Bezirk Oberwart
Skandalöser Freispruch bei Prozess um "Gewalt gegen Ehefrau"
Skandalurteil bei einer Verhandlung um „Gewalt gegen Ehefrau!“ Denn trotz Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, der Schläge und/oder Tritte in zumindest 6 von 8 Vorfällen als Verletzungsgrund benennt bzw. nicht ausschließt, wurde der Angeklagte im Landesgericht Eisenstadt „Im Zweifel freigesprochen!“ Und das, obwohl der Mann bereits wegen zweier Gewaltdelikte vorbestraft ist. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft am Zug.
EISENSTADT/BEZIRK OBERWART. Allein heuer gab es in Österreich bereits 25 Femizide. Bei den mutmaßlichen Tätern handelte es sich um (Ex-)Partner, Bekannte oder Familienmitglieder des Opfers. Zudem scheinen 2023 bis dato 40 Mordversuche auf. Laut Statistik Austria, 2021, ist in unserem Land jede dritte Frau von körperlicher und/oder sexueller Gewalt innerhalb oder außerhalb von intimen Beziehungen (erlebt ab dem Alter von 15 Jahren) betroffen.
Deshalb gibt es seitens der Politik immer wieder Aufrufe an betroffene Frauen, sich bei gewalttätigen Vorfällen an die Polizei oder andere Hilfseinrichtungen zu wenden. Ein Appell an den Mut der Opfer, ihr Schweigen zu brechen und Anzeige zu erstatten. Das hat eine 40-jährige Burgenländerin aus dem Bezirk Oberwart auch gemacht. Im Sommer hörte sie endlich damit auf, ihren Ehemann in Schutz zu nehmen und Ausreden für ihre Verletzungen zu erfinden. Hilfesuchend wandte sie sich an das Gewaltschutzzentrum Oberwart.
Hilfe im Gewaltschutzzentrum
Nach Bilddokumentation ihrer Hämatome bei der Polizei und Anklageerhebung seitens der Staatsanwaltschaft kam es am 23. Oktober zur ersten Verhandlung, wir berichteten. Dort hatte der Beschuldigte, damals in U-Haft, behauptet, dass seine Gattin immer wieder gestürzt, gestolpert oder ausgerutscht sei und sich dabei selbst schwer verletzt hat. Mit der Begründung, er habe seine Ehefrau nie geschlagen, bekannte sich der 41-Jährige „nicht schuldig“.
Am 2. Verhandlungstag, den 9.11, stellte die Richterin zwar fest, dass das befragte Opfer grundsätzlich nicht unglaubwürdig ist, fällte aber trotzdem das Urteil: „Freispruch im Zweifel!“ Obwohl es in einem 15-seitigen Gutachten klare Formulierungen zu den Verletzungen der Ehefrau gibt. Dr. Rudolf Wehrl, Facharzt für Unfallchirurgie und als „Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger“ die Koryphäe schlechthin, befundete auf Weisung des Gerichts 8 Vorfälle, vom 25. März bis zum 18. Juli.
Verletzungen durch Schläge und Tritte
Ausgewiesen sind, verteilt quer über den ganzen Körper, inklusive Zerrung der Halswirbelsäule: Prellungen, Blutunterlaufungen, kratzerförmige Hautabschürfungen, Zehenbruch, Schwellung, Rissquetschwunde sowie ein Haarriss an der fünften bis achten Rippe. In dem Gutachten, das den RegionalMedien vorliegt, heißt es unter anderem: „Durch einen einfachen Sturz zu Boden können diese Verletzungen aufgrund ihrer Lokalisation nicht erklärt werden. Die Entstehung durch Schläge und Tritte kann die Verletzungen erklären!“
Abseits dieser Sachverständigen-Aussage kam bei dem Angeklagten erschwerend hinzu, dass der Burgenländer bei der Justiz kein unbeschriebenes Blatt ist. Durch zwei rechtskräftige Verurteilungen wegen Gewaltdelikten. Eine seiner beiden Vorstrafen beruht übrigens auf Verletzungen, die er seiner ehemaligen Lebensgefährtin zugefügt hatte. Zudem tauchten während des Prozesses Unterlagen auf, die seine Glaubwürdigkeit schwer erschütterten. Denn offenbar hatte der 41-Jährige Befunde gefälscht, um seinen Alkoholkonsum während der bedingten Entlassung zu „minimieren“. Diese ans Gericht geschickten Fake-Unterlagen wiesen korrigierte Werte von 1,8 und 2,4 auf, obwohl in den Originalen 4,5 vermerkt sind. Erlaubt ist lediglich ein Wert von maximal 1,6.
6.247 Anrufe bei "Frauenhelpline"
„Alles in allem ein Skandalurteil“, zeigten sich Vertreterinnen einer Frauenorganisation entsetzt. „Ein Schlag ins Gesicht für alle Frauen, die Schutz und Hilfe vor Gewalt suchen und brauchen!“ Dass das jährlich viele sind, zeigt der auch im Burgenland aktive Verein „Autonome Österreichische Frauenhäuser“ auf seiner Homepage (www.aoef.at). 2022 wurden nämlich österreichweit 500 Frauen betreut. Bei der „Frauenhelpline gegen Gewalt“ (0800 222 555) gingen vergangenes Jahr 6.274 Anrufe von Frauen und Mädchen ein, die von verschiedenen Formen von Gewalt betroffen waren. Das Opfer aus dem Bezirk Oberwart, das alles richtig gemacht hat, sagte zum Spruch der Richterin: „Ich verstehe die Welt nicht mehr!“ Der Beschuldigte, für den explizit die Unschuldsvermutung gilt, wurde noch am selben Tag aus der U-Haft entlassen.
Staatsanwaltschaft am Zug
Nunmehr liegt es in der Hand der Staatsanwaltschaft Eisenstadt, gegen das Urteil ein Rechtsmittel anzumelden. Dies ist bis einschließlich Montag möglich. Staatsanwältin Mag. Petra Bauer, zugleich Pressesprecherin der STA: „Bis jetzt ist diesbezüglich noch keine Entscheidung gefallen!“ Übrigens wird von der Anklagebehörde auch zu klären sein, ob nicht sogar ein Verfahrensfehler vorliegt. Denn ein Abteilungsinspektor der zuständigen Polizei-Behörde, der Auskünfte über das Opfer und die Situation vor Ort machen hätte können, wurde im Prozess nicht befragt. Und das, obwohl der Beamte von der Staatsanwaltschaft als Zeuge beantragt worden ist.
Gewalt im Bezirk Oberwart / Angeklagter behauptete, Ehefrau habe sich selbst verletzt
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