Als Sennerin vier Monate "Natur pur" erleben
Zum zweiten Mal haben sich zwei junge Oberösterreicherinnen einen Traum als Sennerinnen auf einer Almhütte erfüllt. Die jeweils 28 Jahre alten Kathie Klinglmayr und Claudia Sacher, die im Vorjahr nach sechs Jahren ihr Studium der Landschaftsplanung in Wien abgeschlossen hatten, bewirtschaften von Ende Mai bis Ende September die Ochsner Almhütte in 1830 Meter Höhe oberhalb des Kräuterdorfes Irschen. Es ist das "Arbeiten in und mit der Natur", wie die beiden jungen Frauen sagen, das sie für die durchaus anstrengende Aufgabe begeistert. Die Tiere und die Verarbeitung ihrer Produkte gäben den täglichen Rhythmus vor, nicht der Mensch.
Das heißt: Sie stehen täglich um 5.30 Uhr mit den Hühnern auf, melken und füttern die Tiere. "Das geschieht noch im Halbschlaf." Ab 7 Uhr beginnt die umfangreiche Käsezubereitung, wofür Kathie und Claudia freiwillig einen viertägigen Kurs in der Bundesanstalt für Milchwirtschaft in Tirol absolviert hatten. "Voraussetzung war das nicht, aber wir trauten uns nur so die Aufgabe zu", berichten sie: "Einzige Voraussetzung war, dass wir Verantwortung übernehmen." Nach einem Vorstellungsgespräch im Feber mit dem verantwortlichen Obmann der Agrargemeinschaft Leppen, Peter Wiesflecker, hatten die jungen Akademikerinnen den Job.
Gegen 8 Uhr denken die beiden Freizeit-Sennerinnen erstmals an sich und frühstücken. Dann wird weiter Käse produziert: Berg-, Frisch- und "fauler" Käse. Der eigentliche "Renner", ein mit Rotschmiere behandelter Almkäselaib, der für die typische würzige Rinde sorgt, braucht sechs Wochen zur Reife. Am Sonntag, 4. August, wird die Spezialität feierlich angeschnitten.
Die Wanderer, die so ab 11 Uhr eintrudeln, werden sodann mit diversen Jausen verköstigt, zu denen auch Schinkenspeck, Bier und Radler sowie allerlei Schnäpse gehören. "Wenn's regnet, kommen höchstens ein paar Pächter der umliegenden Hütten hinauf", berichten die jungen Frauen. Bei Sonne werden bis zu 40 Wanderer am Tag gezählt.
Nachmittags kümmern sich Kathie und Claudia um die elf Milchkühe und das 46 Exemplare zählende Galtvieh (also weibliche Kälber). Ferner zählt die Almhütte zwei weibliche, zirka vier Monate alte Schweine (die die männlichen Vornamen Norbert und Sepp tragen), fünf Hennen (Waltraud, Herta, Christl, Gundi, Michi) sowie als einzige männliche Mitbewohner den Hahn Franz und den Kater Speedy. Um 17 Uhr ist wieder Melken angesagt, anschließend die Milch in Magermilch und Rahm getrennt. Davon wird jeden zweiten, dritten Tag gebuttert - Claudias Lieblingsbeschäftigung (Kathie: "Für mich ist das zu gatschig"). Zwischendurch wird immer mal wieder abgewaschen, neben dem Ess- auch das Melkgeschirr.
Fragt man die beiden, was sie fernab der Zivilisation vermissen, müssen sie nachdenken. Und, um überhaupt etwas zu sagen, fällt ihnen Schwimmen und Radfahren ein. Fernsehen geht ihnen überhaupt nicht ab. Schließlich besitzt weder Claudia ein TV-Gerät in Wien noch Kathie in Klagenfurt. Dort ist sie mit dem Mathe-Dozenten Jos verheiratet, der sie an den Wochenenden aufsucht. Und, wie andere Freunde, frisches Gemüse mitbringt. Brot und Speck bekommt das Sennerinnen-Duo von Bauern. Nur wegen Bier, Radler und Mehl wird alle zwei, drei Wochen notgedrungen Irschen aufgesucht. Einen Fernseher entbehren die jungen Frauen schon deshalb nicht, weil die Wanderer alle wichtigen Neuigkeiten mitbringen.
Und Zeit für die Glotze ist eh nicht da. Gegen 20 Uhr wird das Abendbrot eingenommen, um 21 Uhr sinken sie nach einem über 15-stündigen Arbeitstag todmüde ins Bett. Und das sieben Mal in der Woche. Was die diplomierten Landschaftsplanerinnen im Herbst anfangen, steht noch in den Sternen. Am liebsten wäre ihnen ein Halbjahresjob, um sich ab Frühjahr wieder der "Natur unterordnen" zu können.
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