Vizebürgermeister Peter Stummer
"Ohne Gegenmaßnahmen steuern wir auf einen Supergau zu!"

Vizebürgermeister Peter Stummer im Interview. | Foto: Stummer

Jahrzehnte lang musste sich die Stadtgemeinde Ried um das Budget keine Sorgen machen. Doch diese Zeiten sind vorbei. So wie viele andere Gemeinden in Oberösterreich steht Ried aktuell vor den Fragen: Können wir noch ein Budget aufstellen oder ist der Härteausgleich unumgänglich? Wir haben mit Vizebürgermeister Peter Stummer gesprochen.

Herr Stummer: Ganz kurz zusammengefasst. Warum wurde der Budgetvorschlag von Bürgermeister Bernhard Zwielehner bereits bei zwei Gemeinderatssitzungen abgelehnt?
Stummer:  Es kommen hier mehrere Faktoren zusammen. Grundsätzlich war der Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden die reinste Katastrophe. Von den reell benötigten sieben Milliarden Euro wurden nur 2,4 Milliarden beschlossen. Das hat dazu geführt, dass die Gemeinden das riesige Loch, welches die steigenden aufoktroyierten Pflichtausgaben in die Budgets reißt, nicht mehr stopfen können. Wir in Ried können mit einer Gewinnausschüttung von rund 1. 7 Millionen Euro von der Energie Ried den Haushalt für 2024 ausgleichen. Und wir werden das wohl auch tun. In der mittelfristigen Finanzplanung von 2025 bis 2028 fehlen aber sage und schreibe 18 Millionen Euro. Diese Summe  können wir unmöglich ausgleichen. Somit sind wir 2025 aus heutiger Sicht eine Abgangsgemeinde. Mit der zweimaligen Ablehnung des Budgets haben wir – stellvertretend für 80 bis 90 Prozent der Gemeinden in ganz Österreich – ganz klar darauf hingewiesen, dass sich an der Finanzierung der Gemeinden oder an den Pflichtzuständigkeiten grundsätzlich etwas ändern muss.  

"Mit der zweimaligen Ablehnung des Budgets haben wir – stellvertretend für 80 bis 90 Prozent der Gemeinden in ganz Österreich – ganz klar darauf hingewiesen, dass sich an der Finanzierung der Gemeinden oder an den Pflichtzuständigkeiten grundsätzlich etwas ändern muss."

Peter Stummer, Vizebürgermeister in Ried

Was meinen Sie damit konkret?
Viele Gemeinden, die jetzt auf ihre Rücklagen zurückgreifen, um das Budget noch irgendwie auszugleichen, setzen an den Symptomen an. Wir müssen aber die Ursachen bekämpfen. Und die sind meiner Meinung nach von der ÖVP hausgemacht. Es gäbe mehrere Räder, an denen das Land Oberösterreich schrauben könnte, damit es den Gemeinden finanziell wieder besser geht. 

Zum Beispiel?
Man könnte zum Beispiel die Landesumlage unter den Tisch fallen lassen oder zumindest reduzieren. Diese nicht zweckgebundene Transferleistung von den Gemeinden an die Länder sind nicht in jedem Bundesland gleich hoch. In Niederösterreich und in Wien wird gar keine Landesumlage eingehoben. Eine Streichung würde die Finanzkraft der Gemeinden stark verbessern.

Welche Möglichkeiten gäbe es noch?
Die ÖVP müsste ein Wahlversprechen des ehemaligen Landesrates Josef Stockinger einhalten. Er betonte 2015, dass die Gemeinden nicht für die Kosten in der Kinderbetreuung aufkommen müssen. Ich spreche hier nicht von den Errichtungskosten zum Beispiel für Krabbelstuben, welche ja sehr gut vom Land gefördert werden, sondern von den laufenden Kosten. Die SHV-Beiträge, in welche die laufenden Kosten in der Kinderbetreuung ja hineinfallen, sind in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen und machen heute rund 27 Prozent der Finanzkraft einer Gemeinde aus. 27 Prozent, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Würde das Land sein Versprechen wahr machen und die Kinderbetreuungskosten übernehmen, hätten viele Gemeinden keine finanziellen Sorgen mehr. Darüber hinaus wären Gemeindezusammenlegungen sehr sinnvoll.

Wie meinen Sie das?
Ich spreche von politischen Zusammenlegungen statt nur verwaltungstechnischen. Der Bürgermeister einer Gemeinde ist der bestbezahlte Posten, aber nicht jede kleine Gemeinde mit unter 1.000 Einwohnern braucht unbedingt einen eigenen Bürgermeister. Durch Zusammenlegungen sollten Gemeinden mit rund 3.000 Bürger entstehen, mit einem hauptberuflichen Bürgermeister an der Spitze. Ich weiß, mit dieser Aussage mache ich mir nicht gerade viele Freunde. Aber wenn man tatsächlich Einsparungspotentiale sucht, die nicht zulasten der Bürger gehen, sollte man solche Überlegungen in Betracht ziehen.  Weiters könnte man zum Beispiel die nötige Anzahl an Gemeinderäten reduzieren. Alleine in Ried haben wir 37.

Welche Auswirkungen haben die Finanzprobleme der Gemeinden Ihrer Meinung nach für die Wirtschaft?
Wenn keine Gemeinde mehr ausgleichen kann, dann wird auch keine Gemeinde mehr in Infrastruktur investieren können. Ich brauche wahrscheinlich nicht extra zu betonen, was das für die Wirtschaft bedeutet. Ohne wirksame Gegenmaßnahmen steuern wir auf einen Supergau zu!

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