Psychologie / Psychotherapie
Bindungstrauma / Entwicklungstrauma

Was ist ein Beziehungstrauma oder Bindungstrauma?

Die meisten Traumatherapien behandeln die Symptome von Schocktraumen, die etwa nach Unfällen, Naturkatastrophen, Kiegserfahrungen, Folter, Vergewaltigungen und körperlicher Gewalt auftreten.

Doch viel mehr Menschen, nämlich eine Mehrheit der Gesamtbevölkerung, leiden unter Traumafolgesymptomen nach Bindungs- und Entwicklungstraumen. Diese Traumen finden oft schon in der präverbalen Phase unseres Lebens statt und wir haben keinerlei Erinnerungen daran. Ich selbst habe mich auf Entwicklungs- und Beziehungstraumen spezialisiert.

Bindungs- und Entwicklungstraumen sind wesentliche Ursachen für Schwierigkeiten in Partnerschaften und Liebesbeziehungen, für sexuelle Funktionsstörungen, Bindungsängste, psychosomatische Erkrankungen, Angststörungen, Depressionen, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen und viele andere Traumafolgesymptome.

Bindungs- und Entwicklungstraumatisierungen gehen tief in unsere Psyche hinein und verändern unsere Persönlichkeit nachhaltig. Wir werden in unserem Bindungsverhalten traumatisiert und entwickeln ungesunde Bindungsstile.

Bei Entwicklungstraumen und Bindungstraumen handelt es sich um eine Unterart der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung. Diese Traumafolgestörungen bilden sich aufgrund chronischer psychischer, emotionaler, aber auch körperlicher und sexueller Gewalt in den ersten Lebensjahren aus. Aber auch emotionaler Missbrauch, Abwesenheit der Eltern, psychische Erkrankungen eines Elternteils oder einer nahen Bezugsperson, Parentifizierung, Hospitalisierung, Vernachlässigung und Isolation können Ursachen sein.

Nicht immer sind die Gründe klar auszumachen. Körperliche und sexuelle Gewalterfahrungen sind häufig nicht in der Lebensgeschichte vorhanden.

In der Regel sind die Ursachen eher subtil, etwa dann, wenn wesentliche Grundbedürfnisse von Babys und Kleinkindern nach Nähe, Autonomie und Regulation von Emotionen nicht ausreichend erfüllt wurden.

Das innere Erleben von bindungstraumatisierten Personen ist charakterisiert durch Gefühle

  • der Bedrohung,
  • der Ohnmacht und des Ausgeliefertsein,
  • der Einsamkeit und Überforderung;

Die Betroffenen sind übererregt, extrem angespannt und zugleich völlig erstarrt. Der gesamte Körper ist verhärtet und verspannt. Traumatisierte Menschen leiden zudem oft unter Konzentrationsstörungen.
Als geschlagene und missbrauchte Kinder prügeln und quälen sie während ihrer Kindheit oft Schwächere und Tiere.

Erklärvideo von Dami Charf: "Entwicklungstrauma: Was ist das und was ist wichtig für die therapeutische Begleitung? "

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In diesem EBook fasst die Autorin zusammen, auf was es in der körper- und bindungsorientierten Traumatherapie ankommt und über welche Eigenschaften ein moderner Traumatherapeut verfügen sollte, der mit seinen Klient*innen an deren Entwicklungstraumen arbeitet. Dami Charf ist Begründerin der Somatisch Emotionalen Integration (SEI®)

Traumatherapie bei Entwicklungstraumen und Selbstregulation

Nur an den Symptomen anzusetzen ist einer Traumatherapie nicht nachhaltig und zielführend.

Das Um und Auf jeder Traumatherapie von Bindungs- und Entwicklungstraumen ist das Üben, Üben und Üben von Selbstregulation. Dies erfordert Zeit und Dranbleiben, als ob wir ein neues Musikinstrument oder Handwerk erlernten.

Selbstregulation schließt ein ressourcenorientiertes, nicht-regressives Vorgehen mit ein. Es hilft Patient*innen und Klient*innen mit sich selbst gut in Beziehung zu bleiben, ohne sich durch parafunktionale Coping-Mechanismen vom authentischen Fühlen und Spüren abschneiden zu müssen.

Für das Regulieren unserer Impulse, Emotionen und Bedürfnisse benötigen wir immer Zeit, Raum und Halt. Auch die Außenperspektive durch Freundinnen oder einen Psychotherapeuten und ein distanziertes Beobachten sind hilfreich.

