Bloß faul oder schon krankhaft?
Prokrastination als Zeitfresser
Laut Studien leiden 7 bis 15 Prozent der Bevölkerung so stark an Prokrastination, dass ihr Alltag dadurch enorm beeinflusst wird. "Aufschieberitis" wird das Verhalten manchmal genannt. Doch ist Prokrastination tatsächlich nur eine harmlose Charakterschwäche? Oder gar eine pathologische Störung?
von Laura Bliem
SALZBURG. Der Begriff "prokrastinieren" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „vertagen“ oder „auf morgen verschieben“. Sobald man wichtige Dinge zu erledigen hat oder eine Deadline für eine große Aufgabe näher rückt, verfallen viele Menschen in ein solches Verhaltensmuster. Unter Prokrastination leiden besonders Schüler:innen und Studierende. Hinzu kommt ein nicht gerade hilfreicher Hang zur Perfektion, denn die meisten Menschen fangen mit ihren Erledigungen oft gar nicht erst an, aus Angst davor, dass sie scheitern könnten. Hier gilt: „Nicht, weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.“ (Lucius Annaeus Seneca)
Pathologische Züge
Im schlimmsten Fall steckt eine pathologische Angststörung als Ursache dahinter, die sogenannte notorische Prokrastination. Sie ist eine ernstzunehmende Krankheit, die unbedingt medizinisch behandelt werden sollte. Betroffene beginnen, alles aufzuschieben - selbst Kleinigkeiten wie Essen, Blumengießen oder das Ausräumen der Spülmaschine.
Grundsätzlich ist es im Gehirn der Menschen verankert, immer den bequemeren Weg zu wählen. Angenommen, es steht die Deadline einer wichtige Arbeit an, für die man eine Woche lang Zeit gehabt hätte. Dennoch beginnt man mit deren Erledigung erst spätabends am Tag vor der Abgabe: Durch das Aufschieben erspart man sich anfangs nur scheinbar Energie. Man lehnt sich entspannt zurück, doch hier trügt der Schein. Je länger man die Dinge auf später vertagt, desto stärker wird das schlechte Gewissen, denn insgeheim weiß man ja, dass etwas erledigt werden muss. Im Nachhinein, wenn man sich dann an die Aufgabe setzt, folgt oft ein Gefühl der Überforderung und Wertlosigkeit. Dieses Phänomen wird auch als Depleton-Effekt (Erschöpfungseffekt) bezeichnet.
Allerdings spielen auch die sozialen Medien beim Thema „Prokrastination“ eine wichtige Rolle, da sie es noch verführerischer machen, die wichtigen Aufgaben beiseitezuschieben. Noch schnell drei Instagram-Reels schauen, bevor man wieder an die Arbeit geht, noch rasch ein YouTube-Video ansehen, noch einmal kurz Snapchat checken. Auf diese Weise verstreicht die Zeit. Minuten, Stunden, Tage vergehen ungenutzt.
Jetzt stellt sich die Frage: Was kann man tun, um diesen Kreislauf zu durchbrechen?
Ursachenforschung und Lösungsansätze
Wichtig ist zu wissen, dass man ein solches Problem nicht von heute auf morgen lösen kann. Am besten widmet man sich den Ursachen der eigenen Prokrastination. Liegt es am eigenen Perfektionismus? An einem Motivationstief? Oder an Schwierigkeiten im Privatleben? Wer die Gründe für sein Prokrastinieren erkennt, kann aktiv an sich selbst arbeiten. Selbstreflektion ist hier das A & O. Auch sich selbst nicht unter Druck zu setzen bei der Lösung dieses Problems ist sehr wichtig, das würde nämlich die Thematik mit dem Aufschieben noch verstärken.
Mit Struktur auf das Ziel hinzuarbeiten spart nicht nur Zeit bei der Ausarbeitung, sondern nimmt auch die Angst vor dem Umfang der Aufgabe. Es empfiehlt sich hier daher, Erledigungen Schritt für Schritt abzuarbeiten.
Außerdem kann sozialer Rückhalt helfen: Wer Zuspruch aus seinem Umfeld erhält, kann sein Vertrauen in sich selbst stärken.
Auch der eigene Biorhythmus sollte berücksichtigt werden: Nicht jeder kann zur gleichen Tageszeit effizient arbeiten. Produktive Hochphasen sollte man daher zum Arbeiten nutzen, um sich dann später die wohlverdiente Pause zu gönnen.
Wie Cicero einst sagte: „Es sind die erledigten Arbeiten, die angenehm sind.“
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