"Politikverdrossenheit ist gefährlich"

Blick auf den Balkon des Belvedere am 15. Mai 1955: Leopold Figl mit dem Staatsvertrag. | Foto: Foto: Votava
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  • Blick auf den Balkon des Belvedere am 15. Mai 1955: Leopold Figl mit dem Staatsvertrag.
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BEZIRK (ven). WOCHE: Die UNO hat den 15. September zum Tag der Demokratie erklärt. Braucht man heutzutage solche Gedenktage?
ANDERWALD: Wir haben fast eine Inflation von Gedenktagen. Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht an etwas erinnert wird. Demokratie sollte uns das ganze Jahr über bewusst sein.

Erst 1945 wurde die Republik Österreich wieder auf der Grundlage demokratischer Prinzipien errichtet. Was sind diese demokratischen Prinzipien?
Diese demokratischen Prinzipien beruhen auf die Mitbestimmung des Volkes an allen wichtigen Entscheidungen, wie die Gesetzgebungskompetenz des Nationalrates und auch eine dementsprechende Kontrolle durch unabhängige Instanzen. Dazu gehört auch eine unabhängige Gerichtsbarkeit. Das sind die wesentlichen Eckpfeiler der Demokratie.

Warum hat sich dies in vielen anderen Ländern noch nicht durchgesetzt?
Wir müssen betrachten, dass wir in Europa auch sehr lang gebraucht haben, bis wir zu demokratischen Systemen gekommen sind. Die Demokratie stammt aus Griechenland. Dort war sie eigentlich auch eine Demokratie, da nur ein kleiner Teil der Bevölkerung an politischen Entscheidungen teilgenommen hat. Ein großer Teil war versklavt. Selbst in Griechenland hat es die Diskussion gegeben, welche Staatsform die ideale ist. Da gibt es die entarteten Formen wie die Tyranis, Monarchie, Aristokratie, Oligarchie, Anarchie als Gegenteil der Demokratie. Wir sollten hier nicht den Zeigenfinger auf Staaten richten, die noch nicht so weit sind. Es ist eine Entwicklung, die wahrscheinlich Jahrhunderte braucht.

Wenn man's denn will..
Das ist die Frage. Winston Churchill sagte bereits "Die Demokratie ist eine schlechte Staatsform, aber wissen Sie eine bessere?" Nun ist es sehr schwer, bei strammen Strukturen von oben herab etwas zu bestimmen. Das war auch beim Arabischen Frühling ein missglückter Versuch, das mit einem Schlag zu ändern und nicht auf die besonderen Strukturen in diesen Staaten Rücksicht zu nehmen.

Nun gibt es die Gegenbewegung, die IS..
Ich bin zwar überzeugter Demokrat, aber in bestimmten Situationen ist es sicherlich wichtig, nicht die starke Hand zu haben, aber bewährte Machtstrukturen wie die Armeen in Ägypten aufrechtzuerhalten. Es ist eine Art Oligarchie von Offizieren, die sich selbst Vorteile verschaffen, aber doch in der Lage sind, Akzeptanz in der Bevölkerung zu finden. Die Muslimbrüderschaften wurden zwar legitim gewählt, aber haben versucht, diese Herrschaft von innen zu installieren und das Gegenteil der Demokratie wieder einzuführen.

Was sind die wichtigsten Voraussetzungen, damit Demokratie entstehen kann?
Ein Bewusstsein für diese Staatsform, politische Bildung von der Jugend an schon in den Schulen. Das Bewusstsein für Demokratie ist nichts Selbstverständliches. Es gibt auch bei uns in Österreich den Ruf nach einem starken Mann und das sollte in den Schulen im Rahmen der politischen Bildung vermittelt werden.

Ist die Demokratie die beste Herrschaftsform?
Wie Churchill schon sagte..

Welche Gefahren hat die Demokratie heutzutage?
Die Gefahren sind, dass die Gewählten abgehoben werden und das sprichwörtliche Ohr am Volk nicht mehr haben und dadurch die Meinung in der Bevölkerung entsteht, es habe sowieso keinen Sinn, wählen zu gehen. Die größte Herausforderung für die Demokratie allgemein sind die Wahlbeteiligung, Politikverdrossenheit, und die Resignation der Wähler mit der Prämisse "Ich kann eh nichts ändern und beteilige mich nicht mehr daran." Es ist eine gefährliche Erscheinung. Auch in der Stadt Spittal. Bei der letzten Gemeinderatswahl in Klagenfurt gab es eine Wahlbeteiligung von nur 56 Prozent. Das ist für eine Landeshauptstadt zu wenig, auch angesichts der großen Auswahl der Kandidaten.

In vielen Organisationen und Institutionen wird Lobbyismus betrieben. Höhlt das nicht die Demokratie aus?
Es kommt auf die Ausgewogenheit an und wofür ich mich einsetze, in welchem Ausmaß das notwendig ist. Es wird nie wegzubringen sein, denn jede Interessensgruppe hat ihre Vertreter und versucht, Einfluss auf politische Parteien zu haben. Wir haben ja auch Lobbyisten bei den Sozialpartnern wie Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer etc. Das ist ein demokratisch legitimiertes Lobbying. Es wird in Österreich noch nicht so stark gehandhabt, wie in den Vereinigten Staaten oder in der Europäischen Union.

Man ist sich dem Lobbyismus der Sozialpartner nicht bewusst...
Ja aber das ist ein System, das sich in Österreich sehr gut bewährt hat und für das wir von vielen europäischen Staaten auch beneidet werden. Das System hat dazu geführt, dass wir in Österreich Meister bei den Nicht-Streiktagen sind, da soziale Sicherheit besteht. Es ist natürlich eine Art Parallelsystem zu Parlament und Regierung, bedingt durch die Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg. Aber es hat sich meiner Ansicht nach gut bewährt, sofern es keine Auswüchse hat die Pflichtmitgliedschaft, die zu überlegen sein wird.

Blick auf den Balkon des Belvedere am 15. Mai 1955: Leopold Figl mit dem Staatsvertrag. | Foto: Foto: Votava
Karl Anderwald is Politikwissenschaftler und Herausgeber des Jahrbuches für Politik
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