Asylwerber klagen über Langeweile
RADENTHEIN. Lendorf bekommt ein Asylwerberheim, in der wenige Kilometer entfernten Granatstadt gibt es schon seit 15 Jahren eines. Wie klappt's?
Die 45 Asylsuchenden aus Afghanistan, Ägypten, dem Kosovo und Syrien, die im ehemaligen Drei-Sterne-Hotel "Staberhof" mitten im Ort untergebracht sind, und die einheimische Bevölkerung leben in zwei verschiedenen Welten, haben so gut wie keinen Kontakt miteinander. Die einzige Nabelschnur zur Außenwelt bilden zehn Kursleiter, die unter dem Dach von Vobis (Verein für offene Begegnung und Integration durch Sprache) ehrenamtlich, kostenlos Deutschunterricht erteilen. Vobis ist seit 2008 aktiv. Weil der allein auf Spendengelder angewiesene Verein vor zwei Jahren aber den Lehrern die Fahrtkosten gestrichen hat, müssen sie ihr Benzin aus eigener Tasche bezahlen.
Zwei Mal wöchentlich Deutsch
Zwei Mal wöchentlich erhalten die Asylwerber nachmittags für eineinhalb Stunden in der Volksschule Deutschunterricht - ein absolutes Highlight in dem sonst tristen Alltag der jungen Männer, die zwar durch die Bank einen Beruf oder gar studiert haben, nicht aber arbeiten dürfen. Direkten Kontakt zu einheimischen Bevölkerung haben die Flüchtlinge, die vornehlich aus Afghanistan, Ägypten und Syrien stammen, gar keinen. Private Wohnungen, außer denen der Deutschlehrer, kennen sie nicht.
Zu ihnen gehört die Spittalerin Frieda Burgstaller. Die ehemalige evangelische Religionslehrerin hatte 20 Jahre als Entwicklungshelferin in Afrika gewirkt und ist aufgrund ihrer arabischen Kenntnisse zum Helferkreis gestoßen. Anna Scheucher aus Millstatt-Schwaigerschaft erzählt: "Ich war früher Fernfahrerin und habe auf der Straße viele Flüchtlinge angetroffen. Da habe ich mir geschworen, wenn ich einmal sesshaft bin, will ich für die was tun."
Während sie Asylwerber bei der Kartoffelernte einsetzt, unternimmt der aus Oberfranken stammende, jetzt in Obermillstatt lebende Hermann Wolf mit den jungen Männern Wanderungen. Der frühere Sportlehrer, der als Bergführer im Himalaya, in den Anden und in Ostafrika tätig war, hat, wie er sagt, im Ausland "so viel Entgegenkommen erfahren, das ich jetzt zurückgeben will".
"Mit der Zeit depressiv"
Alle drei Pensionisten sind sich einig, dass der Unterricht am Dienstag und Mittwoch nicht ausreicht. Den aus ihrem Kulturkreis gerissenen Asylwerbern würden zu wenig Anreize geboten, um der Langeweile zu entgehen. "Sie werden mit der Zeit depressiv", weiß Anna Scheucher. Dabei würden zumal die Afghanen gerne irgendeine Tätigkeit mit Tieren übernehmen. Bei voller Logis erhalten die Flüchtlinge monatlich 40 Euro Taschengeld. Davon geht die Hälfte fürs "Tor zur Außenwelt", sprich: Internetzugang drauf.
Spricht man mit den meist aufgeweckten, neugierigen Asylwerbern, die einen auffällig gepflegten Eindruck machen, machen sie kein Hehl aus ihrem Frust, vor allem zurückzuführen auf die unsichere Zukunft. Denn die Anerkennungsverfahren der Bürokratie mahlen unendlich langsam. Ihr allgemeiner Tenor: "Unser Leben besteht nur aus Warten."
