Lesermeinungen: Heim für Asylwerber in Reichersberg

Für viel Diskussionsstoff sorgt das geplante Heim für Asylwerber. | Foto: Stockhammer
  • Für viel Diskussionsstoff sorgt das geplante Heim für Asylwerber.
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Es ist Zeit, einmal nachzudenken

Es ist ja wirklich unglaublich, was da der Reichersberger Bevölkerung zugemutet wird. 25 (!) Asylwerber sollen in einem ehemaligen Gäste­haus untergebracht werden. Und der Gipfel dieser geplanten Aktion: Mitten in einem Wohngebiet! Gott sei Dank gibt es in unserem Land noch standhafte Politiker mit der „Mir san Mir - Mentalität“, die gemeinsam mit der Bevölkerung und der ihnen zur Verfügung stehenden Macht versuchen, dieses Projekt zu verhindern, damit die Idylle in dieser christlich-sozialen Gemeinde nicht kaputt gemacht wird. „Natürlich“, so heißt es, „übernehmen wir auch die Verantwortung für die Unterbringung und Integration der Asylwerber in Österreich, aber umsetzen sollen das die anderen“ (Wer auch immer damit gemeint sein soll). Die Reichersberger sind stolz auf ihre Gemeinde und auf das Augustiner-Chorherren-Stift, das damit wirbt, dass jeder Gast mit Wärme und frohem Geist willkommen geheißen wird. Wenn man sich nun aber die Diskussion angehört hat, so kommen einem hinsichtlich der Reichersberger Bevölkerung erhebliche Zweifel: Asylanten in einem Wohngebiet? Nein Danke! Ich frage mich nur, wo sonst wollen wir Asylwerber unterbringen? Vielleicht in einem gesondert ausgewiesenem Sperrgebiet mit durchgehender vier Meter hohen Umzäunung, möglichst weit weg von bewohntem Gebiet, damit jeglicher Kontakt mit diesem (nach Ansicht vieler) „arbeitsscheuen Gesindel“ vermieden wird, welches sich (angeblich?) zum Großteil aus „Drogenhändlern und sonstigen Straftätern“ zusammensetzt. Sollten wir uns nicht einmal fragen, wie wir es finden würden, wenn wir als Asylwerber in einem fremden Land so behandelt werden? Sollten wir nicht alle unsere Vorurteile über Bord werfen und offen auf Fremde zugehen? Sollten wir uns nicht so verhalten, wie wir es uns von anderen wünschen würden, wenn wir in deren Land Zuflucht suchen? Ich glaube, dass wir darüber einmal nachdenken sollten.
Raimund Schwarzmayr,
Obernberg am Inn

Neues und Bereicherndes kennenlernen

Der Bericht über das geplante Asylantenheim in Reichersberg hat mich sehr traurig und nachdenklich gestimmt. Warum? Ganz einfach deshalb, weil wieder einmal das Prinzip „Helfen ja, aber bitte nicht bei mir, sondern beim Nachbarn oder woanders“ voll und ganz greift. Und alle „Volksvertreter“ stimmen in diesen traurigen Kanon ein. Weit und breit keine Persönlichkeiten mit Rückgrat, die den Mitbürgern statt Angst und Gefahren einen neuen Zugang zu Menschen in Not eröffnen und ihnen zeigen, dass dies für sie auch bereichernd sein kann. Eines muss klar sein: Wenn ich schon mit Angst an die Sache herangehe und das Verhindern im Vordergrund steht, wird das ganze Zusammenleben scheitern. Wenn ich aber mit Interesse und dem Willen und Selbstverständnis zum Helfen an die Sache herangehe, dann kann jeder wachsen und Neues und Bereicherndes kennenlernen. Sind wir nicht alle dazu fähig, gut zu kommunizieren, mit Fremden zu feiern, Konflikte auszustehen, uns täglich neu aufeinander abzustimmen? Vor allem möge man eines bedenken: Jeder von uns kann ganz plötzlich in eine Notsituation kommen – auch ein Nationalratsabgeordneter, auch ein Bürgermeister. Das geht viel schneller als man glaubt, das ist realistisch. Was würden wir uns dann wünschen? Genauso „noble“ Nationalratsabgeordnete Podgorscheks, genauso „noble“ Bürgermeister Öttls? Ich wäre gespannt auf deren Reaktion, wenn ihnen in einer Notsituation in der Fremde folgender Gegenwind ins Gesicht bläst: „Helfen würde ich ihnen schon gerne, aber wir können doch nicht unsere Idylle damit gefährden!“
Johann Ebner,
Ried im Innkreis

