"Projekt soll verbinden"

"St. Jakob hilft" lautet die Botschaft auf der Facebookseite der St. Jakober Bürgerinitiative. | Foto: St. Jakober Bürgerinitiative
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  • "St. Jakob hilft" lautet die Botschaft auf der Facebookseite der St. Jakober Bürgerinitiative.
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Auf der Social-Media Plattform Facebook hat sich in den letzten Tagen die "St. Jakober Bürgerinitiative zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen" formiert. Die Initiative, die bereits knapp 250 Anhänger gefunden hat, macht sich für eine unmittelbare und freiwillige Aufnahme von Kriegsflüchtlingen in der Deferegger Gemeinde stark. Wir haben mit dem in Wien lebenden St. Jakober Markus Gasser, einem der Köpfe hinter der Initiative, gesprochen.

BEZIRKSBLÄTTER: Wer steckt hinter der Bürgerinitiative?
MARKUS GASSER: Eine gute Frage, die so in einem Satz natürlich nicht beantwortet werden kann. Hinter etwas zu stehen kann sehr vielfältig ausgelegt werden und ist für jeden Einzelnen persönlich zu bewerten. Viele stehen schon öffentlich zu diesem Projekt und viele noch mit stillem Zuspruch. Angefangen hat alles im kleinen Kreis um den herum sich gerade eine ständig wachsende Gruppe formiert. Es gibt St. Jakober die sich schon aktiv damit beschäftigt haben, wie man Bedürftigen Hilfe zukommen lassen kann und die ebenfalls Zuspruch bekundet haben. Die Facebook-Seite selber soll gar nicht die Bürgerinitiative darstellen, sondern soll viel mehr eine Plattform für diese schaffen, über die man sich leichter austauschen kann aber auch einfach nur Zustimmung zum Ausdruck bringen möchte. Es soll eine Initiative sein, die Menschen zusammen bringt. Aufgrund der mehr als aktuellen Debatte rund um die Aufnahme von Menschen aus Kriegsregionen rückt derzeit ganz Österreich ein bisschen mehr zusammen.
St. Jakob wird aufgrund seiner Einwohnerzahl nicht verpflichtet werden geflüchtete Personen aufzunehmen. Zusammen halten heißt jedoch auch, sich nicht an vorgegebene Quoten halten zu müssen – und aus Eigeninitiative etwas tun zu können.
Ein mögliches persönliches Engagement in der Akuthilfe im Osten Österreichs, ist aufgrund der langen Distanzen nur erschwert möglich. Ein Hilfsprojekt in der Region auf die Beine zu stellen wäre eine Alternative. Dafür benötigt es eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit von Personen, die sich solidarisch für eine Sache einsetzen. Es ist also jedem St. Jakober und jeder St. Jakoberin zu unterstellen von ganzem Herzen hilfsbereit zu sein und gegen Ungerechtigkeit einzustehen. Jeder genau so, wie es für einen persönlich oder in seinem Umfeld eben möglich ist. Ohne Hilfsbereitschaft wäre keine Dorfgemeinschaft überlebensfähig – und nun gilt es hier über die Grenzen hinaus zu denken.

Wie kam es zur Gründung bzw. was waren die Beweggründe?
Die Notwendigkeit liegt auf der Hand. Es gibt gerade enormes Leid in der Welt und es ist an der Zeit dieses Leid nicht unkommentiert oder untätig mit anzusehen. Dieses Leid hat für viele eine neue Qualität, da sie nicht mehr fern ab in fremden Ländern passiert, sondern vor unserer eigenen Haustür angelangt ist.
In unserer Bundeshauptstadt und anderen großen europäischen Städten wurden vergangene Woche Kriegsflüchtlinge aufs herzlichste in Empfang genommen. Es gingen mehr als 20.000 Menschen auf die Straßen um ihre Solidarität zu bekunden. Seit Wochen versorgen private Initiativen die großen Flüchtlingscamps Österreichs und haben damit bereits sehr viel erreicht. Jetzt gilt es zusammen zu halten – bundesweit, landesweit, bezirksweit und über die Gemeinden hinaus.
Polizisten haben auf eigene Verantwortung mit ihren Familien Flüchtlinge versorgt und Supermärkte Vorort aus Eigeninitiative die Versorgung übernommen. Sowas macht natürlich Mut. Diese positiven Bilder fangen die Stimmung der österreichischen Bevölkerung viel eher ein und sollten weitestgehend verbreitet werden. Es regt auch zum Nachdenken an und man überlegt wie man sich hier einbringen kann. Niemand verlässt sein Zuhause und seine Heimat freiwillig – diese Menschen haben keine andere Chance. Das Leid, das uns die mediale Berichterstattung täglich serviert, darf uns nicht kalt lassen.

