Leserbrief aus Sarleinsbach
Geflüchtete Asylweber durften nicht in Sarleinsbach bleiben
Das Lehrerteam der Mittelschule Sarleinsbach äußert sich in einem Leserbrief zu den Geschehnissen des vergangenen Dezembers. Eine in Sarleinsbach ansässige Asylwerber-Familie wurde weggebracht. Die Pädagogen zeigen sich schockiert.
Am Montag, 4. Dezember 2023, bzw. am Dienstag, 5. Dezember 2023, kam es im Zusammenhang mit einer Schülerin der 3A Klasse an der MS Sarleinsbach zu Ereignissen, die wir im Folgenden schildern möchten: Kurz vor Schulschluss erfuhr unsere Schülerin Y. (Asylwerberin, geflüchtete Kurdin aus dem Irak, gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem siebenjährigen Bruder wohnhaft in einem Raum in der Unterkunft für Asylwerber am Marktplatz in Sarleinsbach) von der unmittelbar bevorstehenden Wegbringung durch die betreuende Hilfsorganisation in ein anderes, gleichwertiges Asylquartier im Raum Oberösterreich.
Diese Nachricht traf sowohl das Mädchen als auch uns LehrerInnen völlig unerwartet und hatte eine panische Reaktion von Y. zur Folge. Anschließend kam der sichtlich erschütterte Vater in die Schule, um seine beiden weinenden Kinder – der Siebenjährige befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Nachmittagsbetreuung für Volksschulkinder – abzuholen. Eine noch anwesende Lehrerin nahm unmittelbar nach diesem Vorfall hilfesuchend Kontakt zu einer ehrenamtlich engagierten Person aus Sarleinsbach, die nach Auskunft bei einem Infoabend zur aktuellen Asylwerber-Situation als Schnittstelle mit der betreuenden Hilfsorganisation aufgetreten war, auf, in der Hoffnung, mehr über die Hintergründe der bevorstehenden Wegbringung zu erfahren. Doch vergeblich. Es gab diesbezüglich keine Auskunft seitens der Hilfsorganisation an die Vertrauensperson.
Wegbringung nicht zu ändern
Am nächsten Morgen kontaktierte eine Kollegin die zuständige Betreuerin der Hilfsorganisation mit der Bitte um Information. Sie erfuhr, dass es mit dem Vater der Kinder in den letzten Monaten Kommunikationsprobleme gegeben hätte, er Regeln in der Unterkunft nicht befolgt hätte und auch Widerspruch geleistet habe. Es haben sich insgesamt vier Vorfälle angehäuft und die geplante Wegbringung sei somit nicht mehr zu ändern.
Vonseiten der Schulen sei hier angemerkt, dass der Vater der Kinder sich in schulischen Belangen stets interessiert und kooperativ gezeigt hat, er hat Elternabende besucht und hat auch beispielsweise bei Krankheit der Kinder immer den Kontakt zu uns gesucht. Bei einem der letzten Besuche erzählte er freudig, dass er demnächst in einem ortsansässigen Betrieb stundenweise arbeiten dürfe und dadurch die Erfüllung seines Wunsches nach einer kleinen Wohnung für seine Familie etwas näherrückt.
Integrationsprozesse zunichtegemacht
Am Dienstag um etwa 10.30 Uhr war es dann so weit. Mitarbeiter der Hilfsorganisation kamen und holten während der Unterrichtszeit die beiden Kinder Y. und R. aus Volks- und Mittelschule ab, um sie mit ihren Eltern in ihre neue Unterkunft zu bringen. Y. hatte sich im Laufe des Vormittages noch verzweifelt mit der Bitte um Hilfe an uns LehrerInnen gewandt. Leider konnten wir nichts für sie tun. Wir blieben fassungslos und in großer Sorge um diese beiden, von ihrer Flucht schwer traumatisierten, Kinder zurück. Gerade in den vergangenen Tagen und Wochen gewannen wir den Eindruck, dass die beiden Stück für Stück Vertrauen fassten, Freunde fanden und durch die Unterstützung ihrer MitschülerInnen und LehrerInnen wieder Mut fassten und so das Schicksal, das Flüchtlingskinder zu tragen haben, mit viel Kraft bewältigten.
Besonders der Jüngere hielt sich in seiner Freizeit liebend gerne bei Gleichaltrigen auf Spielplätzen in Sarleinsbach auf. Das Herausreißen der beiden Kinder aus dieser neuen Umgebung, die ihre neue Heimat war, ist für sie eine Katastrophe, die sie wieder an die Anfänge ihrer Integration zurückwirft und die mühsamen Integrationsprozesse, die es zumindest seitens der Schule gegeben hat, mit einem Schlag zunichtemacht.
Musste das sein?
Wir fragen uns: Warum wurden die Probleme, die es offenbar mit dem Vater gab, nicht von Beginn an zwischen Betreuern der Hilfsorganisation und der ehrenamtlichen Schnittstelle in Sarleinsbach kommuniziert? Hätte man durch rechtzeitiges Einschreiten einer weiteren Person diese, nicht zuletzt zum Wohle der völlig unschuldigen Kinder, vielleicht gemeinsam lösen können? Warum wurden die Schulen nicht von der bevorstehenden Abholung der Kinder informiert? Wir hätten uns im Übrigen auch gerne zur funktionierenden Kommunikation zwischen Vater und Schule und dessen Kooperationsbereitschaft geäußert.
Und nun noch eine allerletzte, entscheidende Frage: War in diesem Fall tatsächlich Betreuung im Sinne von Menschlichkeit und Integration das Ziel? Wir wünschen der Familie in ihrer neuen Heimat im südlichen Oberösterreich, 100 Kilometer von Sarleinsbach entfernt, alles Gute und viele hilfsbereite und wohlwollende Menschen, die sich um sie sorgen. Besonders viel Mut und Kraft wünschen wir den beiden Kindern, die viele von uns in kurzer Zeit doch sehr liebgewonnen haben, und die nun ein weiteres (vermeidbares) Mal ganz von Neuem beginnen müssen.
Von dem Lehrerteam der Mittelschule Sarleinsbach
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