Die Reichersberger sollten ihr Herz öffnen

An diesem Abend war es wohl in ganz Reichersberg finster, weil alle in der Turnhalle waren, um ihren Unmut los zu werden. Ich kann die Angst und die Aufregung nicht ganz verstehen. Nur weil ein paar Menschen – auch Flüchtlinge sind Menschen – vorübergehend hier untergebracht werden sollen. Sie sind wahrscheinlich mit einem Traum und einer falschen Vorstellung von Arbeit und einem besseren Leben in unser Land gekommen. Wenn ich nicht als Kind 1944 eine ähnliche Katastrophe erlebt hätte, traute ich mich nicht zu schreiben. Der nicht enden wollende Flüchtlingsstrom aus dem Banat brauchte Unterkünfte. Viele Bauern waren mit Pferden und Wägen unterwegs. Andere hatten das Gefühl, sie würden in Viehwaggons durch halb Europa gekarrt. Der Zustand dieser Menschen, die alles fluchtartig verlassen mussten, war bedauernswert. Damals kam der Bürgermeister ins Haus und wenn ein Zimmer frei war, wurde es sofort für die Flüchtlinge beschlagnahmt. Meinem Elternhaus wurden sieben Personen zugeteilt – auch sie waren sich fremd. Sie brauchten was zu Essen, zum Heizen und die kleinen Kinder mussten versorgt werden. Wir brauchten nicht viel zu hungern, aber das Essen war einfach. Die Flüchtlinge waren deutschsprachig und wir kamen uns bald näher. Wir lebten unter einem Dach, teilten uns Milch und Brot. Und oft auch ihre Trauer um die verlorene Heimat. Diese lebenslange Freundschaft hat mein Leben sehr bereichert.
Warum ich das anführe? Weil es durch diese Völkerwanderung auch bei uns viele tüchtige, großartige Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Und!? Ich meine, die Reichersberger sollten ihr Herz öffnen. Wenn es auch dauert, es werden Freundschaften entstehen und sie tun Gutes, das hat auch Gewicht. Und von wegen Wohngegend, so dicht ist das Dorf auch wieder nicht bewohnt, dass es die Leute stören müsste.
Paula Egger
Ort im Innkreis

Unterschriften gegen Menschlichkeit

Da für einen christlichen, idyllischen Ort wie Reichersberg natürlich keine „kinderfressenden Ungeheuer“ (=Asylsuchende) zumutbar sind, empfehle ich die sofortige Ausweisung aller Fremden, den Ort störende Individuen inkl. Touristen. Wenn jahrelang von einer Partei bzw. von einer kleinformatigen Zeitung gegen alles Fremde Stimmung gemacht wird, darf es einen nicht verwundern, dass es „normal“ ist, Asylsuchende mit Verbrechern und Kriminellen gleichzustellen. Schlimm finde ich die große Zustimmung zu solchen Aussagen. Man hat den Eindruck, als müsste man eine schreckliche Katastrophe mittels Unterschriftenaktion abwenden. Ich glaube, dass in den meisten Fällen menschliche Schicksale die Ursache für Flucht und Asyl­suche sind und es eine moralische Verpflichtung gibt, Asylsuchende menschenwürdig unterzubringen. Ich denke, die Verantwortung für die in den letzten Jahren wieder ansteigenden Flüchtlingszahlen haben mit Versäumnissen der Regierung bei noch so viel Kritik nichts zu tun. Anscheinend ist es der Gesellschaft wichtig, gute Grundstückspreise zu erzielen und nicht, Menschenrechte einzuhalten, geschweige denn, sie zu verteidigen.
Alois Schlager, Reichersberg

Wie kann man Menschen Hilfe verwehren?

