Wir sind Kärnten: "Wollte immer mein Wissen weitergeben"

OBERVELLACH (ven). Reinhild Wendl könnte in ihrer Pension die Füße hochlegen - tut sie aber nicht. Sie fährt ein bis zwei Mal pro Jahr für je vier Wochen nach Tansania, denn dort gründete sie im Rahmen des Projektes "Africa Amini Alama" eine Frauenberufsschule für Schneiderinnen.

Talent erkannt

Geboren ist sie 1940 in Obervellach und besuchte die Frauengewerbeschule in Villach. "Meine Mutter war Hobbyschneiderin, meine Großmutter Handarbeitslehrerin in Budapest." Eigentlich wollte sie, nachdem sie im Skirennsport aktiv war, an die Landesfinanzdirektion, dort freigestellt werden und sich dem Rennsport widmen. "Eine Freundin meiner Mutter erkannte aber mein Talent zur Schneiderei und mir den Weg nach Villach geebnet", so Wendl. Sie kniete sich in die Ausbildung rein, war Schul- und Klassensprecherein, absolvierte sämtliche Prüfungen mit Auszeichnung.

Stelle bei Adlmüller

Nach der Meisterprüfung war der Weg frei nach München. "Aber ich hatte keine Praxis und war für alle zu jung", erinnert sie sich. So bekam sie eine Stelle beim Modehaus Adlmüller als Volontärin. "Das war mein Sprungbrett. Ich setzte mich schließlich durch, als der dort angestellte Meister krank wurde und leitete das Modehaus mit meiner Konzession, die ich mir in Deutschland anerkennen ließ", so die ehrgeizige Mölltalerin.

Lehrlinge ausgebildet

1968 machte sie sich trotzdem in Obervellach mit der ersten Boutique Kärntens selbstständig, um das Modehaus in München völlig zu übernehmen, fehlte ihr das Geld. "Bis 1973 fuhr ich wöchentlich für drei Tage nach München, dort durfte ich auch Lehrlinge ausbilden. Ich wollte immer mein Wissen weitergeben, das war mir immer sehr wichtig." 

Selbst alles können

Mit einer "Boutique" konnte man damals in Kärnten auch noch nicht viel anfangen. "Und für einen Coutureladen fehlte mir das Geld", erinnert sie sich. Durch den Verkauf von hochwertiger Handelsware mit fachlich guter Betreuung kam sie kaum mehr dazu, selbst zu nähen. "Mein Leitspruch aber lautete immer: Wenn du Wissen weitergeben willst, musst du es selbst können." So kam es auch, dass sie in einer namhaften Sportartikelfabrik ausgeholfen hat und bei diversen Weltkongressen der Maßschneider sehr erfolgreich teilnahm - auch mit Vorträgen über Schnitttechnik, einem Hobby von ihr. Heute ist ist Innungsmeister-Stellvertreterin und Vorsitzende der Lehrabschlussprüfungskommission sowie der Meisterprüfung der Wirtschaftskammer. 

Start mit 40 Nähmaschinen

Kurz vor ihrer Pension im Jahr 2010 kam von Christine Wallner der Ruf nach Afrika, dem sie gefolgt ist. Durch einen WOCHE-Aufruf nach mechanischen Nähmaschinen konnten 40 Stück aufgetrieben werden, damit startete Wendl in Tansania die erste Ausbildung für Schneiderinnen, die mittlerweile mit Spenden und Unterstützung von Helga Spitzer zu einer Berufsschule mit Theorie, kaufmännischen Fächern, und Praxis sowie Gesellen- und Meisterprüfung gewachsen ist. 

Rastlose Karrierefrau

"Ich kann meine Füße nicht hochlegen, bin immer schon Karrierefrau gewesen, das gebe ich zu", so die Mutter eines Sohnes und Großmutter von zwei Enkeln. Ausgleich findet sie beim Golfen (auch als Clubmeisterin) und in der Musik, hauptsächlich Opern und Operetten. Sie wird aber fast täglich - per Mail oder Whatsapp - mit Informationen von und über die Schule konfrontiert und kümmert sich um deren Belange. 

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