Ich komme dann auch mit meinen schwierigen Zuständen, Seiten, Körperempfindungen und Emotionen in Kontakt, kann sie containen, organisieren und integrieren.

Probleme in Liebesbeziehungen und Partnerschaften

Viele Menschen haben nie eine gesunde Beziehungskultur zu sich selbst und ihren Mitmenschen gelernt, weil ihre Eltern dies selbst nicht konnten. Auf diese Weise haben sie die Bindungsschwächen und Bindungsstörungen ihrer Bezugspersonen übernommen. Manchen Personen fehlt es hier an Lernerfahrungen.

Viele bindungstraumatisierte Menschen wollen einerseits eine Partnerschaft, andererseits können sie nicht in echten Kontakt und in eine authentische Beziehung zu einen anderen Menschen gehen und sich tiefgehend auf ihn einlassen. Diese Ambivalenz belastet sie immens und mindert ihre Lebensqualität.

Die Selbstregulation der Betroffenen ist meist nur sehr mangelhaft. Sie sind emotional instabil und unausgeglichen. Extreme Nähe, wie wir sie in erwachsenen Partnerschaften finden, macht ihnen Angst und führt bei ihnen zur emotionalen Dysregulation: Sie werden dann überflutet von Stress und Ängsten und können Körpersensationen oder schwierige Emotionen nicht containen oder integrieren. Deshalb vermeiden sie echte und gesunde Nähe.

Dann gibt es wiederum Personen, die schlechte biographische Bindungsmuster immer wieder reinszenieren und unbewusst suchen, etwa Liebesbeziehungen mit prügelnden, toxischen und brutalen Partner*innen.

Verlieben ist ein intensiver emotionaler und körperlicher Zustand, welcher traumatisierte Menschen völlig triggern und emotional instabil machen kann. Menschen kollabieren dann innerlich oder bekommen starke Ängste, weil intensive (auch positive) Erregungszustände mit Traumanetzwerken in unserem Gehirn assoziiert sind. Dies kann Menschen in die Vermeidung von erwachsenen Partnerschaften und stabilen Liebesbeziehungen führen.

Ein wesentlicher Baustein der modernen Traumatherapie ist das Üben des Inneren Beobachters. Dafür benötigen wir eine distanzierte und neugierige, nicht-wertende Perspektive. So ein innerer Monolog des Beobachter-Ichs könnte etwa wie folgend lauten:
"Achja, da beobachte ich wieder mal mein altes destruktives Muster. Ich bin total in einen Typen verliebt, bei dem ich spüre, dass er mir eigentlich gar nicht tut. Wie interessant."
Oder „Wie spannend: Ich fühle wieder einmal voll den Stress, weil sich meine Partnerin verspätet und nicht auf meine SMS antwortet. Mein Herz schlägt schneller, ich werde ganz unruhig.“

Eine derartige Neugier und ein solches Interesse für mich selbst können mir helfen, Schwieriges in mein Leben zu integrieren.

Wie merke ich eine gesunde Selbstregulierung?

Menschen, die sich selbst gut regulieren können:

  • haben eine Moral, die sie hinterfragen
  • können sich empathisch in andere einfühlen und deren Gefühle aushalten
  • können die Emotionen ihrer Mitmenschen co-regulieren und containen
  • können sich selbst beobachten und reflektieren
  • können eine Pause zwischen Reiz und Reaktion machen, bevor sie handeln
  • zeigen Lebendigkeit und Präsenz in Beziehungen und im Hier und Jetzt
  • gehen in Beziehung und Kontakt mit sich und anderen
  • sind liebesfähig
  • erleben ihre eigene Selbstwirksamkeit
  • sehen Sinn in ihrem Leben

Gesunde Bindungsstile zu lernen ist das Ziel jeder Psychotherapie

Viele Menschen erleben sich selbst und ihre Umwelt wie durch Glas und Watte, also völlig unverbunden und abgeschnitten. Sie haben keine stabile Beziehung zu sich selbst und ihren Mitmenschen.

Ich muss dabei in meinem Körper zuhause sein, brauche Zugang zu meinen Emotionen, Bedürfnissen und Körpersensationen.

