Sexualtherapie
Sexuelle Probleme und Sexualstörungen

Was ist Sexualität?

Entgegen der weit verbreiteten, jedoch überholten Theorie, dass Sexualität ein Trieb sei, stellt diese vielmehr ein primäres Motiv, also eine grundlegende Motivation fast aller Menschen dar. Die Sexualität hat zwar auch eine biologische Funktion, nämlich die der Fortpflanzung, des Weiteren aber auch eine kulturelle und soziale. So hilft Sexualität, Bindungen und Beziehungen aufrechtzuerhalten und kann unseren Selbstwert stärken und stabilisieren. Sexualität wird immer auch von der Gesellschaft kontrolliert und ist kulturell überformt. Mit der Sexualität gehen starke Gefühle einher, und wir zeigen in der Sexualität viel von uns selbst, was uns verletzlich und verwundbar macht. Sexualität fördert uns, uns zu öffnen, uns hinzugeben und frei zu werden.

In unserer Gesellschaft wird Sexualität oft Mittel zum Zweck. Sie wird dann versachlicht, etwa wenn ich hauptsächlich dann Sex habe, um narzisstisch mein Ego zu puschen und mein fragiles Selbstwertgefühl aufzublähen, oder wenn Menschen sich Stress machen, möglichst häufig Sex zu haben, um "cool" oder "in" zu sein. Schädlich wird sie auch dann, wenn sie andere Menschen und deren Grenzen nicht respektiert, etwa beim Ausüben sexueller Gewalt. Allerdings trägt Sexualität auch wesentliche Potentiale für ein erfülltes Leben in sich.

Existenzanalyse und Sex

Die Existenzanalyse betrachtet die Sexualität als ein Phänomen, das uns lebendig macht und unser Leben zur Existenz drängt. Daher will unsere Sexualität auch gepflegt werden, indem wir uns etwa Zeit und Freiräume für sie schaffen.

Gründe für eine Psychotherapie, Sexualtherapie, Sexualberatung oder Sexualsprechstunde können Schuldgefühle bei der Sexualität sein, sexuelle Paarkonflikte, sexuelle Funktionsstörungen, emotionale und körperliche Blockaden, sexuelle Traumen oder moralische Konflikte.

Dokumentation von ARTE: "Begierde"

Eine Dokumentation darüber, wie wir Lust entwickeln und erleben und wie vielfältig sexuelle Beziehungen sein können.

Sex wird gelernt

Sexualität ist kein Trieb, sondern unterliegt vor allem Prozessen des Lernens und der Sozialisation. Lustlosigkeit ist oft ein nicht vollzogener Lernprozess, was im Umkehrschluss heißt, dass Lust im Laufe des Lebens gelernt wird oder erlernt werden kann.

Gesellschaftliche, kulturelle, soziologische, körperliche, familiäre Faktoren und Beziehungserfahrungen sind im Lernen von sexueller Lust bedeutsam. Auch gesellschaftliche Mythen, Geschlechterstereotypen, wie etwa, dass ein Mann immer können müsse (!) und ständig Lust auf Sex haben müsse (!), spielen beim Erlernen der Lust und Sexualität eine Rolle. Neue Körpererfahrungen (etwa ein achtsamer und liebevoller Umgang mit unseren körperlichen Gefühlen und unseren Emotionen oder radikale Akzeptanz, auch die Akzeptanz der Unlust) können einen lustvolleren Umgang fördern.

Embodimentorientierte Sexualtherapie und Sexualberatung

Viele Menschen betrachten ihren Körper nur unter funktionalen Gesichtspunkten, auch beim Sex. Der Körper MUSS dann funktionieren, auf Biegen und Brechen, bis zur Erektionsschwäche oder zum Scheidenkrampf.

Kommt es zu Schwierigkeiten in der Sexualität, kann es hilfreich sein, den eigenen Körper besser kennenzulernen, etwa allein bei der Selbstbefriedigung oder innerhalb der Paarsexualität.

Folgende Fragen können Ihnen hierbei helfen

1. Woran merken Sie, dass Sie sexuelle Lust haben? Wie wird ihr Muskeltonus? Wie wird ihre Atmung? Wo kommt es zu Anspannungen, wo zu Verspannungen oder Entspannungen? Gibt es Druck- oder Engegefühle im Körper? Oder Leichtigkeit, Wendigkeit, Geschmeidigkeit? Kommen Emotionen (etwa Freude, Liebe, Angst, Einsamkeit, Kränkung). Gibt es negative oder positive Gedanken, Erinnerungen, Bilder?

2. Wie haben Sie gelernt, Lust auf Sex zu haben? Hiermit ist die Lerngeschichte der sexuellen Lust gemeint. Nicht die Lerngeschichte der Tätigkeit, sondern die der Lust auf Sex.

