Exkursion auf Papa Grubers Spuren
Archäologie aus KZ Gusen rückt wieder in den Fokus

Am 1941 entdeckten Gräberfeld liegt heute der Ort Gusen. Beim Baum im Hintergrund führt die heutige Pleschinger Landesstraße über den "Kogelberg" hinab Richtung Langenstein. | Foto: NHM Wien
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  • Am 1941 entdeckten Gräberfeld liegt heute der Ort Gusen. Beim Baum im Hintergrund führt die heutige Pleschinger Landesstraße über den "Kogelberg" hinab Richtung Langenstein.
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In der Informationsvielfalt  zur NS-Zeit im Umfeld der Bewusstseinsregion Mauthausen-Gusen-St. Georgen sind Grabungsfunde beim Schleppbahnbau und der Errichtung des Lagers Gusen II eher eine Randnotiz. In Historikerkreisen besitzt Gusen hingegen nicht nur als KZ-Standort, sondern auch als Fundstätte archäologisch besonders wertvoller  bronzezeitlicher Objekte Weltruf. Untrennbar damit verknüpft ist der Priester Johann "Papa" Gruber, eine der herausragendsten Persönlichkeiten im Widerstand gegen das NS-Regime. Seinen Spuren folgte eine spannende Exkursion ins Naturhistorische Museum und ins Straflandesgericht Wien, organisiert von der Plattform Johann Gruber und der Pädagogische Hochschule der Diözese Linz.

GUSEN, LINZ, WIEN.  Das Naturhistorische Museum in Wien erforscht die Funde, welche beim Bau der Schleppbahn ins KZ Gusen zufällig entdeckt wurden und die lange in Archiven dahindämmerten. Das spätbronzezeitliche Gräberfeld gehört zu den bedeutendsten Friedhöfen der Zeit um 1200 v. Chr. in Österreich – nicht zuletzt durch die kostbaren Beigaben wie Keramik, Schmuck, Schwerter oder Bronzegefäße. Es dürfte um die 200 Gräber umfasst haben, von denen ungefähr ein Drittel zumindest teilweise dokumentiert sind.  Einige dieser Funde haben eine enorme Bedeutung, vor allem die sogenannte "Gusener Tasse," das älteste Objekt aus der Bronzezeit, welches in Europa je gefunden wurde. Sie dient der archäologischen Forschung sogar als Typusexemplar – die Bronzetassen vom Typ Gusen sind eine Leitform für eine bestimmte Zeit und Region. Bei den Grabungen in Gusen von 1941 bis 1943 fanden sich aber auch jungsteinzeitliche Relikte, ein Grab der Hallstattkultur sowie verstreute frühmittelalterliche Funde.

Ausgrabungen für Häftlingshilfe genutzt

Für die Lager-SS waren die Funde in diesem Sinn wertvoll, um zu zeigen, wie „germanisch“ bereits die hier früher lebenden Völker waren. Der Priester Johann Gruber wurde auf Grund seiner Ausbildung und Geschichtskenntnisse beim Grabungskommando eingesetzt. Dort war er dann in weiterer Folge als Kapo für das Lagermuseum im Konzentrationslager zuständig. In dieser Position war es ihm möglich, Hilfe für andere Mitgefangene zu organisieren. Die gefundenen Objekte wurden damals nach Wien geschickt, dort begutachtet, restauriert und kamen dann nach Gusen zurück.
In diesen Objekten versteckte Gruber Nachrichten und Zigaretten, die er im KZ gesammelt hatte, und die er auf dem Wiener Schwarzmarkt  verkaufen ließ. Das dadurch "verdiente" Geld gelangte auf gleiche Weise versteckt wieder retour ins Lager, wo Gruber es benutzte, um in der Küche des KZ die "Gruber-Suppe" zu beschaffen und für seine Mitgefangenen Hafterleichterungen zu erreichen. 1944 flog sein Hilfsnetzwerk auf. Der von seinen Mitgefangenen dankbar "Papa Gruber" oder "Engel von Gusen" genannte Priester wurde nach dreitägigem Martyrium am 7. April 1944 vom Lagerführer Fritz Seidler ermordet.

Funde sollen öffentlich gezeigt werden

Die für die Bewusstseinsregion so bedeutsamen Fundstücke liegen derzeit im Archiv des naturhistorischen Museums in Wien. Die zuständige Abteilungsdirektorin Karina Grömer diskutierte mit den Besuchern über die Bedeutung der Funde und wie sie- eventuell als Ergebnis des aktuell laufenden Beteiligungsprozesses zur Neugestaltung der Gedenkstätte des KZ Gusen -  der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten. Sie könnten damit neben der Darstellung des zeitgeschichtlichen Aspekts auch die enorme archäologische Bedeutung der Region auf moderne Art vermitteln. In der St. Georgener Bucht gibt es ja etwa mit dem Gusener Berglitzl oder zahlreichen bis in die Eiszeit zurückreichenden Funden beim Sandabbau in St. Georgen viele weitere historische Highlights.
Ein Teil der Objekte aus dem KZ-Gräberfeld ist als Faksimile an der pädagogischen Hochschule der Diözese Linz im Eingangsbereich als Kunstprojekt zu sehen. Das Projekt nennt sich „Wetterleuchten am Horizont“ und wurde vom renommierten Künstler Christian Kosmas Mayer gestaltet.

Papa Gruber erst 2016 vollständig rehabilitiert

Einen Einblick in die NS-Justiz und ihre unzähligen Opfer vermittelte im Anschluss Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, des größten ordentlichen Gerichtes Österreichs. Im auch als das  „graue Haus“ bekannten Gebäude gab es früher einen Hinrichtungsort, an dem über 1.000 Frauen und Männer aus dem österreichischen Widerstand durch die Nationalsozialisten den Tod fanden. In einer kleinen Gedenkfeier gedachten die Besucher der Zivilcourage dieser meist unbekannten Helden einer barbarischen Zeit.
Friedrich Forstuber bildet auch die Verbindung zu Johann Gruber: Er hob als zuständiger Richter das letzte Urteil aus der NS-Zeit auf, das diesem - wohl als Demütigung und Herabwürdigung seines Priesterstandes  gedacht - Verbrechen gegen die Sittlichkeit vorwarf. (die BezirksRundSchau berichtete). Erst nach mehr als 70(!) Jahren wurde der "Engel von Gusen damit vollständig rehabilitiert. Die anderen Urteile der NS-Justiz gegen Johann Gruber waren ebenfalls erst nach über fünf Jahrzehnten -1998 - durch das Landesgericht Linz für ungültig erklärt worden.
Link:
Die beeindruckend aufgearbeitete Info- und Dokumentensammlung zu Johann Gruber von Dr. Christoph Freudenthaler finden Sie hier.

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