Zurück zur wahren Demokratie: "Politik braucht Mediation!"

"Mediation ist ein Prozess, aber auch ein Werkzeugkoffer mit verschiedenen Instrumenten, die in der Politik hilfreich wären", so Gaugl.
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  • "Mediation ist ein Prozess, aber auch ein Werkzeugkoffer mit verschiedenen Instrumenten, die in der Politik hilfreich wären", so Gaugl.
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Herr Gaugl, Sie sind akademisch ausgebildeter Mediator und Jurist. Wie funktioniert diese Kombination?
Hans Jürgen Gaugl: „Als Jurist bist du der, der dir dabei hilft zu Recht zu kommen und deinen Standpunkt durchzuboxen, was aber oft zu Ergebnissen führt wo sich selbst der Sieger des Verfahrens nicht wohl fühlt. Deshalb habe ich mich näher damit beschäftigt und bin auf Mediation gestoßen. Die Mediation bedient sich vieler Elemente, soziologischer, kommunikationswissenschaftlicher, psychologischer Elemente und solcher der Raumgestaltung. Es ist also eine Möglichkeit den Leuten zu helfen nicht nur zu Recht, sondern auch zu Gerechtigkeit zu kommen.“

In Ihren neuesten Werken "Politische Machtspiele – Schlachtfeld oder Chance" und "Mediation als Kurskorrektur für unsere Demokratie" beschäftigen Sie sich mit Mediation in der Demokratie. Wo sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten in der Demokratie?
„Ich habe für meine Masterthesis, in der ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, Nationalratsabgeordnete mit einem Fragebogen zu ihrem Selbstverständnis befragt. Eines der spannendesten Gesamtergebnsise für mich war, dass die Nationalräte es in erster Linie als ihre Aufgabe sehen den Bürger von ihrem Standpunkt zu überzeugen. Das heißt im Zweifelsfall entnehmen sie ihrem Standpunkt den Parteiprogramm und versuchen den Bürger davon zu überzeugen – und das ist ja eigentlich das Gegenteil dessen was Demokratie sein sollte. Da geht es ja darum miteinander Lösungen zu entwickeln wo alle unsere Bedürfnisse gedeckt werden. Die Frage ist ja immer was bringt mich zu meinem Standpunkt, welches Bedürfnis steckt dahinter. Dann merken die Menschen oft, dass es – trotz unterschiedlicher Standpunkte – Überschneidungen auf der Bedürfnisebene gibt. Die Aufgabe der Politiker in der Demokratie wäre es diese Bedürfnisse in die Politik zu tragen und aufbauend darauf Lösungen zu erarbeiten."

Und Mediation könnte hier helfen?
"Unsere Demokratie wie wir sie grade leben braucht dringend Mediation um zum eigentlichen Wesen der Demokratie zurück zu kommen. Um zu Lösungen zu gelangen bei denen wir uns alle selbstbestimmt verwirklichen können. Mediation ist einerseits ein Prozess, andererseits aber auch ein Werkzeugkoffer mit verschiedenen Instrumenten aus Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Soziologie und zuletzt auch eine Haltung. Vor allem in den letzten beiden ist sehr viel Mehrwert für die Demokratie drin."

Welche Rolle spielen die Bürger dabei?
"Adressat sind nicht nur die Politiker, auch wir selbst sollten Verantwortung übernehmen. Wir müssen auch in der Lage sein unsere Bedürfnisse zu formulieren und zu kommunizieren und dazu bereit sein dafür in der Gesellschaft einzustehen und mich mit anderen Menschen zusammenzusetzen um Lösungen zu erarbeiten, in welchen alle Bedürfnisse Platz finden."

Bürgerbeteiligung war ja ein vielgenanntes Schlagwort im Gemeinderatswahlkampf. Die Erfahrung zeigt aber, dass so manche Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung nur schwach genutzt wird. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
"Hilfreich wäre es sicher wenn man den Bürgern Zeit lässt das Vertrauen zu gewinnen, dass solche Angebote ehrlich gemeint sind. Als gelernte Österreicher haben wir schon oft mitbekommen, dass etwas Bürgerbeteiligung genannt wurde aber später ohnehin gemacht wurde was einige wenige Leute für richtig finden. Da herrscht Resignation bei den Leuten. Bei vielen fehlt der letzte Anstoß des Vertrauens. Mit Mediation könnte man die Menschen dorthin begleiten. Das geht nicht von heute auf morgen, aber es würde einen Rahmen sichern: Dass alles auf den Tisch gelegt wird, Wertschätzung gewahrt wird und alle die für eine Entscheidungsfindung notwendig sind auch anwesend sind und sich dazu verpflichten dass sie das Ziel das am Ende des Prozesses erreicht wurde auch einhalten werden. Aber das Misstrauen wurde innerhalb von Jahrzehnten aufgebaut, das werden wir nicht von heute auf morgen wieder beseitigen, aber wir können erste Schritte setzen."