Warum denkst du hier der geeignete Initiator zu sein?
Ich selber sehe mich überhaupt nicht als Initiator, sondern habe viel mehr eine Stimmung aufgegriffen, die gerade Europa erfasst hat und die auch im Kleinen Einzug in die Gemüter der Menschen gefunden hat. Einfache Bürger helfen schnell und effizient den flüchtenden Opfern und zeigen so die einfachste Form der Nächstenliebe.
Wer mich kennt, würde sogar behaupten, ich wäre die denkbar ungeeignetste Person eine solche Initiative loszutreten. Diese Kritik ist für mich nachvollziehbar und im Prinzip ja auch gar nicht so unrichtig. Ich bin darauf vorbereitet hier zu hören, dass es natürlich als „Foschtgiener“ sehr einfach ist, hier von weit weg Zurufe zu machen. Damit bin ich nicht alleine, wie sich in der Gruppe bereits herausgestellt hat. Diese Kritik nehme ich gerne an, da ich nach reiflicher Überlegung festgestellt habe, dass es durchaus Sinn macht, wenn der Impuls von jemandem außerhalb des politisch verstrickten Gemeindealltages kommt. Ich hab eine dicke Haut und bin auf alles vorbereitet. Aber der Humor der St. Jakober ist Unübertroffen und ich bin schon sehr gespannt was sie sich da alles einfallen lassen. Wenn es hilft, dass darüber nachgedacht, diskutiert und Lösungen zum Thema gemacht werden, dann war es das schon wert. Denn in Wirklichkeit drückt es ja meine Verbundenheit mit Daheim aus.
Keiner meiner St. Jakober Freunde würde je auf die Idee kommen, mich als einen „Gutmenschen“ zu bezeichnen. Das ist natürlich insofern von Vorteil, hier nicht in ein naives Licht gestellt werden zu können.
Die Initiatoren sind somit jene mutigen St. Jakober und Freunde, anhand deren Postings und öffentlicher Meinung ich bestärkt war, hier einen Anfang zu setzen.
Ich sehe es als meine Pflicht durch meine Erfahrungen aus der Film- und Medienbranche hier alles denkbar positive für St. Jakob herauszuholen. Ich möchte keinen Hehl daraus machen, hier ein enormes Potential zu sehen, den Bekanntheitsgrad unserer Urlaubsregion noch zu steigern. Dies finde ich auch durchaus Legitim. Die Top-Urlaubsdestination in Osttirol, die im Sommer wie im Winter tausende Touristen aus allen Ländern aushält, kann eine handvoll leidgeplagter Menschen sicher gut verkraften.
„St. Jakob im Defereggental nimmt Flüchtlinge mit einem herzlichen Willkommensfest auf!“ Das ist eine Schlagzeile, die man sich doch in allen Medien nur wünschen kann. Es dient ja der Sache, hier eine Vorbildfunktion für andere Gemeinden einzunehmen.

