"Die Nazi-Keule zu schwingen geht zu weit"

BEZIRK (ebn). Für die Opposition im Tiroler Landtag ist es klar: die Haller'schen Urkunden belegen die Zwangsenteignung der Osttiroler Gemeinden unter der Führung des Naziregimes (wir berichteten).

„Der Nazi-Vergleich ist eines Politikers unwürdig. Die Situation muss man differenziert betrachten. Verallgemeinerungen zum Thema Agrargemeinschaften sind sowohl in Ost- als auch in Nordtirol unzulässig. Dazu reicht ein Blick in die Geschichte“, erklärt dazu Bauernbunddirektor Peter Raggl. Für ihn liegt der Fall vollkommen anders. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts seien mit der Grundbuchsanlegung viele Osttiroler Agrargemeinschaften richtig als Nachbarschaften oder Interessentschaften bzw. Alpgenossenschaften im Grundbuch eingetragen worden. Politische Gemeinden waren daher, laut Raggels Meinung, niemals Miteigentümer noch in irgendeiner Weise anteilsberechtigt. 1938 trat die Deutsche Reichsgemeindeordnung in Kraft, mit welcher per Gesetzesanordnung Ortschaften, Fraktionen und ähnliche innerhalb der Gemeinde bestehende Verbände, Körperschaften und Einrichtungen aufgelöst und als deren Rechtsnachfolger die Gemeinde einverleibt wurden.

„Auf Basis dieses Nazi-Gesetzes wurden viele Fraktions- und Nachbarschaftsbesitzungen im ganzen Land enteignet und deren bisheriges Eigentum an die politischen Gemeinden übergeben. Vom Gesetzeswortlaut war jedoch die Einbeziehung und Übertragung von agrargemeinschaftlichem Privatvermögen im Miteigentum nicht gedeckt“, führt Raggl aus.

"Die Proteste der betroffenen Bauern führten bereits im April 1939 zu ersten Erhebungen seitens der Agrarbehörde, die 1941 abgeschlossen wurden. Historische Dokumente belegen, dass der damalige Leiter der Agrarbehörde Lienz, Wolfram Haller, sich für eine Rückübertragung jener agrargemeinschaftlichen Gründe an die tatsächlichen Nutzungsberechtigten einsetzte, die aufgrund des NS-Gesetzes aus seiner Sicht zu Unrecht den Gemeinden übereignet worden war. Als Rechtsgrundlage konnte Haller dabei das Tiroler Flurverfassungsgesetz aus dem Jahre 1935 (also vor dem Nazi-Regime) anwenden", heißt es vom Bauernbunddirektor. „Die Agrargemeinschaften werden verteufelt und jetzt wird sogar die Nazi-Keule geschwungen. Das geht zu weit. Denn für die Agrarbehörde des Landes sind die scheinbar neuen Erkenntnisse weder neu, noch ändern sie etwas an der tatsächlichen Situation", ärgert sich Raggl.

Die Landesregierung ist mittlerweile übereingekommen, eine Expertise zur Aufklärung der Haller´schen Urkunden einzuholen. Im Detail sollen die Behördenvorgänge rund um den damaligen Leiter der Agrarbehörde Haller beleuchtet werden. Wer mit der Erstellung der Expertise beauftragt wird, soll in den nächsten Wochen im Detail geregelt werden.

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