Wenn ich mich nicht fühle und spüre, indem ich mich etwa durch Rationalisieren und andere Abwehrmechanismen von meinen Emotionen abschneide, dann werde ich immer wieder Schwierigkeiten in Liebesbeziehungen, in der partnerschaftlichen Sexualität und in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen haben. Andere Menschen fühlen sich von dieser Kontaktlosigkeit nämlich oft abgestoßen. Bin ich in mir zuhause, so werde ich leichter zwischenmenschlich gesunde Beziehungen knüpfen. Strahle ich hingegen Kontaktlosigkeit aus, dann nicht.

Die meisten Menschen fühlen ihren Körper gar nicht oder viel zu wenig. Eine solide Beziehung und ein guter Kontakt zu mir selbst, zu meinen Körpergefühlen und Emotionen ist eine wesentliche Basis, um Empathie mit uns und unseren Mitmenschen zu haben und gesunde, erwachsene Freundschaften und Liebesbeziehungen führen zu können.

In der Regel muss die Bindungsfähigkeit mit einem Psychotherapeuten nachgelernt werden, der selbst einen sehr gesunden Bindungsstil hat. Im Rahmen einer therapeutischen Beziehung können dann gesunde Bindungs- und Beziehungsmuster gelernt und ins verkörperte Wissen aufgenommen werden. Wir erleben am eigenen Körper, wie eine gesunde Beziehung geht. Beziehung ist das Heilsamste in einer Traumatherapie. Der Psychiater Daniel Siegel bezeichnet deshalb eine Psychotherapie als eine nicht-sexuelle Liebesbeziehung auf Zeit.

Eine Psychotherapie kann Sie dabei unterstützen, eine gute Beziehung zu sich selbst herzustellen, in Kontakt gehen zu lernen und sich emotional berühren zu lassen.

Es braucht oft eine Psychotherapie, um eine solide Beziehung zu mir selbst herzustellen und um gut in Kontakt gehen zu lernen. Es geht dabei immer um das Lernen von neuen, gesunden Beziehungsmustern, Bindungsstilen und um emotionale Berührung.

Film: "Frühe Verletzungen, Entwicklungstrauma"

Wege aus dem Leid

Vergegenwärtigen Sie sich, dass sie immer wieder probieren, testen und an Fehlern wachsen können. In Experimenten können Sie zudem neue Erfahrungen sammeln.
Dabei geht es nicht um Perfektionismus, sondern immer wieder darum, Fragen an sich selbst stellen.

Eine Metaebene, Defusion, das Beobachter-Ich und die innere Selbstdistanzierung sind dabei wesentliche Bausteine.
Wir sind dann weniger überflutet und überwältigt, sondern haben mehr Überblick auf der Metaebene.
Der Innere Beobachter meint, dass ich mir selbst freundlich und interessiert zugewandt bleibe, Überblick und gesunden Abstand bewahre - auch zu meinen Symptomen und schwierigen Emotionen.
Wir sind Forscher und zeigen Pioniergeist auf unserem neuen Weg in ein besseres Leben. Dabei erleben wir uns als wach und geben uns nicht auf, stellen stets neue Fragen, anstatt zu resignieren
Selbstoptimierung, Tun, Leisten und ein fester Wille sind keine Ziele meines psychotherapeutischen Ansatz

Erklärvideo von Dami Charf: "Traumatisierte Bindung - wenn Beziehung belastet ist"

Es geht kaum um das Symptom

In der bindungsorientierten und körperorientierten Traumatherapie geht es weniger um Symptome (etwa um Depressionen, Phobien, Angststörungen, Burn Out, Sucht), sondern um das Erlernen von Containing, Selbstregulierung und das Fühlen und Einfordern von eigenen gesunden Bedürfnissen.

Ich soll dabei lernen, mich in mir sicher zu fühlen. Meine Heimat und mein Zuhause sollten vor allem in mir selbst liegen. Erst dann kann ich mich gesund und stabil an andere Menschen binden und erwachsene Liebesbeziehungen eingehen.
Dabei sind verschiedene körperpsychotherapeutische und hypnotherapeutische Methoden hilfreich und sinnvoll, darunter Achtsamkeitsübungen, der Bodyscan, Autogenes Training, die Reorientierung im Hier und Jetzt und heilsame körperliche Bewegungsmuster.
Die gesunde Beziehung wird als Referenzmodell mit mir als Psychotherapeuten immer wieder eingeübt.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)

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