Leserbrief
Golfplätze vs. Klassenzimmer

Stephan Waltl ist Präsident des Golfclubs Böhmerwald. | Foto: Foto: Böhmerwaldpark/Waltl
  • Stephan Waltl ist Präsident des Golfclubs Böhmerwald.
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Stephan Waltl, Präsident des Golfclubs Böhmerwald, hat einen Leserbrief verfasst:

Politik sollte am Sportplatz generell nichts verloren haben, auch nicht am Golfplatz. Daran halten sich 99,9 Prozent der Golfer. Wenn es rund um Golf politisch wird, dann wird das meist von außen in die Golfszene hineingetragen. In Zeiten von Covid-19 ist jedoch vieles anders und nachdem Vizekanzler und Sportminister Kogler am 15. April unter anderem die Wiedereröffnung Golfplätze in Österreich ab 1. Mai angekündigt hat, wird von einige Leuten versucht, diesen Umstand zu nutzen und als einen politischen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Das Argument lautet: Wie kann man nur so dreist sein und Golfplätze öffnen und Schulen weiterhin geschlossen halten. Davon einmal abgesehen, dass die österreichische Bundesregierung nicht nur das Betreten von Golfplätzen, sondern auch die Öffnung der Anlagen für Tennis, Leichtathletik oder Bogenschiessen explizit ab Mai erlaubt, darf Golf, als der angebliche Sport der Reichen und Privilegierten, in der entfachten Diskussion als „böser Bube“ herhalten.

COVID-19 hat uns innerhalb weniger Tage und trotz aller Unterschiede in unserer Gesellschaft, sprichwörtlich in ein und das selbe Boot gesetzt. Wir wurden eingesperrt, halten Abstand, warten im Standby beim AMS oder in Kurzarbeit, videotelefonieren im Homeoffice, bangen als KMU um Unterstützung und tragen Mundschutz. Die Wirtschaft wurde eingefroren und unser hochkomplexes System wurde innerhalb weniger Tage auf Notbetrieb heruntergefahren. Zu guter letzt tickte das gemeinschaftliche Herz nur mehr in den Krankenhäusern, den Lebensmittelgeschäften und anderen wenigen systemrelevanten Betrieben. Doch das Österreich-Boot hat nach anfänglicher Euphorie schnell gezeigt, dass hier kein nationaler Schulterschluss entsteht und bald nach dem LockDown wurde das Trennende wieder vor das Gemeinsame gestellt. Gegenstimmen wurden laut, Kritik an den Maßnahmen und die ersten versuchen aus der Krise politisches Kapital zu schlagen.

Einem findigen Politiker, ausgestattet mit natürlichem Machtanspruch, kommen geöffnete Golfplätze und zugleich geschlossene Schulen nur recht und man kommuniziert, dass der Regierung Golf wichtiger als Kinder, Familien und Bildung wäre. Diese populistische Finte ist so leicht zu durchschauen, wie ein frisch geputztes Fenster eines Klassenzimmers. Man möchte „die da oben“ mit „uns da unten“ vergleichen. Die Crux an der Sache, dass Golf im Jahr 2020 nicht mehr viel mit „die da oben“ zu tun hat. Am Beispiel der Mitglieder im Golfclub Böhmerwald zeigt sich, dass hier kein elitärer Zirkel Champagner-trinkend und Zigarren-rauchend im abgesperrten Schlosspark unterwegs ist, sondern Golf im Böhmerwald ist ein Abbild unserer Gesellschaft. Golf im Böhmerwald ist bodenständig! Es gibt den golfenden Abteilungsleiter, die golfende Kellnerin, die Krankenschwester, den Bankangestellten, die Unternehmerin, die Hausfrau, den Landwirt, die Friseurin und den Polizisten. Es gibt Golfer mit 10 und es gibt sie noch immer mit 85. Es gibt sie sportlich und es gibt sie gemütlich. Und dennoch kann man sie nicht auseinanderdividieren. Denn in der Krisenzeit hält man zusammen, man unterstützt sich, hilft am Platz und oftmals reichen ein paar positive Worte, die Zuversicht geben.

Sport im Allgemeinen und Golf im Besonderen setzt uns Menschen gleich – es eint uns. Wir lieben unser Hobby und freuen uns, es mit Gleichgesinnten zu teilen und uns darin auch zu messen. Dazu ist die mehrstündige Bewegung an der frischen Luft nachweislich gesundheitsfördernd.

Viele Golfer in Österreich sind 60+ und haben wie die meisten von uns die letzten Wochen brav zu Hause ausgehalten. Man hat auf familiäre Besuche verzichtet, auf Feierlichkeiten, auf die Enkerl und auf Ausflüge mit Freunden. Für viele ältere Menschen ist Golf das letzte Hobby im Leben und oftmals auch deren einziger sozialer Kontakt außer zur eigenen Familie. Wenn man Golfplätze am 1.Mai (mit all den definierten Abstandsregeln und Einschränkungen) öffnet, dann gibt man vielen Menschen nach mühseligen Wochen wieder ein kleines Stück Freiheit zurück, ohne permanent an die Gefahren des Virus denken zu müssen.

Es ist soviel leichter die Abstandsregeln auf einem Golfplatz einzuhalten, als in einer Schule oder gar einem Kindergarten. 70 ha offene Wiese vs. 25 qm Klassenzimmer. Jedem muss klar sein, dass Kinder (besonders im Volksschulalter) nach vermutlich 15 Minuten vergessen Abstand zu halten. Wenn man dann noch die Tatsache miteinbezieht, dass Klassenzimmer nicht auf wundersame Weise größer werden können, um Kinder nicht nebeneinander sitzen zu lassen, dann ist es wohl logisch, dass die Übertragung von SARS CoV 2 hier wohl am schnellsten passieren würde und dass diese Maßnahme wohl eine der letzten sein wird, die gelockert werden kann.

Es geht nicht um Golf gegen Klassenzimmer, es geht drum, dass unsere Gesellschaft gesund bleibt. Es ist an der Zeit, dass jeder von uns - ob jung, ob alt - ein klein wenig Freiheit zurückbekommen sollte. Wenn es beim Bogenschiessen, beim Tennis oder eben beim Golf basiert, dann ist das in Ordnung!

Von Stephan Waltl
Präsident des Golfclubs Böhmerwald

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