"Männer müssen efrauzipiert werden"
Sieglinde Kettner im Gespräch mit der WOCHE über Männerberufe, Pilgerreisen und Rafting.
SPITTAL (ven). WOCHE: Sie haben nun die Ausbildung zum Natur Aktiv Guide gemacht.
Kettner: Ja, ich zeige unseren Gästen gerne die geologischen Besonderheiten unserer Region. Die Nockberge bestehen aus einem anderen Mineral als die Berge südlich der Drau, das ist sehr interessant für Urlauber. Ich mache Kulturwanderungen und so erleben wir 2000 Jahre Geschichte an einem Tag. Von Spittal über Rothenthurn, wo das erste Kloster Kärntens stand, über den Egelsee nach Teurnia, dem Rojachhof, der bereits 1097 erwähnt wurde, Millstatt und dann wieder nach Spittal. Unsere Berge sind gut zu begehen und das Granatvorkommen ist hier einzigartig in Europa.
Also ist der Granat Ihr Lieblingsstein?
Er ist der Feuerstein der Liebe. Heute wird er synthetisch für die Laserindustrie hergestellt. Seine Schönheit öffnet sich erst, wenn das Umgebungsgestein entfernt wird. Karl der Große hatte auch einen Granat in seiner Kaiserkrone.
Sie kennen sich mit Geologie also aus....
Ja ich bin studierte Montanistin. Eine der ersten und einzigen in Österreich. Ich habe 1972 auf der Montanuniversität Leoben mein Studium begonnen. Ich und 980 Männer. Damals gab es für Frauen noch keine eigenen Toiletten. Und auf meinem Diplom steht wegen dem Vordruck "Herr Diplomingenieur Sieglinde Kettner".
Was halten Sie von nackten Frauen in der Werbung?
Für mich ist das kein Problem, für die Werbung ist das ja gängig und ich sehe hier keine Diskriminierung. Die Frauen sind emanzipiert genug. Männer müssen efrauzipiert werden. Man drängt Frauen eine Rolle auf, die sie nicht spielen. Klar ist es nett, wenn ein Mann einem in den Mantel hilft, aber es ist übertrieben festzulegen, wer zuerst ein Lokal betritt.
Sie sind immer noch berufstätig..
Ja ich war zehn Jahre lang Businessmanager für ein amerikanisches Unternehmen, ich war dort für Central Eastern Europe zuständig. Dort habe ich gemerkt, dass in internationalen Teams die Kommunikation verloren geht. Eine Geschäftsentwicklung kann nur stattfinden, wenn das Team stimmt. Mit Polen muss man anders verhandeln als mit Menschen aus Montenegro. Und so habe ich mich nun auf Teambildung spezialisiert und biete dazu Seminare an.
Welche Sprachen sprechen Sie?
Ich habe zu Englisch noch Russisch gelernt. Es ist ein Tür- und Toröffner. Wir freuen uns ja auch, wenn uns jemand auf deutsch anspricht.
Sie haben mit vielen Nationen zu tun gehabt. Was sagen sie zur EU?
Sie ist ein gutes Konstrukt, um wirtschaftlich weiter zu kommen. Aber es stellt sich die Frage, inwieweit die neuen EU-Länder wirklich bereit sind, hier einzusteigen.
Sind Ihre Kinder auch weit gereist?
Ich habe meine Söhne in die Ukraine zur Schule geschickt. Meine Tochter ging in Australien im Outback zur Schule, ein Sohn auch noch in Brasilien. Da haben sie dann gemerkt, wie schön es bei uns ist. Aber es war eine gute Erfahrung für sie. Zu Weihnachten haben uns dann die Kinder aus ihren Gastfamilien besucht. Das war sehr schön, wir feierten Weihnachten mit sechs verschiedenen Nationen und deren Bräuchen.
Verfolgen Sie die WM?
Nein gar nicht. Ich treibe selbst so viel Sport, da habe ich keine Zeit. Ich gehe Schwimmen, Radfahren, Bergwandern, Surfen und auch Segeln. Im Winter auch Schifahren, Schneeschuhwandern und ich baue Iglus. Ich mache Bergwanderungen für integrative Gruppen. Das ist bisher einzigartig. Kürzlich war ich mit Querschnittsgelähmten von der Lebenshilfe beim Rafting. Es geht alles irgendwie, man muss nur genug Einfühlungsvermögen haben und das dementsprechend organisieren.
Ihr Lieblingsplatz?
Die Weiße Wüste in Ägypten. Die Felsformationen wurden durch den Wind geformt. Früher war dort Wald, heute findet man noch versteinerte Holzstücke. Ich male dort auch gerne in der Mittagshitze.
Ihr Lieblingsbuch?
"Die Tiere der Arche Noah". Ich habe für meinen Enkel in seinem Zimmer die Arche Noah gemalt, meine Tochter hat dann Texte zu den Bildern verfasst und wir haben ein Buch daraus gemacht.
Sind sie religiös?
Ich bin Pilgerwanderführerin und katholisch erzogen. Ich bin den Jakobsweg gegangen, aber das hatte eher was mit dem zu sich selbst finden zu tun. 2007 habe ich ein paar Wochen lang eine Pilgerherberge in Spanien geleitet. Im Dezember möchte ich für zwei Monate nach Jerusalem, um in einem Hospiz zu arbeiten.
Haben Sie noch Freizeit?
Ich mache meine Freizeit zum Beruf und mein Beruf ist Freizeit. Urlaub mache ich bei Abenteuerreisen in fernen Ländern. Das Strandliegen ist nicht so meines.
Neue Medien und Facebook?
Ich war eine der ersten Facebook-Anwenderinnen. Bin auch bei Twitter und Xing angemeldet. Ich schätze Facebook nach wie vor, aber es werden immer mehr Belanglosigkeiten gepostet.
Wo ist für Sie zuhause?
Auf der ganzen Welt, wo ich angekommen bin und mich wohl fühle. Egal, ob es jetzt hier im Stadtpark ist oder in Ecuador in Südamerika.
Zur Person:
Name: DI Sieglinde Kettner
Beruf: Bauingenieurin und Kunststofftechnikerin
Geburtstag: 12.07.1952 (biologisch)
Familie: geschieden, zwei Söhne, eine Tochter, drei Enkel
Lieblingsessen: Spaghetti mit selbstgemachtem Pesto
Vorbilder: Menschen, die es aus innerer Kraft schaffen, Zufriedenheit auszustrahlen
Sprachen: Deutsch, Englisch, Russich, Italienisch
Hobbies: Malen, Wandern, Sport
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