Rehkitze retten, bevor das Mähwerk kommt

Arnold und Herta Laher suchen jedes Jahr viele Hektar Wiesenfläche nach Rehkitzen ab.
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ULRICHSBERG. 5 Uhr Früh. Draußen dämmert es bereits. Nichts wie ab in die wasserdichte Hose, rein in die Gummistiefel. Der Wetterbericht hat Schönwetter angekündigt. Die Bauern in der Umgebung werden zum Silieren ausrücken. Vorher gibt es aber für die Wildretter noch jede Menge Arbeit. Jagdpächter Arnold Laher und seine Frau Herta machen sich auf den Weg durchs lange Gras, um die Rehkitze vor in Sicherheit zu bringen (siehe Ende des Textes). Sie sind froh, wenn man ihnen dabei hilft, denn das Revier ist 400 Hektar groß. Es ist nicht der erste Suchtag. „Diese Woche wird es stressig“, sagt Laher.

Gutes Auskommen mit Bauern

„Ich bin froh, dass sich die Bauern rechtzeitig bei uns melden, bevor sie mit dem Mähen beginnen“, sagt er. Sein Einsatz hat sich in den letzten beiden Jahren ausgezahlt: „2015 und 2016 haben wir jeweils 20 Rehkitze gerettet“, bilanziert der begeisterte Jäger. „Daher hoffen wir auch heuer wieder, so viele wie möglich zu finden“, sagt Laher. Aber das ist gar nicht so leicht. Das Gras ist hoch, es gilt möglichst eng zu gehen. Ruhig muss man sein. Man spürt, wie rundherum die Natur erwacht, hört die Vögel zwitschern. Es hat etwas Meditatives, das Kitzsuchen.

Fehlalarm – ein "Scherhaufen"

„Da liegt eines!“ – nein doch nicht, falscher Alarm. Es war nur ein „Scherhaufen“ mit einigen Büscheln Löwenzahnsamen drauf – das einem Kitz zum Verwechseln ähnelt. „Da sind viele Lager, auch kleine“, meldet Herta. Diese Stellen im hohen Gras lassen darauf schließen, dass hier die Rehgeiß und ein paar Meter weiter ein Kitz gelegen hat. Und plötzlich entdeckt der Suchtrupp ein Kitz. „Psst!“ heißt es sofort, „leise!“. Der Ausgeher holt vom in der Nähe abgestellten Jeep eine Kiste. Sorgsam wird das kleine Kitz – es dürfte erst ein paar Tage alt sein – in die Kiste verfrachtet. Als es aufwacht, schreit es laut auf. Damit es die Mutter später nicht abstößt, wird das junge Reh nicht mit bloßen Händen angefasst – Grasbüschel schützen davor. In die Kiste gesteckt, wird das Reh für einige Stunden am Waldrand „geparkt“. So lange, bis die Wiese abgemäht ist. Dann wird es wieder frei gelassen. Durch das Rufen lockt es die Mutter später wieder zu sich. Vermutlich verfolgt diese das Geschehen in der Wiese irgendwo vom Waldrand aus.

Ein weiteres Tier?

Rehe haben meistens zwei Kitze. Um den Nachwuchs vor Raubwild zu schützen, liegt dieser nicht unmittelbar nebeneinander in der Wiese. „Hier ist aber ganz in der Nähe bestimmt noch wo eines“, vermutet Arnold Laher, als die Suche fortgesetzt wird. Am Abend zuvor hat er eine Runde durchs Revier gemacht und beobachtet, wo genau die Geißen stehen. So weiß er ungefähr, in welcher Wiese sie ihre Jungtiere scheinbar sicher versteckt halten.