Warten seit 14 Monaten
So ist Sänger Shala Shkodran aus dem Kosovo, einer der wenigen, der mit der Ehefrau gelohen war, schon seit 14 Monaten in Österreich, der Maler Ahmadi Abdull Qayam schon seit vier Jahren, davon seit sieben Monaten in Radenthein. Der Christ, der vor neun Jahren seine Heimat verlassen und die ersten Jahre in Griechanland gelebt hatte, gesteht im vertraulichen Gespräch mit der WOCHE, Schwierigkeiten mit seinen meist muslimischen Mitbewohnern zu haben.
Bassiuiny Bassiuiny aus Kairo hatte die ersten neun Jahre nach seiner Flucht in Turin/Italien als Koch gearbeitet. Dort aber wurde er entlassen, in Radenthein läuft sein Asylverfahren seit drei Monaten.
Der Afghane Hedayatullah Osman, Englisch-Dolmetscher, grämt sich, seit zwei Jahren nicht mehr seine Tochter gesehen zu haben, die zur Zeit seiner Flucht gerade drei Monate alt war. Der junge Syrer Jamil Jackoub wiederum, der in Damaskus Journalismus studiert hatte, ist zwar erst seit einem Monat in Radenthein, doch klagt er, aufgrund seines hohen Cholesterinspiegels müsste er eigentlich eine Sonderkost bekommen, die ihm aber verweigert werde. Der Afghane Sharif Kohestani schließlich hat nach einem Jahr einen ablehnenden Bescheid bekommen. Nun versucht er es ein zweites Mal.
Eingedenk der zwölf Quadratmeter kleinen Zimmer, die sich vier Männer teilen müssen, fällt auch schon mal der Ausdruck "Gefängnis". Heimbetreiber Josef Staber war weder zu einem Gespräch noch dazu bereit, Einblick in die Unterkünfte zu bekommen oder gar den "Staberhof" fotografieren zu dürfen.
Die Leiterin des Flüchtlingsreferates der Landesregierung, Barbara Payer, erklärte auf Anfrage, einmal wöchentlich würden die Unterkünfte von ihrer Behörde kontrolliert. Die Dauer der Anerkennungsverfahren von eineinhalb bis zwei Jahren seien "keine Seltenheit".
Bevölkerung ist positiv eingestellt
Fragt man wiederum die Radentheiner Bevölkerung, wie sie zu dem Asylwerberheim steht, wissen manche gar nicht von dessen Existenz oder man erfährt nur Positives. Der Döbriacher Pensionist Wilfried Hofer meint: "Ich habe keine Probleme mit ihnen, Mensch ist Mensch. Nie ist mir aufgefallen, dass sie etwas Schlechtes gemacht haben. Zwar gibt es auch in Österreich Armut. Doch ist das kein Vergleich zu dem Elend, das diese Menschen durchmachen müssen."
Verkäuferin Elisabeth Winkler erzählt: "Vor einigen Jahren war mein Auto kaputt und musste zu Fuß von Döbrich nach Radenthein. Da hat mich ein Asylwerber begleitet und meinen Sohn auf der Schulter getragen. Ich weiß nicht mehr, woher er kam, nur, dass er ohne Familienangehörige und Winzer war, hier aber nicht arbeiten durfte. Deswegen war ihm hier sehr langweilig."
"Völlig problemlos"
"Das läuft völlig problemlos", meint wiederum Bürgermeister Martin Hipp. Der Leiter des Bürgerservice, Peter Walchensteiner, ergänzt, seitens der Bevölkerung habe es noch nie Probleme gegeben. Dies habe auch für ein zweites Heim gegolten, das zehn Jahre in Döbriach bestand. Es sei vor fünf Jahren aus baulichen Gründen geschlossen worden. Über die Zustände in der Unterkunft vermögen die Rathausbediensteten nichts zu sagen, da es sich bei der Unterbringung um eine rein privatwirtschaftliche Vereinbarung zwischen Betreiber und Land handele. Immerhin versucht die Gemeinde, dem betroffenen Personenkreis insofern Abwechslung zu bieten, indem sie den Asylbewerbern Zugang zu Sportanlagen gewährt.
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