Beispiel 1:Herr F. lernt im Laufe seiner Sozialisation, dass er als Mann möglichst oft Sex haben müsse und dass die Erektion in männlicher mache. Ein Mann ohne volle Erektion sei kein richtiger Mann und versage in seiner Männlichkeit (Mythos). Dabei lernt Herr F. auch, seine Lustlosigkeit zu übergehen. Er zwingt sich manchmal zum Sex mit seiner Partnerin, auch wenn er gar keine Lust verspürt. Sein Körper MUSS einfach funktionieren, er MUSS die Partnerin befriedigen. Er hat gelernt, dass seine sexuelle Lust und seine Bedürfnisse nicht zählen, sondern nur das Funktionieren. Aufgrund des hohen inneren Drucks und des Stress wird Herrn F.s Körper angespannt, verspannt, sein Stresssystem wird aktiviert und er verliert immer schneller seine Erektion.

Beispiel 2:
Herr G. hingegen hat gelernt, dass in der Sexualität vor allem viel Zeit und Freiraum wichtig sind. Er spürt ganz klar, wann er Lust hat, wie sich sexuelle Lust bemerkbar macht und was er als lustvoll empfindet. Hat er mal keine Lust, dann kuschelt er nur mit seinem Partner und gibt sich selber Zeit und Raum. Manchmal bekommt er dann doch auf einmal Lust und schläft mit seinem Partner. Manchmal bleibt es auch beim Kuscheln, dann genießt Herr G. einfach nur die Nähe zu seinem Partner.

3. Welche unangenehmen Erfahrungen oder Misserfolge hat es gegeben? Es geht bei dieser Frage darum aus Fehlern zu lernen und gut mit Scheitern oder Fehlern umzugehen.

Beispiel 3:Frau Z. hat sich öfters gezwungen, auch bei sexueller Unlust mit ihrem Partner Geschlechtsverkehr zu haben. Mehrmals bekam sie dann starke Schmerzen und einen Scheidenkrampf, weil sie ihren Körper und ihre Bedürfnisse überging. Eine Frau habe sich dem Mann hinzugeben (Mythos), sonst werde sie verlassen (Verlustangst und Mythos). In einer Sexualtherapie lernte Frau Z., mehr auf ihre Lust, ihren Körper und ihre Emotionen zu achten (Achtsamkeit, radikale Akzeptanz) und nur dann Sex zu haben, wenn sie Lust spürt (Selbstfürsorge). Frau Z. lernte auch, dass sie sich Zeit, Muße und Raum geben darf, wenn sie keine Lust spürt und dass es schön ist, manchmal einfach nur mit ihrem Partner „draufloszukuscheln“ und sich überraschen zu lassen, was passiert oder nicht passiert.

Was ist Embodiment? Kurzfilm: "Embodiment in 60 Sekunden erklärt"

In diesem kurzen Spot wird das Konzept von Embodiment erklärt. Nicht nur die Psyche hat Einfluss auf unseren Körper, sondern auch der Körper auf die Psyche.

Die sexuelle Beziehung und Paardynamik

Viele Menschen verhalten sich in der erwachsenen Sexualität zu fremdbestimmt und kennen die eigenen Bedürfnisse gar nicht.

In einer durchschnittlich guten, erwachsenen Partnerschaft sehen sich beide Partner*innen als eine 50:50 GmbH. Auch in der Sexualität. D.h. jede*r Partner*in ist für den Umgang und erwachsenen Ausdruck der eigenen Gefühle, sexuellen Bedürfnisse und Wünsche selbst verantwortlich, und kein*e Partner*in ist für den/die andere*n verantwortlich. Ich selbst bin verantwortlich, für die Gestaltung meiner Sexualität und meiner Lusterfahrungen. Diese Aufgabe darf ich nicht der/dem Partner*in zuspielen oder sogar erwarten, dass der/die andere meine sexuellen Probleme und Schwierigkeiten löst. Allerdings sind beide Partner*innen verantwortlich für die Gestaltung der sexuellen Beziehung. Beide übernehmen Verantwortung für die gemeinsame Sexualität und beide haben die Pflicht, ihr Bestes für die Sexualität zu tun.

