"Wer soll es ihnen sonst erzählen?"

Marko Feingold erzählt Schülerinnen und Schülern der HTL Salzburg über seinen Lebenslauf, den Alltag im KZ und die Methoden der Nazis.
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  • hochgeladen von Stefanie Schenker

Seine Zuhörer kennen den gestreiften Stoff nur aus Filmen oder von alten Bildern. Marko Feingold hält ein Blatt Papier in die Höhe, darauf ist die Kleidung eines KZ-Häftlings aufgezeichnet. Die Schülerinnen und Schüler der HTL sind zu Besuch in der Salzburger Synagoge. "1941 gab es nicht mehr genug Stoff, um diese Kleidung zu machen", erzählt Marko Feingold. Ab dann seien Busse bei Heilanstalten vorgefahren. "Diese Busse hatten innen schwarz lackierte Scheiben, damit man sie nicht zerkratzen konnte." Dann wurden Schwerstbehinderte eingeladen und zum nächsten Krematorium gebracht. "Lebende konnte man natürlich nicht verbrennen, aber diese Menschen waren nicht mehr am Leben, als sie angekommen sind. Denn die Abgase des Busses wurden davor ins Innere geleitet. Und wir haben dann deren Kleidung bekommen." Es herrscht Stille. Die Schüler hören zu.

Marko Feingold wurde im Mai 102 Jahre alt und steht mindes- tens fünf Mal in der Woche vor einer Schulklasse, um den Jugendlichen zu erzählen, wie es war, in der Nazi-Zeit, im KZ. "Wenn ich zwei Stunden stehe und erzähle, spüre ich keine Müdigkeit, aber danach schon", erzählt er danach. Schön langsam wird es ihm zuviel. "Weil es immer weniger Zeitzeugen gibt, haben die wenigen, die übrig sind, natürlich noch mehr zu tun." Dass er ein so hohes Alter erreicht hat, liege jedenfalls nicht an den Ratschlägen von Ärzten. "Wenn ich alles gemacht hätte, was die mir gesagt haben, dann wäre ich schon vor 50 Jahren gestorben."

Jedes KZ habe Personal gebraucht, und das sei in Gefängnissen rekrutiert worden. "Diebe, Einbrecher, die schon fünf Jahre abgesessen hatten, wurden dafür auserwählt", erzählt Marko Feingold weiter. Und er erzählt, wie ihm einer dieser Männer kurz nach seiner Ankunft im KZ sein ganzes Geld gestohlen hatte. "Du wirst es nicht mehr brauchen, du überlebst nicht länger als drei Monate", hatte ihm der Dieb gesagt.

Ob ihm der Glaube geholfen habe, die Zeit im KZ zu überleben, will eine Schülerin wissen. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich einmal gebetet hätte, als ich in sechs Jahren in verschiedenen KZ war", sagt Marko Feingold. Überhaupt vertrage sich Religiosität nicht mit seiner Aufgabe als Leiter der Israelitischen Kultusgemeinde und als einer, der nicht müde wird, gegen das Vergessen anzugehen. "Streng genommen dürfte ich an Freitagen und Samstagen nur schlafen, gut essen und beten. Ich dürfte also nicht einmal ans Telefon gehen."

Dass Marko Feingold, der im slowakischen Teil von Österreich-Ungarn geboren wurde und in Wien aufgewachsen ist, nach Salzburg kam, war übrigens ein Zufall. Nach der Befreiung aus dem KZ am 11. April 1945 sei er gemeinsam mit anderen Überlebenden in US-Fahrzeugen nach Wien gebracht worden. "An der Enns war die Grenze zur russischen Besatzungszone und von Wien aus hat es den Befehl gegeben, hier niemanden durchzulassen. Die Amerikaner sagten darauf hin sie würden uns zurück nach Buchenwald bringen. Und auf der Strecke ist der Herr Feingold dann in Salzburg ausgestiegen."

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