Mölltal

Schreibende haben sich zusammengetan

Stall: Autor und Kurz-Filmer Helmut-Michael Kemmer gründete "Mölltaler Schreiberei". Weitere interessierte Schreiberlinge gesucht.

STALL. Die Kunst des Schreibens wird im Mölltal hochgehalten. Autor und Kurz-Filmer Helmut-Michael Kemmer aus Stall hat eine (kleine) Gruppe von Schreibenden um sich vereint. Man nennt sich "Mölltaler Schreiberei". "Wir treffen uns regelmäßig, um uns ein bisschen über Literatur und allerlei Geschichten zu unterhalten, aber vor allem um gemeinsam unterschiedlichste Texte zu schreiben", erzählt Initiator Helmut-Michael Kemmer.

Vorreiter Ecuador

Die Mölltaler Schreiberei entwickelte sich aus dem Mölltaler Geschichtenfestival heraus. Die Idee zur Gründung lieferte Yannin Espinoza Zwischenberger, die selbst begeisternde Texte verfasst. In Ecuador, der Heimat der Pflegedienstleiterin des Hauses St. Laurentius in Winklern, trifft sich ein Kreis von Dichtern regelmäßig, um gemeinsam an Texten und Geschichten zu arbeiten.

Monatliche Treffen

Der Kreis der Mitglieder der Mölltaler Schreiberei umfasst aktuell sechs Personen. Die Treffen sollen künftig zumindest einmal im Monat stattfinden, vorerst in den Räumlichkeiten der Physiotherapie Kemmer in Stall 129. Interessierte jeglichen Alters sind herzlich willkommen. Für Informationen steht Initiator Helmut-Michael Kemmer gerne unter der Telefonnummer: 0676/7000721 oder per E-Mail: moelltaler.schreiberei@gmail.com zur Verfügung.

Viele Ideen

Helmut-Michael Kemmer hat für das kommende Jahr noch viele weitere Ideen. Der 44-Jährige möchte unter anderem Gedichte bekannter Dichter und Literaten, wie Friedrich Schiller oder Bertolt Brecht, filmisch in Szene setzen. Außerdem steht sein Kurzfilm "Futter im Trog", der im Spätsommer in Stall im Mölltal gedreht wurde, kurz vor der Vollendung. Premiere soll das Werk im Februar 2022 im Mini-Kino von Christian Rieder in Spittal sowie im Cinex in Lienz feiern.

Folgend eine Auswahl an Adventgedanken der KünstlerInnen der Mölltaler Schreiberei.

Advent
Advent bedeutet Ankunft, die Christen warten auf den Herrn,
doch längst folgen die Menschen schon einen and'ren Stern!
Skrupellos und unbeirrbar wird diese Welt zerstört,
auf der wir nur zu Gast sind und die uns nicht gehört!
Sie haben sich für Habgier, Macht und Gewalt entschieden,
anstatt für viel mehr Menschlichkeit, für Eintracht und für Frieden!
Doch spür ich einen Hoffnungsschimmer, lass ich mich darauf ein,
ich lass die Kälte vor der Tür und drinnen nur den Kerzenschein!
Wie schon ein Dichter sagte: ,, Jede Hoffnung ist ein Licht auf Zeit und jedes Licht auf dem Adventkranz eine Hoffnung für die Ewigkeit!
by Melitta „Mölltaler Schreiberei“

Advent
Geschlossen:
Die Herbergen
Die Gaststätten
Die Läden
Die Verschönerungsinstitute
Die Optimierungscenter
Die Unterhaltungshallen
Die Tempel der Kultur
Wir kennen das.
Wir kommen zurecht.
Wir wissen:
Alles sperrt wieder auf.

Aber was passiert
Mit den Klappen vor den Augen
Mit den Pfropfen in den Ohren
Mit den Riegeln vor den Herzen?

