das positiv wirtschaftet.

Früher hat es ja den Spruch gegeben: „Es wächst mehr Wald nach, als wir verbrauchen“. Ist das immer noch so?
In Österreich ist es immer noch so, ja. Der Holzvorrat steigt, auch bei den Bundesforsten. In den letzten Jahren ist die Menge, die wir ernten, von 1,5 Millionen auf 1,6 Millionen Festmetern angestiegen. Interessant ist: In Tschechien sinkt seit 2018 der Holzvorrat.

Foto: Mark Glassner/ÖBf

In Zukunft wird ja die Fichte nicht mehr so dominant sein. Gibt es für Sie einen „Baum der Zukunft“, oder wird sich das mehr aufteilen?
Wir haben vor fast zehn Jahren ein großes Programm zum „Wald der Zukunft“ gestartet. Wir sehen, dass die Fichte bei uns weiterhin die dominante Baumart bleiben wird, aber ihr Anteil wird von mehr als 60 Prozent auf knapp 40 Prozent zurückgehen. Am meisten wird bei uns der Anteil der Lärche und der Tanne steigen und der Laubholzanteil wird sich in der Zusammensetzung ändern. Für uns sind jedenfalls die Lärche und die Tanne zentral – der Anteil der Douglasie wird auch steigen, aber weit nicht so stark.
Spannend ist, wenn man sich die einzelnen Wälder im Detail ansieht und etwa den Kobernaußerwald hernimmt: Dort wird der Anteil der Fichte stark abnehmen und der Anteil der Douglasie ist höher als anderswo. Dafür wird im Salzkammergut oder im Unterinntal der Anteil der Fichte noch immer hoch bleiben – weil man dort in einer anderen Höhenlage ist.
Aber grundsätzlich glauben wir, dass Vielfalt das Wichtigste ist und dann muss man sich überlegen, welcher Baum wo standorttypisch ist. Denn im Mühlviertel, Waldviertel und in Tschechien wurde die Fichte, die dort eigentlich nicht die standorttypische Baumart war, angepflanzt, weil es wirtschaftlich interessant war …

… hat man also früher mancherorts die falsche Baumart angepflanzt?
Das kann man nur mit Wissen des Nachhinein so sagen. Eine Fichte ist in etwa 70 bis 100 Jahren fertig, eine Eiche braucht 120 bis 150 Jahre. Wenn ein Baum gut wächst, und die Fichte ist über Generationen hinweg gut gewachsen, dann ist es eigentlich logisch, die Fichte auszuprobieren.
Ich bin da immer etwas vorsichtig, die Altvorderen zu kritisieren. Aber ja, man hat es etwas übertrieben und wir machen heute auch keine Monokulturen mehr. Ich bin ein absoluter Gegner davon, die Fichte zu verteufeln, denn sie gehört in hohe Lagen. Dort war sie immer, seit der Eiszeit – und dort hat sie eine Zukunft. Die Vielfalt ist jedenfalls unterm Strich das Interessante.

Kann man überhaupt kurzfristig etwas gegen das Voranschreiten des Klimawandels vor Ort machen?
Wir sind sehr dahinter, dass wir möglichst schnell Käferholz wegräumen. Wenn man ein großes Schadereignis hat, wie etwa im Vorjahr diese Schneebrüche – das kann niemand sofort aufräumen. Aber wir sind bei Kalamitäten dahinter, dass wir schnell aufräumen und es sind im Sommer alle unsere Mitarbeiter unterwegs, um Käferbäume zu suchen – damit sich das nicht ausbreitet.
Mittlerweile haben aber sogar wir erstmals ein Revier, in Riegersburg, das sich „auflöst“.

Was bedeutet „auflöst“?
Früher war es meistens so: Man hatte einen Käfer, weil jemand schlecht gewirtschaftet hat oder sich nicht um den Wald gekümmert hat oder nach einem Großereignis, wie einem Sturm – weil da Brutmaterial für den Käfer da war. Heute gibt es Gegenden wie im Waldviertel, in Tschechien oder in Deutschland – dort ist es in Wahrheit egal, was man tut, weil einfach die Bäume so geschwächt sind, dass sie entweder austrocknen oder der Käfer sie befällt.
Aber, grundsätzlich: Ich bin gegen einen Alarmismus, denn sonst wäre bei uns die Käferholzmenge in den letzten Jahren nicht gesunken – von 400.000 Festmetern auf etwas mehr als 200.000 Festmeter im Vorjahr. Wir haben also trotz der heißen Jahre eine sinkende Tendenz.

Noch mal zu dem anderen Immobilienbesitz: Es ja immer wieder mal der freie Seezugang in der Debatte.
Wir sind verpflichtet, den freien Seezugang zu erhalten. Wir haben an allen Badeseen mindestens einen unentgeltlichen Badeplatz – am Attersee sind es zum Beispiel acht. Wir haben, seit wir in Oberösterreich die Seen betreuen, keinen einzigen Quadratmeter freien Seezugang verkauft. Und man muss unterscheiden – uns gehört bei den Seen meistens der „Badewannenrand“. Also, der Wasserkörper ist meistens öffentlich, und was dahinter ist, ist meist privat. Und das Thema, das dann entstanden ist, ist die Verbauung. So haben wir etwa Traun- und Attersee so verbaut übernommen wie vorgefunden und da ist seither auch nicht mehr viel dazugekommen – in der Uferlinie muss man sagen, dahinter ist es natürlich anders. Wir schauen sehr darauf, dass die Allgemeinheit einen Zugang zu den Seen hat und, dass wir diese Badeplätze erhalten.

Foto: ÖBf/G. Moser

Die Bundesforste haben ja einen Zukunftsprozess aufgesetzt – was sind denn die wichtigsten Elemente darin?
Zunächst ist das Allerwichtigste, dass wir unsere Wälder so gestalten, dass sie trotz Klimawandel Bestand haben. Das Zweite ist, unsere Diversifizierungsstrategie erfolgreich fortzusetzen – wir wollen im Immobilienbereich und in der Energieerzeugung wachsen. Darüber hinaus sind wir mittlerweile ein attraktiver Dienstleister – vor allem in der Waldbewirtschaftung und Baumbegutachtung.

Also, es kauft jemand die Expertise der Bundesforste zu?
Ja, genau. Zum Beispiel hat die Asfinag die gesamte Baumbegutachtung entlang den Autobahnen an uns übertragen. Das machen wir aber auch für die Buwog und andere Unternehmen. Bei der Baumbegutachtung sind wir mittlerweile der größte Anbieter. Darüber hinaus bewirtschaften wir mehr als 20.000 Hektar Wald für Private und andere Institutionen – und es war noch kein Betrieb dabei, bei dem das Ergebnis, nachdem wir die Bewirtschaftung übernommen haben, nicht besser geworden wäre (lacht).

Fichtenurwald auf felsdurchsetztem Boden.  | Foto: ÖBf/Franz Kovacs
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