Was genau soll mit dieser Initiative erreicht werden?
Es sollen Vorschläge in Einbindung aller Bewohner gefunden werden, wie so ein Projekt aussehen könnte. Es ist wichtig zu betonen, dass es nicht um eine große Anzahl von Flüchtlingen geht – jedem Dorf sollte es möglich sein 1-2 Familien mit Kindern zu integrieren. Bestenfalls eine Person pro 100 Einwohner.
Jede Persönlichkeit in St. Jakob, jeder Verein, jede Gruppe hat sicher fantastische Ideen, wie so ein Projekt bereichert werden könnte. Wichtig ist, diese zusammen zu bringen und heraus zu finden, wie viel Platz und welcher Platz zur Verfügung gestellt werden könnte.

Gibt es bereits Reaktionen von den St.JakoberInnen?
Natürlich gab es schon gleich nach Veröffentlichung der Bürgerinitiative Reaktionen von den St. Jakobern. Es liegt in der Natur der Sache, dass man vorerst die positiven Bekundungen mitbekommt. Einige haben sich gleich gemeldet um ihre Unterstützung zuzusichern, viele haben schon allein durch das „Liken“ der Facebookseite einen sehr positiven Einfluss auf die Initiative und stärken natürlich den gemeinsamen Geist.
Aber wer selber weiß, wie eine Gemeinde funktioniert, erwartet auch nicht, dass man mit einer solchen Idee offene Türen einrennt. Es muss ein Dialog gestartet werden, bei dem die einzelnen Dorfbewohner Ihre Meinung auch ohne Vorverurteilung äussern können. Wichtig ist es aber die Einwohner zu erreichen, die entweder noch nicht davon gehört haben oder einem derartigen Vorhaben negativ gegenüberstehen. Es gilt Ängste ernst zu nehmen, Fragen zu beantworten und der medialen Berichterstattung eine weitere Facette zu geben.
Es ist die Meinung aller St. Jakober einzuholen und auch zu berücksichtigen. Von da an gilt es mit sachlicher Aufklärung und Information auf die Sorgen und Ängste der Bürger einzugehen zumindest ein größeres Gesamtbild zu vermitteln. Ich denke viele würden eventuell ihren Zugang nochmal überlegen, bestenfalls überdenken, aber zumindest wäre so eine Auseinandersetzung damit gegeben.
Wichtig ist, dass dieses Vorhaben, einigen wenigen Familien den Weg in eine sichere Zukunft zu ebnen, aus der Mitte der St. Jakober Unterstützung findet.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss der jungen Bürger die dem Projekt durchaus positiv gegenüberstehen.
Auch unser Dekan Reinhold Pitterle, dessen Wort wohl unbestritten das glaubwürdigste und größte Gewicht im Dorf hat, hat sich bereits positiv über unser Vorhaben geäußert.
Gerade am Sonntag erst hat der Papst Solidarität eingefordert und konkret Pfarren dazu aufgefordert, mindestens eine Familie aufzunehmen. Hier ist es unsere Pflicht unsere Pfarre hier nicht in die alleinige Verantwortung zu nehmen sondern diese viel mehr zu unterstützen.

Was ist künftig geplant bzw. wie will man weiter vorgehen?
Jetzt wird als allererstes einmal vorgefühlt, wie die allgemeine Grundstimmung zu diesem Anliegen ist. Es hat sich in letzter Zeit herauskristallisiert, dass die lauten Reaktionen oft die negativen Reaktionen von wenigen sind und ein Großteil der Zustimmung eher im Leisen gegeben wird.
Dieser leisen Zustimmung muss eine Plattform gegeben werden und vor allem müssen alle Vorschläge und Meinungen eingeholt und auf den Tisch gelegt werden.
Denkbar wäre, dass sich eine Handvoll angesehener St. Jakober diesem Anliegen anschließen und öffentlich Stellung beziehen. Dabei wird es wichtig sein die positiven Argumente ruhig und sachlich an die Stammtische zu bekommen. Es ist zu erwarten, dass hier hitzige Diskussionen geführt werden, die nicht in plumpe Meinungsmache und emotional aufgeladene Streitgesprächen enden dürfen. Dieses Projekt soll nicht spalten sondern verbinden und Brücken bauen.

