Obervellach
Extrembergsteiger will hoch hinaus
OBERVELLACH (aju). Am 1. Februar veranstaltet der Lions Club Obervellach Region Mölltal einen Vortrag mit Extrembergsteiger Markus Pucher. Der Reinerlös kommt bedürftigen Mölltalern zu Gute. Worauf genau die Besucher sich bei dieser Veranstaltung freuen dürfen, erzählt Markus Pucher im WOCHE-Interview.
Wann haben Sie mit dem Bergsteigen begonnen?
Als ich 12 Jahre alt war. Damals habe ich mit dem Felsklettern begonnen. Mit 16 habe ich mit dem Eisklettern begonnen, dann kam das Alpinklettern, mit 23 habe ich meine erste Expedition nach Südamerika gemacht. Seit 20 Jahren also betreibe ich quasi Extrembergsteigen
Machen Sie das hauptberuflich?
Eigentlich war ich immer als Bergführer unterwegs. Anfang diesen Jahres allerdings habe ich eine fixe Arbeit im Semering-Basistunnel begonnen. Nach acht Arbeitstagen habe ich sechs Tage frei. In den letzten Tagen war mein Leben relativ ungewiss, ich hatte keinen Rhythmus, das ist auch für die Psyche nicht einfach. Eine gewisse Regelmäßigkeit tut mir schon ganz gut. Jeden Tag nur zuhause zu sein könnte ich aber trotzdem nicht. Aber diese Regelmäßigkeit erdet mich einfach und meine Expeditionen habe ich vorerst auf eine pro Jahr reduziert.
In unserem Artikel vor zwei Jahren war ihr Traum noch den K2 im Alleingang zu besteigen?
Ideen habe ich ja mehrere aber man muss sich immer ein paar Träume, zurechtlegen damit man weiterarbeitet. Ich versuche seit einigen Jahren in Patagonien den Cerro Torre im Winter zu besteigen. Das ist nach wie vor ein großes Ziel aber mittlerweile sage ich: Wenn es geht, dann geht es aber es muss vom Wetter her passen. Ich war in den letzten Jahre drüben, habe dann aber immer etwas anderes gemacht. Ich bin gelassener geworden. Was geht das geht, und wenn nicht, dann nicht. Dieses Vorhaben lässt mich aber nicht ganz aus, man steckt viel Energie und Arbeit da hinein aber es entwickelt sich. Am Anfang will man dann oft zu viel und macht viele Erfahrungen und lernt immer bei jeder Expedition etwas dazu. In den letzten Jahren bin ich zwei bis drei Mal pro Jahr im Sommer nach Patagonien gereist. Dann ist dort Winter. Wenn ich vorhabe im August wegzufliegen, dann bin ich meisten fünf Wochen dort. In den zwei Wochen vorher bereite ich mich mental darauf vor. Da ist man geistig schon gar nicht mehr da sondern eigentlich schon drüben. Wenn ich zurückkomme allerdings, braucht es immer eine Woche bis man sich wieder eingewöhnt hat. Also inklusive Vor- und Nachbereitungszeit bin ich eigentlich acht Wochen unterwegs. Deshalb ist das ja relativ anstrengend.
Gab es auch schon heikle Momente?
Natürlich. Am 27.12.2015 zum Beispiel war ich alleine in Patagonien, da war dort Sommer und ich wollte eine Soloexpedition am Cerro Torre machen. Das Wetter war nicht gut, es war windig und dann begann es auch zu schneien. Ich bin also gerade noch am Gipfel angekommen und beim Abstieg wurde das Wetter immer schlechter. Ich musste große Teile abklettern weil abseilen nicht möglich war und da ist es passiert. Ich bin ausgerutscht und trotz Eispickel rückwärts mehrere Meter hinuntergefallen, habe mich dann überschlagen und bin mit dem Kopf nach unten hinunter gerutscht. Einen Meter vor einer Kante bin ich zum Glück kopfüber zum Stehen geblieben weil ich es geschafft habe, mit meinen Eispickeln zu bremsen. Einen Meter weiter und es wäre 1.000 Meter nach unten gegangen. Dann lag ich da Kopf über, hörte mein eigenes Herz schlagen und war zwei Minuten quasi bewegungsunfähig. Das sind eben die Gefahren. Dort in der Nähe ist einfach nichts im Umkreis von 50 Kilometern, es gibt auch keine Bergrettung. Man braucht alleine zwei Tage um vom letzten Dorf bis zum Fuße des Berges zu kommen. Dann muss man tagelang im Zelt oder einer Eishöhle übernachten.
