Meine Zukunft in Österreich
Geflüchtete Schülerinnen geben Einblick in ihr Leben

Fereshteh und Khadra (v. l.) schlossen die Fachschule für wirtschaftliche Berufe in Rohrbach ab. | Foto: Fotos: Simone Jeitler
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  • Fereshteh und Khadra (v. l.) schlossen die Fachschule für wirtschaftliche Berufe in Rohrbach ab.
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In der Porträtreihe „Meine Zukunft in Österreich“ holt SOS Mitmensch junge Frauen, die nach Österreich flüchten mussten, vor den Vorhang. Ihre Geschichten geben Einblick in die Herausforderungen, die sie meistern müssen und verraten, was ihnen beim Ankommen geholfen hat. Damit sollen Perspektiven geflüchteter Mädchen und junger Frauen öffentlich gemacht werden. Alle Porträts sind auf www.sosmitmensch.at abrufbar.

BEZIRK ROHRBACH. Einen Einblick in ihr Leben geben nun auch Fereshteh und Khadra. Beide haben im Juli die BBS Rohrbach Fachschule für wirtschaftliche Berufe – Dienstleistungsmanagement, abgeschlossen.

„Ich will meine Angst in Mut verwandeln“

Vor 30 Jahren zwang der Krieg Fereshtehs Eltern zur Flucht aus Afghanistan in den Iran. Jahre später musste die Familie erneut flüchten und kam 2015 nach Österreich. Zum langersehnten Ankommen fehlt Fereshteh, die heute 20 Jahre alt ist, der positive Asylbescheid. „Das Wort Ankommen erinnert mich an das, was ich alles erlebt habe, und auch an das, was ich niemals wieder erleben will. Ich kam am 17. Mai 2015 mit meiner Mutter in Österreich an. Ich weiß genau, was das für ein Tag war, denn er war für mich wichtig und traurig zugleich. Traurig, weil ich einen Tag und eine Nacht lang ins Gefängnis musste, obwohl ich erst 14 Jahre alt war." Fereshteh dachte an ihren Bruder und die Oma, die mit ihnen aus dem Iran aufgebrochen sind, aber in Bulgarien festgenommen und zurück in die Türkei geschickt worden waren.

Suche nach dem blauen Himmel

In Fereshtehs Familie sagt man, dort, wo man hingeht, wird der Himmel immer wieder blau. Dass soll heißen, dass es überall auch Gutes und Schönes gibt. Daran glaube sie. "Es gibt immer nette Menschen, die einander helfen. Hier in Österreich sowie auch im Iran. Menschen, die verstehen, dass wir Asylsuchenden nichts dafür können, wenn andere Menschen Fehler machen. Die uns unterstützen, weil wir seit fünf Jahren in Österreich leben und noch immer nicht wissen, ob wir bleiben dürfen oder ob wir wieder dort hinkommen, wo alles angefangen hat. Davor habe ich heute Angst."

Stolz eine Frau zu sein

Früher hatte sie auch Angst, weil ich eine Frau bin. Es hat Fereshteh gestört, dass sie weniger Rechte hatte und vieles nicht durfte. "Ich wusste, als Junge bekomme ich einen besseren Job und habe mehr Freiheiten, so wie meine Brüder. Hier in Österreich hat sich das geändert, ich bin jetzt stolz darauf, eine Frau zu sein, und weiß, dass ich hier eine gute Ausbildung machen kann." Hier sind Mädchen und Jungs in der Schule nicht getrennt. Sie können normal miteinander reden, gemeinsam lernen und die gleichen Berufe ausüben. "Am liebsten würde ich später einmal im Krankenhaus, genauer gesagt im OP-Saal, arbeiten. Das fasziniert mich." 
Dafür will sie ihre Angst in Mut verwandeln. Fereshteh möchte mutig sein und darüber sprechen, was sie bewegt. Sie möchte sich als muslimische Frau für die Frauenrechte für Muslimas einsetzen. Die 20-Jährige möchte sich ehrenamtlich engagieren und anderen Menschen helfen. "Und ich möchte noch besser Skifahren lernen, denn ich liebe den Schnee und die wunderschönen Berge. Von ganzem Herzen wünsche ich mir einen positiven Asylbescheid, um in Österreich bleiben zu können. Denn ich weiß, dass ich hier die Möglichkeit habe, meine Ziele und Wünsche zu erreichen.“

„Irgendwohin, wo es Freiheit gibt“

Khadra ist heute 20 Jahre alt und lebt seit 2016 bei ihrer Adoptivfamilie im Mühlviertel. Sie war 14 als sie allein von Somalia in eine ungewisse Zukunft aufgebrochen ist. Zwei Jahre später stand sie am Salzburger Hauptbahnhof mit einer unglaublichen Geschichte im Gepäck. „Ich bin zufällig in Österreich gelandet, denn ich hatte eigentlich überhaupt kein Ziel als ich in Somalia aufgebrochen bin. Dort ging ich in die Koranschule und lernte nie Geographie, also wusste ich auch nicht, was es alles für Länder gibt."
Khadras Mutter hat sie mit 14 Jahren aus Somalia weggeschickt. "Sie wollte, dass ich irgendwohin gehe, wo es auch für Frauen Freiheit gibt, wo ich sicher und selbstbestimmt leben kann." Irgendwohin, wo sie nicht zwangsverheiratet werden würde. "Ich habe zuerst gedacht, sie mag mich nicht mehr. Ich war so jung und habe das damals nicht verstanden. Aber sie wollte ein besseres Leben für mich."

Brutale Erinnerungen

Danach war Khadra über ein Jahr lang auf der Flucht und hat in verschiedenen Flüchtlingscamps jeweils immer für ein paar Monate gelebt, bevor sie weitergezogen ist. "Ich war in Äthiopien, im Sudan, in Libyen und auch in Italien." Die Camps waren alle voll. Am engsten sei es im Lager in Libyen gewesen. "Dort waren auch viele kranke Menschen und es gab viel Gewalt. Es schliefen an die vierzig Leute gemeinsam in einem kleinen Zimmer. Ich habe dann immer draußen geschlafen und gehofft, dass ich so irgendwie überleben werde."
Überhaupt habe sie von meiner Flucht viele brutale Erinnerungen: Von der Überfahrt am Mittelmeer auf einem undichten und überfüllten Schiff über die Schlägereien in den Camps bis hin zu der kleinen Zelle, wo Khadra hingebracht wurde, als sie in Salzburg ankam. "Vieles, was andere nicht nachvollziehen können und was ich niemals vergessen werde. Später muss ich glaube ich einmal ein Buch über meine Geschichte schreiben."

Neue Schwester und Adoptiveltern

Von Salzburg wurde sie nach Traiskirchen gebracht, wo Khadra spätere ihre Adoptivschwester kennenlernte. Schließlich kamen sie zu zweit nach Oberösterreich zu ihren Adoptiveltern. Dieses Jahr schloss sie die berufsbildende Schule in Rohrbach ab. "Nun will ich in Wien die Ausbildung zur Pflegefachassistentin machen. Schon in Somalia habe ich manchmal in einem Krankenhaus mitgearbeitet. Aber einen richtigen Beruf konnte ich nicht erlernen, das können nur die Jungs. Die sind dort etwas Besseres, sie können sich die Frauen aussuchen und alles tun, z.B. Schwimmen gehen, Radfahren, sich mit Freunden treffen. Aber Mädchen sollen nur in der Küche landen. Ich musste weg und bin, zum Glück, irgendwie hier gelandet.“

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