Wurde die Gemeindeführung mit dem Thema bereits konfrontiert?
Bis jetzt wurde die Gemeindeführung mit unserem Anliegen noch nicht konfrontiert um hier vorerst eine breite Unterstützung der Sache von weiteren Einheimischen aus St. Jakob zu bekommen.
Es stehen früher oder später Wahlen an und daher ist es natürlich ein heißes Eisen für die Gemeindepolitiker da konkret Stellung zu beziehen. Es ist nach wie vor kein Thema, bei dem es leicht ist, von der politischen Seite Entscheidungen an die Bürger zu vermitteln. Deshalb ist es die Aufgabe der St. Jakober den Vertretern etwaige Ängste zu nehmen sich für die gute Sache einzusetzen.
Bestenfalls würde man alle Seiten davon überzeugen, dass diese Sache vom Großteil der St. Jakober getragen wird und somit vollkommen vom Wahlkampf ausgeklammert werden kann. Denn wenn unser Vorhaben Realität werden soll muss der Gemeinderat natürlich sehr stark eingebunden werden.
Wir hingegen wurden inzwischen von unserem Bürgermeister und NA Gerald Hauser kontaktiert und zu einem Gespräch geladen. Wir werden dieser Einladung natürlich Folgen und gehen sehr hoffnungsvoll in ein sachliches und konstruktives Gespräch, in dem wir ein paar neue Anliegen einiger St. Jakober vortragen möchten. Wir hoffen natürlich, dass damit etwas Bewegung in die Sache gerät.

Welchen Zeitrahmen habt ihr euch gesteckt bzw. bis wann soll was passieren?
Es gibt ehrlich gesagt weder Zeitrahmen noch wurden konkrete Ziele gesteckt. Es ist wichtig hier niemanden zu überfordern oder unüberlegte Aktionen zu setzen.
Das lostreten dieser Facebookseite kann schon als sprunghaft genug bezeichnet werden. Aber es ist leider wirklich im Moment so, dass eine schnelle Hilfe wohl die bessere Hilfe ist. Daher gibt es ein vorerst den Plan einige Treffen und bestenfalls Informationsabende zu organisieren. Alle St. Jakober einzubinden und einen breiten Zuspruch für die Aufnahme von wenigen Flüchtlingen zu schaffen hat derzeit Priorität. Aufzuklären und Ängste zu nehmen. Alle Vorteile eines solchen Projektes aufzuzeigen aber auch nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen. Es ist ein ambitioniertes Projekt aber ich denke hier wird tatsächlich etwas passieren.
Ich bin zuversichtlich, da uns von mehreren Seiten schon wirklich gute Vorschläge herangetragen wurden. Diese waren schon gut Strukturiert und wohl überlegt. Ich hoffe, diese werden im Laufe der Zeit behandelt werden können.
Bestenfalls würden wir auch zu einem Spendenevent aufrufen damit Steuergeld nicht herangezogen werden muss. Man könnte hier ein „Fest der Integration“ mit mehreren bekannten Live Bands anstreben und und und ...
Ich persönlich werde mich natürlich in den Hintergrund stellen da ich denke hier sollte sich keine Einzelperson profilieren sondern ein ganzes Dorf die Möglichkeit dazu haben.
So ist zu hoffen - mehrere starke St. Jakober nehmen das Ruder in die Hand und bringen das Projekt soweit, dass es erfolgreich umgesetzt werden kann. Ich sehe mich tatsächlich nur als Helfer und möchte versuchen St. Jakob der Welt so zu präsentieren, wie ich es für mich sehe...

Hier gehts zur Facebookseite der St. Jakober Bürgerinitiative zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen

"St. Jakob hilft" lautet die Botschaft auf der Facebookseite der St. Jakober Bürgerinitiative. | Foto: St. Jakober Bürgerinitiative
Der in Wien lebende St. Jakober Markus Gasser ist einer der Köpfe hinter der Initiative. | Foto: privat
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