"Liebeserklärung an das Innergebirg"
Mit seinem Debütroman "Tau" kratz Thomas Mulitzer an der historischen Kruste seines Heimatorts Goldegg.
In seinem Debütroman "Tau" trifft der Goldegger Autor Thomas Mulitzer auf den Schriftsteller Thomas Bernhard (1931-1989) und wiederum dessen Erstlingsroman "Frost". Beide Handlungen spielen an denselben Schauplätzen und so verbindet Mulitzer Vergangenheit und "Gegenwart", Erfindung und Wahrheit.
Spuren hinterlassen
"Meine Verbindung zu Thomas Bernhard ist eine persönliche und hat mit seinem Debütroman 'Frost' zu tun, dessen Handlung in einem Ort namens Weng spielt. Meine Großeltern haben in Goldegg-Weng ein Gasthaus betrieben, in dem früher auch Thomas Bernhard zu Gast war. Die übertrieben negative Beschreibung der Bewohner in seinem Werk – besonders der Wirtin – wurde von manchen Lesern als Tatsachenbericht missverstanden und das hat auch in meiner Familie Spuren hinterlassen. Diesen Spuren geht mein Protagonist in 'Tau' nach", sagt der 29-jährige Thomas Mulitzer im Interview mit den Bezirksblättern. Mulitzer selbst outet sich als Bewunderer Bernhards, mit dem viele Pongauer eine "Hass-Liebe" verbindet.
Kaltes Wasser im Gesicht
"Bernhards Schreibstil übt schon eine Faszination aus. Er ist einzigartig. Als ich 'Frost' als Jugendlicher zum ersten Mal gelesen habe und mit diesen kraftvollen Sätzen konfrontiert wurde, war das, wie wenn man kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet bekommt. Das löst etwas aus. Der Schauplatz unserer Debütromane ist zwar derselbe, der Schreibstil aber ist ein anderer", sagt Mulitzer, der sich mit seinem Roman dafür auf anderer Ebene in Bernhards Tradition einreiht: "'Frost' wurde von manchen als Angriff auf Weng und seine Bewohner verstanden und sicher gibt es auch in 'Tau' Passagen, die nicht jedem Einheimischen gefallen werden. Am Ende ist der Roman aber schon eine Art Liebeserklärung an das Innergebirg."
Pongauer brauchen Humor
Mit vielen humoristischen Passagen blickt Mulitzer mit einem Augenzwinkern auf Land und Leute. "Egal wo man wohnt – Humor schadet nie. Dies gilt natürlich auch und besonders für den Pongau", so Mulitzer, der im Bezirk kein Unbekannter ist. In seinem Mundart-Punk-Duo "Two on Glue" übte sich Mulitzer bereits im Schreiben: "Für mich hängen meine verschiedenen Arbeitsgebiete eng zusammen. Ich sehe mich nicht primär als Schriftsteller oder als Musiker, sondern eher als Erschaffer und Gestalter von Inhalten. Ob sich diese in einem Roman, einem Song oder einem anderen Medium manifestieren, hängt von der jeweiligen Storyline und anderen Umständen ab", so der Künstler.
Sich selbst "erschreiben"
"Mit dem literarischen Schreiben möchte ich Befindlichkeiten – sowohl gesellschaftliche als auch persönliche – fassbar machen und in eine Form bringen. Mit dem Schreiben kann man dem nachspüren, was hätte sein können, Figuren und Schauplätze erschaffen und mit dem Verhältnis von Realität und Fiktion spielen – und dadurch lernt man auch sich selbst besser kennen." Derzeit lebt Thomas Mulitzer in Salzburg, kommt aber regelmäßig nach Goldegg zurück.
Einfach loslegen
Sein erster Roman, der im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen ist, war für den Goldegger Künstler ein kleines Experiment: "Da kam mir meine Sozialisation im Punkrock zugute, da wartet man auch nicht lange ab, sondern legt einfach los – egal, ob man etwas kann oder nicht. Und dann schaut man, was passiert", grinst der 29-Jährige, der bald wieder mit seiner Band ins Studio gehen wird. "Unsere Songs werden in Mundart gesungen und setzen sich zum Teil auch thematisch mit dem Innergebirg auseinander. Danach kommt bestimmt der Zeitpunkt, an dem ich wieder ein größeres literarisches Projekt in Angriff nehme."
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