Trans*Identitäten / Psychologie
Geschlechtsangleichende Hormonbehandlung
Ich erlebe in der psychotherapeutischen Begleitung und Beratung immer wieder, dass Trans* (transidente, transgender, transsexuelle, agender, genderfluide, nicht binäre) Menschen sich unsicher sind, ob und wann sie mit hormonellen Maßnahmen zur Angleichung an ihr Wunschgeschlecht starten sollen. Diese Unsicherheit und das Benennen der Ängste stellt eine hohe kognitive und emotionale Reife dar.
Wenn Sie mit der Hormontherapie starten und sich unsicher sind oder Angst haben, dann ist ein psychologisches Monitoring extrem wichtig. Etwa ein bis zwei Prozent aller Trans*Menschen bereut es nämlich, hormonelle (oder chirurgische) Maßnahmen gemacht zu haben.
Werden Menschen schlecht über die Nebenwirkungen und Auswirkungen der Hormontherapie aufgeklärt, die ja immerhin einen gravierenden Eingriff in den menschlichen Körper bedeutet, so steigt das Risiko, dass Trans*Personen später ihren Entschluss zur Hormontherapie bedauern oder unzufrieden mit den Ergebnissen der Hormontherapie sind. Vor allem nicht-binäre oder genderfluide Personen möchten nicht immer alle Maßnahmen machen lassen. Mitunter werden sie aber von Fachleuten (Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, dem Gesundheitssystem etc.) oder von der Trans*Community noch immer zu hormonellen und chirurgischen Maßnahmen gedrängt. Auch bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen ist ein psychologisches Monitoring während der Hormontherapie oft zu empfehlen.
Ich selber schreibe dann, nach Absprache und Einverständnis mit meinen Klient*innen, folgende Empfehlung in meinen Befundbericht:
„Die Person xy äußert Sorgen, dass die hormonellen Behandlungen zu Veränderungen führen (etwa …), welche sie bereuen könnte und welche sie zum Abbruch der Hormontherapie veranlassen könnte. Daher empfehle ich nach Absprache mit xy, dass eine Hormontherapie nur unter der Auflage eines psychologischen Monitorings stattfinden sollte, d.h. mit begleitender Psychotherapie oder psychologischer Beratung in den ersten zwölf Monaten der hormonellen Behandlung. Die Psychotherapie kann wahlweise über eine Beratungsstelle (etwa über die Beratungsstelle Courage), oder bei Psychotherapeut*innen nach freier Wahl stattfinden.“
Diesen Befundbericht leite ich dann an fallführende Kolleg*innen weiter (in der Regel Psychiater*innen), die das psychiatrische Gutachten für die Krankenkassen zur Kostenübernahme erstellen und, wenn möglich, auch gleich für die Freigabe zur Hormonbehandlung.
Wichtig ist mir hier der Informed Consent mit den Klient*innen. Es ist problematisch genug, dass Psychotherapie für trans*idente Menschen verpflichtend ist, obwohl Trans*Identitäten keine psychische Erkrankungen darstellen. Insofern ist es umso wichtiger, dass sich Psychotherapie in den Dienst der Klient*innen stellt und alle Ängste und Sorgen hier Raum haben dürfen.
Manche Trans*Menschen haben diese Ängste vor Fehlentscheidungen gar nicht und sind sich der Behandlungsschritte ganz sicher. Diese Personen benötigen dann kein psychologisches Monitoring während der Hormonbehandlung, und für mich würde es sich dann als Psychotherapeut übergriffig anfühlen, eine verpflichtende Psychotherapie zu verlangen. Manche Menschen wiederum haben sehr große Ängste und sind zutiefst erleichtert, wenn sie während der Hormonbehandlung ein psychologisches Monitoring in Anspruch nehmen können.
Wichtig ist an dieser Stelle ein individuelles und streng phänomenologisches Vorgehen. Was für die eine Person passt, kann für die andere ganz falsch sein, und jeder Mensch braucht etwas anderes. Insofern müssen Psychotherapeut*innen für jeden Menschen eine individuelle Form der Begleitung, Beratung oder Psychotherapie finden.
Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision
(Logotherapie und Existenzanalyse)
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