Was macht für Sie die Faszination aus?
Erfahrung hilft, jedes mal lernt man etwas dazu, auch mit meinem Absturz habe ich viel gelernt. In diesem Fall war ich mit dem Kopf nicht da, ich habe mir schon überlegt, welches Essen ich mir später zubereiten werde. Es ist wichtig, dass man 100 Prozent da ist wo man eben ist, nicht vorausdenken oder in der Vergangenheit leben. Da gibt es nur mehr den Berg und dich, man denkt an nichts anderes, sobald man sich zu viel Gedanken macht, kommt es zu heiklen Situationen.
Was sagt Ihre Familie zuhause zu dieser Leidenschaft?
Nachdem ich das jetzt eigentlich schon ewig mache, weiß ich schon wie weit man gehen kann und weiß noch was vertretbar ist und wann es gefährlich ist, ansonsten drehe ich um und gehe zurück, ich riskiere nie zu viel. Deshalb vertraut mir auch meine Familie
Was bedeutet dieser Vortrag für Sie?
Ich möchte den Menschen, ob Bergsteiger oder nicht, meine Leidenschaft begreiflich machen damit sie sich ein wenig hinein fühlen können und vielleicht auch verstehen, warum man so etwas macht. Hier begibt man sich in Grenzsituationen, in denen man mit seinem Leben, also dem höchsten Einsatz überhaupt, spielt. Es kann schon sein, dass das eine Art Sucht ist, aber man lernt das Alleine sein. Heutzutage kann keiner mehr allein sein. Beim Solobergsteigen muss man jede Entscheidung alleine treffen, hat niemanden mit dem man Dinge besprechen kann - aber so findet man zu sich selbst.
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Zur Sache
Zum Vortrag:
- Was: Vortrag von Extrembergsteiger Markus Pucher unter dem Titel "Im Westen geht die Sonne auf"
- Wann: am 1. Februar um 19.00 Uhr
- Wo: Kultursaal Mühldorf
- Veranstalter: Lions Club Obervellach Region Mölltal
- Tickets: erhältlich bei den Raiffeisenbanken Mittleres Mölltal und Lurnfeld-Reißeck, Papier Huber in Obervellach und Adler Apotheke Obervellach
Zur Person:
- Name: Markus Pucher
- Geboren: 15. Juni 1976 in Villach
- Lebensgefährtin: Tina Preiml
- Kinder: Emily (13 Jahre), Mia (10 Jahre)
- Wohnhaft: Gendorf (Gemeinde Baldramsdorf)
- Beruf: Berg- und Skiführer, Industriekletterer
- Hobbys: Armdrücken, Mountainbiken, Skifahren
- Einstieg ins extreme Eis: 2004 mit Franz Karger im Maltatal
- Bergsteigermotto: „Ich gehe mit Ehrfurcht und Demut durch die Natur und viele unmögliche Wege führen zu meinem Weg. Ich danke immer dem Berg“
- Charakter: Ruhig, zielstrebig, flexibel
- Highlight: Chefbergführer bei den dreijährigen Dreharbeiten zum preisgekrönten Film "Cerro Torre" mit David Lama, Peter Orter in Extrem-Bergsteigerszenen.
Zum Berg:
- Name: Cerro Torre
- Nachbarn: Cerro Stadhardt, Punta Heron, Terro Egger
- Größe: 3.128 Meter
- Beschaffenheit: Granit mit Eis überzogen
- Schwierigkeitsgrad: +6 in der siebenstufigen Eisklettererscala
- Lage: Argentinische-chilenisches Grenzgebiet, Patagonien, Südamerika
- Klima: Sommer (Dezember bis März), Winter (Juni bis September)
- Sommererstbesteigung: Casimiro Ferrari (1974/erste dokumentierte Besteigung)
- Wintererstbesteigung: Bisher witterungsbedingt zwei erfolglose Versuche
Eiskletterrap:
Start auf 450 Meter, zwei Tage auf Tourenski zum Wandfuß (Einstieg/1.500 m), Start der Kletterei, erste Gefahrenstellen (2.500 m), 95 Grad überhängende Steilwand, Schwierigkeitsgrad Mixed 6, flaches Schneefeld, pilzförmiger Gipfel, danke Berg, ich bin am Ziel, wieder hinunter. Gesamtzeit: fünf Tage.
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