Gibt es auch ein Ende
Für dein Lockdown
Des Mitgefühls?
by Pulcheria „Mölltaler Schreiberei“

Weihnachtsstille
Mit dem End kommt im selben Moment
Jedwedes Glück und bringt Leben.
Ein Stück mehr von allem, Segen, Wahrheit, Reue.
Diese Weihnacht, letzte Weihnacht.
Weihnachtsstille, Hoffnung, Neuanfang.
Es geht zu End jedes Jahr
Jeder Zyklus, jedes Jahrhundert
Jedes Schicksal und jedes Leben.
Letzte Weihnacht, diese Weihnacht
Weihnachtsstille, Hoffnung, Neuanfang.
by Helmut-Michael Kemmer - „Mölltaler Schreiberei“

In Advent (Die Herbergsuche* - neu interpretiert)
Josef geht so schnell er kann. Er muss vor der Sperrstunde in der Pension ankommen. Von diesem Punkt des Berges, scheint das Dorf sehr nah zu sein. Er bewegt seine Füße schnell, dennoch wird er das Gefühl nicht los, dass er die ganze Zeit fünf Schritte vorwärts- und zehn Schritte zurückgeht. Er ist müde. Er war vor etwa vier Kilometern bei einer Haltestelle aus dem Bus ausgestiegen, nachdem jemand ihm auf seiner Frage mit „Ja“ geantwortet hatte. Jedenfalls glaubte er das durch die Maske am Mund jener Frau in der letzten Reihe gehört zu haben.

Ein paar Tage bevor er die Stadt verlies, besuchte er einen Freund, der auch seine Wohnung verloren hatte, jetzt in einer Zugstation schläft, und gab ihm seinen Schlafsack. Der Mann sagte, er habe schon einen Schlafsack, aber Johannes, ein Mann, der auf einer Bank in der Nähe saß, hatte noch keinen. Ein junger Mann, mit fragilem Körper und traurigem Blick, nahm den Schlafsack, versuchte zu lächeln, und bedankte sich mit einer Kopfbewegung.

Vor einer Woche hatte Josef sein letztes Geld von der Bank genommen. Den größten Teil gab er seiner Frau. Sie und ihr gemeinsamer Sohn wohnten derzeit bei ihren Eltern, und warten dort, auf eine Besserung der Situation. Er entschied sich, die Stadt für eine Weile zu verlassen, und in einem Dorf einen Job zu suchen. In der Stadt hatte er die Hoffnung verloren. Neu anfangen, sei es als Küchenhelfer im Restaurant oder Hotel, Hauptsache einen bezahlten Job. Vielleicht könnten sie ihm auf dem Gemeindeamt bei Wohnungs- und Arbeitssuche helfen. Warum nicht? Für den Anfang, könnte er ein paar Tage in der Pension übernachten. -Ich hoffe sehr, dass das möglich ist, dachte er für sich. Adventzeit. Herberge suchen. Wie Maria und Josef zu ihrer Zeit, nur anders. Er folgte den Lichtern, die ihm, wie seiner Zeit der Stern den drei Königen, den Weg zur Herberge leuchteten. Wenn alles gut geht, könnte er bald seine Familie besuchen, hoffentlich zu Weihnachten. Sein Herz überschlug sich in seiner Brust, während Bilder von Umarmungen und Küssen, und er, seine Frau und Kind an einem festlich geschmückten Tisch sitzend, betend und vor dem Festessen, Weihnachtslieder singend, erfüllten seine Gedanken.

Vor ein paar Stunden noch, hatte er im Sanitärbereich einer Bahnstation, einen Antigentest gemacht, um sicher zu gehen, dass er nicht infiziert war. Eine Verkühlung und Körperschmerzen hatten in der Nacht zuvor begonnen, ihn zu ängstigen. Er hatte Sorge, einen unerwarteten Begleiter mit sich zu tragen. Er hatte schon von Fällen gehört, die sich trotz zweimaliger Immunisierung, angesteckt hatten. Er atmete ruhig als die Probe negativ anzeigte. Er war erschöpft, die Reise war lang.

Endlich erreichte er das Dorfzentrum. Er folgte den Hinweisen nach rechts, und eine kleine Straße führte hinab zur Pension. Stimmengemurmel und Musik aus dem Radio war in der Stille der Nacht zu vernehmen.
Neben dem Hauptgebäude stand ein großer Stall. Er dachte, dieser könne den Besitzern der Pension gehören. Als er vor der Pensionstür ankam, war ein selbst geschriebenes Plakat daran befestigt, welches folgendes enthielt: “Ab Montag wegen des behördlich angeordneten Lockdowns, geschlossen“ Vom Stall her hörte er das Blöken der Schafe.
by Yannin Espinoza Zwischenberger - „Mölltaler Schreiberei“
*Als Herbergssuche wird in der christlichen Tradition die vergebliche Suche von Maria und Josef nach einer Unterkunft in Bethlehem vor der Geburt Jesu Christi bezeichnet.