Auf sexueller Ebene haben wir in jeder Partnerschaft einen gewissen Spielraum, um die sexuelle Beziehung zu gestalten. Oft jedoch wird die Verantwortung dafür den Partner*innen einseitig aufgebürdet, etwa durch folgende Haltungen:

  • „Mein Partner macht mir soviel Stress, kein Wunder, dass ich da nie Lust spüre.“
  • „Meine Partnerin geht zu wenig auf meine sexuellen Bedürfnisse ein. Ich finde den Sex mit ihr schon so langweilig.“

Halten wir uns vor Augen, dass wir selber erst einmal für die eigene sexuelle Lust verantwortlich sind. Niemand anderer kann uns das als erwachsener Mensch abnehmen. Jedoch kann ich mich immer darum kümmern, wie unsere sexuelle Interaktion und Kommunikation in einer Partnerschaft ist. Sie kann vorwurfsvoll und abwertend, frei und erwachsen oder fürsorglich und empathisch sein. Ich kann also sehr wohl einen wichtigen Anteil an der sexuellen Beziehung zum/zur Partner*in leisten. Ich selber bin dabei nicht für das Verhalten der Partnerin/des Partners verantwortlich und habe auch keinen Einfluss auf dessen Verhalten.

Film: "Paartherapie bei sexueller Unlust (1): Paardynamische Prozesse wie sie sich im Bett zeigen"

Viele Menschen verursachen ihre Partner*innen beim Sex zu manipulieren oder zu beeinflussen. Solche Manipulationen können sein:

  • Drohungen
  • Erpressungen
  • Schmeicheleien
  • Schuldgefühle machen
  • Bitten
  • Anregungen
  • Ausnutzen der Schwächen der Partner*innen
  • den/die Partner*in in die Schuld bringen
  • Beschämungen
  • Besänftigungen

Diese Manipulationen und viel zu hohen Erwartungen schaffen in aller Regel nicht mehr Lust und Freiheit, sondern führen häufig zu Enge, Druck, Angst, Stress und Lustlosigkeit. Innere Enge und Druck verursachen auch körperliche Anspannungen, Verspannungen in der Atemmuskulatur und im Unterleib und körperliche Unlust.

Wege aus dieser Unfreiheit sind eine gute, empathische und wertschätzende Kommunikation; das Mitteilen eigener Wünsche, Sehnsüchte, Phantasien und Bedürfnisse; ein guter Umgang mit Kränkungen, Enttäuschungen und Ängsten.

Auch ist es wichtig, dem/der anderen mitzuteilen, was ich nicht will und nicht erotisch oder geil empfinde. Dazu muss ich selber erst einmal fühlen und spüren, worauf ich stehe und worauf nicht. Denn wie sollte mein*e Partner*in das tun können, wenn ich es selber nicht fühle?

Natürlich kann es auch lustvoll und wertvoll sein, zusammen zu entdecken, worauf beide Lust haben – immerhin kann das auch in jeder Partnerschaft ganz anders sein. Dazu braucht es aber auch wieder eine gute Kommunikation und ein umso besseres Fühlen der eigenen sexuellen Gefühle und Bedürfnisse.

Sexuelle Unterschiede sind in Partnerschaften mehr die Regel als die Ausnahme. Viele Konflikte entzünden sich an den sexuellen Differenzen. So kann es z.B. rasch unerotisch und stressig werden, darüber zu diskutieren, welche sexuelle Stellung oder Sexualpraktik heute in der Partnerschaft stattfinden sollte. Das verkopfte Zerreden oder Schuldzuweisen spießt sich nämlich mit lustvollem Geschehenlassen und Hingabe. Physiologisch kommen wir dann sogar in den Kampf- oder Fluchtmodus, in dem wir keine sexuelle Lust mehr haben. In Partnerschaften werden zudem die Rollen rasch festgelegt: der/die Frigide oder der/die Immergeile. Aber auch Konfliktscheue oder Harmoniestreben führen dazu, dass die eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht mehr geäußert werden, dass immer nur dasselbe sexuell praktiziert wird und der Sex nach Schema F. abläuft. Sexuelle Dynamik, Spannung und Abwechslung gehen dann verloren.

Der wichtigste Schritt aus einer destruktiven sexuellen Paardynamik ist es:

  • Zu spüren und zu fühlen, was ich brauche, was meine sexuellen Wünsche und Bedürfnisse sind. Selbstbefriedigung kann mir helfen, meinen Körper gut kennenzulernen. Auch eine gute Atmung und das Spüren eigener Blockaden und Verspannungen im Körper sind hilfreich.
  • Dem/der Partner*in meine sexuellen Wünsche und Bedürfnisse mitteilen. Das klingt banal, ist aber in der Praxis oft äußerst schwierig, weil ich mich vielleicht sehr schnell schäme, wenn ich Intimes äußere oder Angst habe, dass mein*e Partner*in mich beschämt. Schwer ist es auch, wenn der/die Partner*in eine Persönlichkeitsstörung hat und meine Wünsche und Bedürfnisse rasch abwertet oder Schuldgefühle manipuliert. In diesem Fall ist es wichtig, dass ich mich vor Abwertungen schütze und u.U. auf Distanz zu meinem/meiner Partner*in gehe, vor allem aber, im Sinne einer guten Selbstfürsorge, mich gut um mich selber kümmere.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)

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