Meine erste, absolut unbefangene, naive Frage zur Unterkunft für Asylwerber ist: Wie können Menschen danach trachten, Menschen Hilfe zu verwehren? Ich kann es nicht verstehen! Es geht darum, ein leerstehendes, mehr oder minder nutzloses Gebäude zur Verfügung zu stellen für Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben. Worüber kann man sich dabei aufregen? Das sollte doch das selbstverständlichste, menschlichste Verhalten sein. „Die Idylle in der Gemeinde“ könne durch diese 25 Menschen kaputt gehen – also, wenn 25 hilfesuchende Menschen die Idylle einer ganzen Gemeinde zerstören können, naja – dann war die Idylle wohl nicht sehr stabil. Da ist die Rede von einer Aufstockung des Polizeikontingents – wer diese Frage gestellt hat, hatte sicher noch nie etwas mit Asylwerbern zu tun. Diese Menschen haben Angst – vor allem davor, wieder zurück zu müssen. Jemand, der so viel riskiert hat, um hierher zu kommen, setzt diese Chance nicht leichtfertig aufs Spiel. Ich komme aus Mannheim, einer deutschen Großstadt mit einem Migrantenanteil von – ich glaube mittlerweile – 60 Prozent und die Atmosphäre dort ist einfach großartig, multikulturell erweitert, wenn man es so nennen will. Ich jedenfalls wäre gerne bereit, die Caritas, oder wen auch immer, soweit es meine Mittel und Möglichkeiten zulassen, bei diesem Projekt zu unterstützen.
Martina Sens,
Pramet

„Gutmenschen“: Worten Taten folgen lassen

Zu den gutmenschlichen Leserbriefen von Alois Schlager und Martina Sens die nackten Zahlen aus einer Anfragebeantwortung des Innenministeriums vom August 2011: Zum Stichtag waren 5963 Personen rechtskräftig verurteilt in österreichischen Strafvollzugsanstalten in Haft; davon waren 3828 Straftäter keine Österreicher und weitere 1099 Österreicher, die die österreichische Staatsbürgerschaft vor kurzer Zeit erhalten hatten (sogenannte Österreicher mit Migrationshintergrund). Lediglich 1036 Häftlinge waren Inländer. Mein Vorschlag: Die beiden Gutmenschen nehmen jeweils einen nigerianischen und einen tschetschenischen Flüchtling bei sich auf und berichten nach 6 Monaten über ihre Erfahrungen. Wir haben seit Herbst 2011 eine finnische Gastschülerin kostenlos bei uns aufgenommen, die im Sommer wieder in ihre Heimat zurückkehren wird. Wenn dann ein Erfolgsbericht der beiden Gutmenschen über ihre aufgenommenen Asylanten vorliegt, werden wir das frei werdende Zimmer einem Asylanten unserer Wahl zur Verfügung stellen. Wenn diesem Beispiel alle Befürworter des Asylantenheims folgen, benötigen wir keine Asylantenghettos mehr. Also, auf ihr Gutmenschen, lässt den Worten Taten folgen!
Hermann Pietsch, Ried i.I.

Menschen gehen mich etwas an

Ich habe auf dem Postweg einen etwas feigen, da anonymen Brief mit folgendem Inhalt bekommen: „Bitte fahren Sie wieder heim nach Schweinfurt. Erklären Sie dort die Vertreibung aus dem Paradies. Man sagt: den neuen Nachbarn muss bewähren erst die Zeit. Manche Menschen wollen immer glänzen, obwohl sie keinen Schimmer haben. Was geht Sie Reichersberg an.“ Dazu möchte ich Folgendes sagen. Wieso haben Sie Angst Ihren Namen zu sagen? Und Sie haben Recht: Reichersberg geht mich nichts an. Aber Menschen gehen mich etwas an.
Martina Sens, Pramet

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