Hätten Sie da Vorschläge wie das konkret aussehen könnte?
"Ein schöner Punkt wäre es zum Beispiel wenn Ausschüsse öffentlich wären. Die Sinnhaftigkeit hinter nicht-öffentlichen Ausschüssen verstehe ich nicht. Im öffentlichen Gemeinderat berichtet dann der Ausschuss was in der nicht-öffentlichen Ausschusssitzung besprochen wurde. Vor jeder Ausschusssitzung könnte man zum Beispiel auch eine Bürger-Ausschusssitzung machen. Am Beginn kommen vielleicht 10 Leute, aber irgendwann ist das Gasthaus bummvoll wenn die Leute merken dass es ein ehrliches Angebot ist und man wirklich die Möglihkeit hat die Heimatgemeinde mitzugestalten und dass alles ernst gemeint wird. Ich glaube innerhalb einer Gemeinderatsperiode kann man da wirklich wieder Vertrauen aufbauen. Aber am Anfang muss man durchtauchen und konsequent beim Bürger nachfragen: Was ist dir wichtig?"

Wie sehen Sie, auch als ehemaliger Purkersdorfer Stadtrat, das Purkersdorfer Wahlergebnis?
„Es verwundert mich ehrlichgesagt nicht. Es ist wieder eine Bestätigung dessen, dass die Menschen den Streit Leid sind. Wenn ich vor die Wahl gestellt bin: Wähle ich jemanden, der mir aufzeigt, was er alles umsetzen wird und wo ich mir etwas vorstellen kann darunter und wo ich auch auf Umgesetztes zurückblicken kann, wird das besser ankommen, als wenn mir jemand sagt was alles schlecht gemacht wurde und dabei offen lässt was besser gemacht werden könnte."

Die Wahlbeteiligung war in der Region teilweise überraschend gering. Welchen Schluss ziehen Sie daraus und was wäre Ihr Tipp um die Bürger wieder verstärkt zur Wahlurne zu bringen?
„Menschen verbinden Politik immer mehr mit Streit und legen daher auch ihr persönliches Konfliktverhalten auf Politik um – und da ist sehr viel Resignation dabei. Man sieht bei Wahlen so richtig schön welches Konfliktlösungsmuster die Menschen in sich tragen. Die, die auch beim privaten Streit dazu neigen zu resignieren, tun dies dann auch bei der Wahl und bleiben ihr fern. Mediation kann in solhen Konfliktfällen helfen den Konflikt als eine Chance zu sehen. Aber Politiker sind ja eigentlich arme Menschen. Wenn man daran denkt wie viel Zeit und guten Willen sie investieren. Keiner von ihnen trägt Streit freiwillig in die Politik rein, es ist einfach jeder so überzeugt vom eigenen Standpunkt, dass es in Streit endet. Aber das Schlimme ist sie könnten sichs mit etwas mehr Zuhören, Ermächtigen, Befähigen, Begleiten leichter machen: Dann brauch ich als Politiker das ganze nur noch koordinieren."

Im Interview mit den Bezirksblättern Melk meinten Sie dort sei der Umgang untereinander freundschaftlicher als in der Nähe Wiens – inwiefern zeigt sich das?
„Hier in Purkersdorf geht es sehr viel kontroversieller und konfliktbehafteter zu. Das Wettlaufen um die Gunst der Bevölkerung ist sehr viel intensiver. Hier geht es darum jede Woche in den Regionalmedien mit einem Standpunkt vertreten zu sein und möglichst viele Leute davon zu überzeugen. Hier geht es kontroversieller und konfliktbehafteter zu. Bei uns in Schönbühel beobachte ich, dass noch sehr viel zwischen den Menschen passiert. Beim Feuerwehrfest oder nach der Kirche stehen die Leute beinander und reden über aktuelle Themen und da steht der Bürgermeister halt dabei und hört zu. Das liegt daran dass es noch kleinere Gemeinschaften sind. Je größer aber die Gemeinschaft wird desto schwieriger wird es direkt am Bürger zu sein – das gilt es zu überbrücken. Wichtig ist Beharrlichkeit und Ehrlichkeit auf dem Weg der Einbindung."

Zum Abschluss: Demokratie ist also kein "überholtes Konzept"?
„Es kann schon sein, dass wir gerade den Kurs eingeschlagen haben die Demokratie gegen die Wand zu fahren, aber die Wand ist gottseidank noch weit genug entfernt. Und um das Lenkrad noch herum zu reißen kann Mediation helfen. Demokratie braucht unsere HIlfe, ein hilfreiches Instrument dabei ist die Mediation, weil sie, wie die Demokratie, auf Wertschätzung aufbaut.“

ZUR PERSON:
Hans-Jürgen Gaugl, akademisch ausgebildeter Mediator und Jurist, Purkersdorfer Stadtrat außer Dienst und nun wohnhaft in Schönbühel.
Seine kürzlich veröffentlichten Bücher:
Politische Machtspiele – Schlachtfeld oder Chance
Mediation als Kurskorrektur für unsere Demokratie

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