Tierkadaver im Heu gefährlich

Die Landwirte in Lahers Jagdgebiet sind froh über sein Engagement. Tierkadaver im Futter können nämlich für Rinder tödlich enden. Trotz seines Einsatzes muss sich Arnold Laher auch Kritik gefallen lassen. Er würde die Kitze nur suchen, um sie später eh wieder zu erschießen. „Sicher freut es mich, wenn es viele Rehe in der Natur gibt.“ Die Jagd betreibe er aber nicht nur der Schießerei wegen. „Mir tun die Kitze leid, sie haben bei diesen Maschinen heutzutage keine Chance mehr, wenn wir sie nicht vorher austragen“, sagt der Jagdpächter.

Drei Fragen zum Thema "Kitzsuche"

an Wildbiologen Christopher Böck, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Oberösterreich:

  • Was sagen Sie zur Kitz-Suchaktion: Ist das heutzutage unabdingbar?

    Ja, sogar noch dringlicher als vor 15 bis 20 Jahren, da die Mähmaschinen ungleich schneller fahren und breiter sind.
    Gleichzeitig muss man sagen, dass im Herbst aber auch der Abschuss dementsprechend höher sein muss, damit das Gleichgewicht in der Wald-Wild-Frage bestehen bleibt. Jäger retten aber die Tiere nicht, damit sie mehr schießen können, sondern, um Tierleid zu minimieren! Außerdem muss die Tötung von Tieren immer einen Sinn haben; Wildbretgewinnung und selektive Erlegungen im Rahmen einer nachhaltigen Jagd sind Beispiele für einen sinnvollen und tierschutzgerechten Tod.

  • Ist die Vorgehensweise mit dem Einsperren in die Kiste in Ordnung? Wie sollte man die Tiere sonst davor bewahren, wieder in die Wiese zurück zu gehen, bevor sie gemäht wurde?

    Das Einsperren in dunkle Kisten für wenige Stunden ist die einzige Möglichkeit, die Kitze ruhig zu halten und gleichzeitig wenig zu belasten. Tierschutz ist wichtig - sollten jedoch manche Leute glauben, dass die Tiere in den Kisten leiden, sollen diese lieber in der Praxis mithelfen und nicht wieder "das Kind mit dem Bade ausschütten".

  • Stimmt es, dass Rehkitzen der Fluchtinstinkt fehlt? Wie alt müssen die Tiere sein, damit sie flüchten und sich nicht mehr in der Wiese ducken?

    Ja, das stimmt. Gleichzeitig haben sie sehr wenig Eigengeruch. Dieser Instinkt, gepaart mit einem "Tarnanzug" (Flecken), dient der Feindvermeidung. Mit etwa zwei bis drei Wochen geht dieser Instinkt verloren und die Kitze flüchten bei Gefahr. Hier helfen dann die Wildrettersirenen auf den Mähwerken, damit die Kitze nicht erst bei sehr nahen Distanzen flüchten und von den schnell fahrenden Traktoren erst recht erfasst werden.

  • Welche Suchmethoden für Rehkitze gibt es noch? Wie funktionieren sie?

    Es gibt Möglichkeiten der Vertreibung der Geiß samt Kitze in der Nacht vor der Mahd mit Plastiksäcken, Blinkleuchten, Geräusch- und Duftquellen, die am Vorabend aufgestellt werden und etwas bringen können.
    Die verschiedenen Suchmethoden kurz vor dem Mähzeitpunkt sind aber auch nicht 100 Prozent wirksam, doch je mehr Verfahren die Jäger anwenden, desto mehr Kitze werden vor den Mähmaschinen gerettet. Suchmethoden können sein: Mit Jagdhunden, mit Infrarotsuchgeräten, mittels Menschenkette, mit Quadrocoptern (Drohnen) etc. Ebenso Wildwarnsirenen am Mähwerk werden verwendet, um jene Kitze, die bereits flüchten können, aber auch Junghasen und andere Wildtiere zu retten. Diese laufen vor dem Mähwerk in die nächste Deckung (Versteck) davon. Eine Kombination mit der Mähmethode – von innen nach außen – ist dabei ideal.
    Letztlich hilft es ja auch dem Landwirt, wenn Leichenteile und somit Bakterien (Botulismus!) erst gar nicht ins Viehfutter gelangen.

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Foto: Cityfoto
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