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Wassertoffzug: Experte bringt Licht ins Dunkel

DI Peter Brandl ist ausgewiesener Bahn- und Verkehrsexperte mit jahrzehnte langer Expertise. Er sieht das Projekt Wasserstoffzug differenziert.  | Foto: Brandl
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  • DI Peter Brandl ist ausgewiesener Bahn- und Verkehrsexperte mit jahrzehnte langer Expertise. Er sieht das Projekt Wasserstoffzug differenziert.
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DI und Universitätsassistent Peter Brandl ist ausgewiesener Bahnexperte mit jahrzehntelanger Berufserfahrung. Sein Fachwissen im Verkehrswesen sowie in der Infrastrukturplanung ist umfassend und bei einer kürzlich veranstalteten Diskussion über das Thema Wasserstoffbahn im Zillertal nahm er ein kontroverser Position ein. Die BEZIRKSBLÄTTER-Redaktion bat den Experten zum Interview. 

BB: Die ZVB (inkl. Aufsichtsrat) spricht von einem richtungsweisenden, innovativen Mobilitätsprojekt. Salopp gefragt: Weiß man eigentlich, worauf man sich da einlässt?
BRANDL: "Das Thema Wasserstoff ist weder neu noch innovativ. Schon vor Erfindung der der Dampfmaschine war Wasserstoff entdeckt worden. 1807 gab es das erst Wasserstoffauto und seit 1996 fliegt die Areane-Rakete mit Wasserstoffantrieb Satelliten ins All. Das ein „Wasserstoff-Zug“ technisch funktionieren kann ist sicher, ob es sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln." 

BB: Im Jahr 2022 gab es Pressemeldungen aus Deutschland, dass es im hessischen Taunus zahlreiche technische Probleme mit den Wasserstoffzügen gibt und das Projekt quasi ein Flopp ist. In Wiesbaden hat man die Wasserstoff-Busflotte eingestellt. Ist die Technik nicht ausgereift bzw. nicht genügend erprobt?
BRANDL: "Technisch wird man das Thema „Wasserstoff-Antrieb“ langfristig sicher in den Griff bekommen, allerdings verlangt es viel Geduld der Fahrgäste und einen langen Atem – und ausreichend finanzieller Mittel - der Öffentlichen Hand. Tatsächlich gibt es in Deutschland drei Bahnen (Taunusnetz, Nasses Dreieck: Buxtehude-Bremerhaven – Cuxhaven, Heidekrautbahn: Raum Berlin), welche der Wasserstofftechnologie nähertreten wollen. Der Grund dafür ist einerseits dass in Deutschland weit mehr als 1/3 der oft langen Strecken nicht elektrifiziert sind (im Vergleich: Österreich 73%, Schweiz 100%), andererseits ist im Bereich der Projekte oft Wasserstoff als „Abfallprodukt“ der chemischen Industrie vorhanden. Spannender ist, dass alle weiteren deutschen Wasserstoffprojekte gestoppt wurden: sowohl die großen Pläne im deutschen Bundesland Thüringen als auch alle 16 untersuchten Strecken in Baden-Württemberg werden nicht mit Wasserstoffzügen realisiert. Auch die Ausschreibung in Mühldorf, nördlich von Rosenheim, wurde aus Kostengründen abgebrochen. Im Busbereich sieht es ähnlich aus: Wiesbaden hat seine ersten Wasserstoffbusse abgestoßen, das französische Montpellier hat das Wasserstoffprojekt mit über 50 Bussen wegen Unfinanzierbarkeit gestoppt." 

BB: Bzgl. der Kosten herrscht große Verwirrung. Können Sie Licht in die Sache bringen? Was wären die größten Kostentreiber bei diesem Projekt (Stw. Verdichtung). Ist die Kostenschätzung der ZVB (180 Mio.) seriös?
BRANDL: "Seriöse Aussagen zu Kosten sind aus meiner Sicht aktuell nicht möglich. Neben der geringen Planungstiefe und noch fehlender Verträge samt fixer Kostenzusagen liegt das vor allem am volatilem Parameter Energie: Grüner Wasserstoff wird aus grüner Energie – bei uns meist aus Wasserkraft – produziert, wobei der Energiebedarf eines Wasserstoff-Zuges 3 mal höher ist als jener einer direkt elektrisch betriebenen Bahn. Da aktuell der Strombedarf in Österreich stärker als erwartet steigt – bis 2035 um +30% – und sich der Strompreis stark nach oben entwickelt, sind Kostensteigerungen über die „normale“ Inflation hinaus vorprogrammiert - beim Wasserstoff "mal 3". Darüber hinaus ist ein elektrischer Triebwagen für den Oberleitungsbetrieb „von der Stange“ zu erhalten, die Wartungskosten sind geringer als bei Dieselzügen. Wasserstoffzüge bedeuten hier ein Vielfaches an Kosten. Ganz abgesehen davon ist Wasserstoff heute schon ein knappes Gut, grüner Wasserstoff in Europa defacto nicht vorhanden. Zukünftig werden so genannte No-Regret-Anwendungen die Nachfrage nach grünem Wasserstoff massiv erhöhen – und das zu jedem Preis, da die Stahl-, Chemie-, und Agroindustrie keine Alternativen zur notwendigen Einsparung der Treibhausgase haben. Im Mobilitätsbereich werden langfristig Flugzeuge und Schiffe den Wasserstoffbedarf weiter ankurbeln. Für Autos, Busse, Lkws und Eisenbahnen wird da kein leistbarer Wasserstoff übrigbleiben, allerdings bieten Akkus und Elektrifizierungen mit Oberleitungen effiziente Alternativen." 

BB: Wie stehen Sie zur Elektrifizierungsvariante bzw. zum Thema Normalspur ins Zillertal? Wäre das Geld hier besser investiert?
BRANDL: " Eine Umspurung von Schmalspurbahnen klingt einfach und hätte auch Vorteile, allerdings ist so etwas wirtschaftlich nicht darstellbar. Anpassungen von Bahnhöfe, Bahnsteige, Durchlässe, Brücken, Bögen, Grundstücksgrenzen, Werkstätten, und vielem mehr: Eine Umspurung käme einem Neubau gleich und würde entsprechende Kosten bedeuten. Die Elektrifizierung mit Oberleitung ist eine bewährte Übung und würde bei der Zillertalbahn grob 60 Millionen Euro kosten." 

BB: Viele Privatbahnen/Schmalspurbahnen in Österreich sollen elektrifiziert werden. Ist das Zillertal das Versuchskaninchen für den Wasserstoff?
BRANDL:
"Eine klassische Elektrifizierung von Bahnstrecken ist bewährt und kann sicher entsprechend der Planungskosten realisiert werden, da Risiken fast auszuschließen sind. Der große Vorteil von elektrifizierten Bahnstrecken (aber auch Obusstrecken) ist einerseits die lange Lebensdauer der Oberleitungen von über 70 Jahren, andererseits – ohne zusätzliche Kosten – die fast uneingeschränkte Ausweitungsmöglichkeiten von Verkehren: ob Taktverdichtung, Abendzüge oder Güterverkehr: alle nutzen ohne Zusatzkosten die vorhandene Fahrleitung."

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DI Peter Brandl ist ausgewiesener Bahn- und Verkehrsexperte mit jahrzehnte langer Expertise. Er sieht das Projekt Wasserstoffzug differenziert.  | Foto: Brandl
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