Geschichte erlebt: Der Vorhang fiel

Zu großen Knäueln aufgerollter Stacheldraht. Der Eiserne Vorhang ist Geschichte. | Foto: Foto: Bertlwieser
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  • Zu großen Knäueln aufgerollter Stacheldraht. Der Eiserne Vorhang ist Geschichte.
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BEZIRK ROHRBACH. Am 11. Dezember 1989 eilte der damalige Landeshauptmann Josef Ratzenböck an die Grenze in Wullowitz, um den Eisernen Vorhang symbolisch zu durchschneiden.
Zum 25-jährigen Jubiläum gibt es am Donnerstag, 11. Dezember, 11.30 Uhr, einen Festakt in Leopoldschlag. Landeshauptmann Josef Pühringer und Ex-Landeshauptmann Josef Ratzenböck sowie Vertreter aus Tschechien nehmen daran teil.
Mit der Grenzöffnung wurde auch der Grenzübergang Guglwald (1992 für Radfahrer/Fußgänger und 1993 für Autos) möglich. In den 90er Jahren kam es zur Öffnung des Grenzüberganges St. Oswald (Fußgänger und Radfahrer). Fritz Bertlwieser wollte im März 1990 über Leonfelden/Weigetschlag nach Deutsch-Reichenau fahren, um Fotos für das geplante Heimatbuch „Verlorene Böhmerwaldheimat“ zu machen.

Fotografieren verboten
Am Eisernen Vorhang stoppte er sein Auto, um mit dem Fotoapparat seine Eindrücke festzuhalten. „Ich wurde von einem tschechischen Grenzorgan gestoppt. Er kam auf mich zu, öffnete eine Tür im Stacheldrahtverhau, durchschritt den Eisernen Vorhang und forderte meinen Reisepass“, erzählt Bertlwieser. Er ging zum Auto und holte ihn und ließ dabei gleich seine teure, ausgeborgte Kamera verschwinden. Stattdessen hängte er sich eine billige Pocket-Kamera um. „Plötzlich kam ein Militärfahrzeug vorbei. Es hielt neben mir, zwei Militaristen sprangen herunter, ihre MG‘s in Anschlag gebracht.“ Bertlwieser musste den Männern nach Vissy Brod folgen und wurde dort zwei Stunden festgehalten. „Ich hatte den Eindruck, dass in ihre Köpfe noch nicht ganz vorgedrungen war, dass der Eiserne Vorhang schon gefallen war“, berichtet Bertlwieser. Schließlich erhielt er seinen Reisepass wieder und wurde zum Verschwinden aufgefordert.

Stacheldraht aufgerollt
Etwa eine Woche später kam Bertlwieser erneut in die CSSR, um seinen Angehörigen den Stacheldrahtverhau und ihre ehemalige Heimat zu zeigen. Innerhalb dieser Woche war der gesamte Verhau demontiert worden. „Die Drahtrollen lagen noch neben der Straße, die massiven Holzpflöcke wurden am oberen Ende gestutzt“, erinnert sich Bertlwieser. In der ehemaligen Heimat seiner Eltern war es schwer, sich zu orientieren. „Im Dorf Reitetschlag waren 44 Häuser dem Erdboden gleichgemacht worden. Auf den Schutthalden ihrer Häuser wucherten Brennnesseln und Stauden. Die beste Orientierung, wo das Haus gestanden war, boten zwei Obstbäume“, sagt Bertlwieser. Fritz Bertlwieser bietet heute auf Wunsch (im Frühling bzw. Sommer) Wanderungen von St. Oswald in die ehemalige Gemeinde Deutsch-Reichenau an. Die Termine erfahren Sie zu gegebener Zeit in der BezirksRundschau.

Zur Sache:
ritz Bertlwieser hat diese und andere Geschichten in seinem Buch Böhmerwald-Grenzlandpfarre Deutsch-Reichenau bei Friedberg im 20. Jahrhundert aufgeschrieben.

Haben auch Sie Erlebnisse, die veröffentlicht werden sollen, am Eisernen Vorhang, oder zum Fall des Eisernen Vorhangs dann kontaktieren Sie uns: 07289/4820 oder rohrbach.red@bezirksrundschau.com.

An und mit der Grenze aufgewachsen
Bezirkshauptfrau Wilbirg Mitterlehner über den Eisernen Vorhang.

Wie haben Sie den Eisernen Vorhang erlebt?
Mitterlehner: An der Grenze hat damals die Welt aufgehört, alle Gemeinden hinter dem Eisernen Vorhang waren Hinterland. Es gab eine große Ungewissheit darüber, was hinter der Grenze passiert. Natürlich wirkte das auf uns bedrohlich und wir hatten großen Respekt.

Wie war es, als der Vorhang gefallen ist?
Anfangs war es unglaublich. Wir Kinder konnten uns nicht vorstellen, dass es diese Grenze einmal nicht mehr gibt. Wir waren neugierig, wie es dort drüben ausschaut. Ich wollte sehen, wie der Bezirk von drüben ausschaut und habe die Plätze dort erkundet.

Was hat sich verändert?
Ich denke, der Bezirk hat durch die Grenzöffnung stark profitiert. Er ist in die Mitte gerückt. Gerade im Tourismus: Hotels sind enstanden, zu uns kommen viele Arbeiter aus Tschechien, die wir brauchen. Die Grenzübergänge im Bezirk verkürzen die Wege zu unseren Nachbarn.

Thema Sicherheit: Ist das Mühlviertel durch die Grenzöffnung unsicherer geworden?
Das Mühlviertel ist das sicherste Viertel. Trotz der Grenznähe passiert hier wenig. Im Bezirk wird im Schnitt einmal pro Monat eingebrochen. Dass sich die Rohrbacherinnen und Rohrbacher sicher fühlen, zeigt auch unsere Sicherheitsbefragung.

Wie funktionieren die Beziehungen zu tschechischen Behörden?
Wir haben eine gute Zusammenarbeit. Eine Schwierigkeit ist sicher die Sprache. Es laufen aber viele Projekte mit der Euregio, den Schulen, dem SHV.

Was gefällt Ihnen persönlich am meisten in Tschechien?
Krumau und Budweis zum Beispiel. Es ist eine schöne Gegend dort, die man sicherlich privat noch mehr nutzen sollte.

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