"Es wird zu wenig erklärt, wie Europa funktioniert"
Brunnenthalerin ist Direktorin für Fischerei, Mittelmeer und Schwarzes Meer in der Fischereiabteilung der Europäischen Kommission
SCHÄRDING (juk). Aufgewachsen ist Veronika Veits an der Gemeindegrenze zwischen Brunnenthalt und Schärding. Von dort aus verschlug es sie zunächst zum Arbeiten nach Wien. Jetzt ist die Brunnenthalerin für die EU in Brüssel tätig und erzählt im Interview, wie es ist in Belgien zu leben und zu arbeiten.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie in einem anderen EU-Land leben und arbeiten?
In meinem ersten Job im Landwirtschaftsministerium in Wien war ich unter anderem für EU-Forschungsförderprogramme im Agrarbereich zuständig. Das war noch in der Zeit vor dem Beitritt Österreichs in die EU. 1995 absolvierte ich ein dreimonatiges sogenanntes Beamtenpraktikum in der Europäischen Kommission in Brüssel. In dieser Zeit nahm ich auch aus dem olympischen Gedanken an einem Auswahlverfahren für die Rekrutierung von Kommissionsbeamten aus Österreich teil. Zu meiner Überraschung passierte ich dieses Verfahren und habe dann diese Gelegenheit genutzt und im Januar 2016 meine Arbeit in der Europäischen Kommission begonnen, damals in der Generaldirektion für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung.
Können Sie den Lesern kurz erklären, welchen Job Sie in der EU haben?
Ich bin seit Februar 2017 Direktorin für Fischereipolitik, Mittelmeer und Schwarzes Meer in der Generaldirektion für Meeresangelegenheiten und Fischerei in der Europäischen Kommission. In dieser Funktion bin ich sowohl für die Entwicklung und Koordinierung der Gemeinsamen Fischereipolitik in all ihren Aspekten - nachaltige Bewirtschaftung der Fischbestände, Kontrolle der Flotte und Förderpolitik - zuständig als auch für deren Umsetzung im Mittel- und Schwarzem Meer. Beides sind Meeresregionen, in denen es leider aufgrund von Überfischung und illegaler Fischerei mit der Gesundheit der Fischbestände schlecht bestellt ist und dringender Handlungsbedarf besteht.
Wie sehr unterscheidet sich die Lebensart in Belgien von der österreichischen?
Ich denke, dass es da nicht so große Unterschiede gibt. Die Belgier lassen es sich gerne gut gehen, essen und trinken gerne. Sie sind sehr familienorientiert, sehr pragmatisch und etwas geduldiger als wir. Mit den Regeln halten sie es nicht so genau. Ich muss aber gestehen, dass ich außer einigen belgischen Arbeitskollegen, wenige Belgier außerhalb meines Berufs kenne, da sich dazu wenig Gelegenheit ergibt. Im allgemeinen lebt man hier als EU Beamter eher in der internationalen „Blase“. Für eine Großstadt ist das Leben in Brüssel sehr angenehm mit einem tollen Kulturprogramm und zu zahlreichen kulinarischen Verlockungen. Dem muss man schon mit ausreichend Sport entgegenhalten. Die zahlreichen Grünräume in und um Brüssel bieten da gute Möglichkeiten zum Radfahren und Laufen. Zum Meer ist es auch nicht weit.
Wie gehen Sie als EU-Mitarbeiterin mit den Vorurteilen gegenüber der EU um?
Leider bin ich oft mit derartigen Vorurteilen konfrontiert, wenn ich nach Österreich komme. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass man den Österreichern zu wenig erklärt, wie Europa funktioniert. Grundsätzlich ist es so, dass es nur EU Regeln gibt, wenn die Mitgliedsstaaten und – je nachdem – auch das Europäischen Parlament, die Rechtsvorschläge der Kommission im Detail diskutiert, abgeändert und verabschiedet haben. Nichts kann verabschiedet werden, wenn die Mitgliedsstaaten es nicht wollen. In den letzten Jahren war die Kommission verstärkt bestrebt, sich auf jene Bereiche zu konzentrieren, in denen EU-weiter Handlungsbedarf besteht, und gleichzeitig den sogenannten „red tape“ (den Amtsschimel, also übertrieben oder unsinnige Bürokratie) abzubauen. Oft ist es aber auch so, dass EU Regeln auf nationaler Ebene verkompliziert werden, was im Eurojargon „goldplating“ heisst.
Das Thema „Österreich verliert als Nettozahler“ ist auch ein Dauerrenner. Dabei kosten die Vorteile der EU jedem EU Bürger ein bisschen weniger als eine Tasse Kaffee pro Tag. Diese Vorteile sind vielleicht nicht für jeden direkt greifbar. Zum Beispiel sind EU-Förderungen von Forschung, Innovation, Start-and Scale Ups essentiell um die EU und Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiv zu erhalten. Das schlägt sich vor Ort direkt in Beschäftigungsmöglichkeiten nieder.
Ein anderes Beispiel ist, dass unsere Kinder sehr von EU geförderten Austauschprogrammen, wie Erasmus+ profitieren. Zu meiner Zeit war das nicht möglich, da wurden Ausbildungsprogramme in anderen Ländern nicht anerkannt und Studieren daher in anderen Ländern schwierig. Ich hoffe, dass die österreichische Regierung die Ratspräsidentschaft dazu benutzt, die EU besser zu erklären.
Planen Sie einmal wieder nach Österreich zurückzukehren?
Ja. Ich habe vor in einigen Jahren meinen wohlverdienten Ruhestand in Österreich zu verbringen.
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