Forschung FH St. Pölten
Wenn der Klimaschutz am Ticketkauf scheitert

Nice Ville | Foto: Thomas Preslmayr
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Studie: Bis zu 50% mehr Bahnfahrgäste möglich

ST. PÖLTEN (pa). Sommerzeit ist Reisezeit. Die aktuell zahlreichen Flugausfälle und das Chaos auf den Flughäfen lassen internationale Bahnreisen als gute Alternative erscheinen. Das Verlagern innereuropäischer Flug- auf Bahnreisen wäre auch im Sinne des Klimaschutzes wünschenswert. Das Bahnangebot auf mittleren Distanzen wird zudem durch den Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes immer besser. Dennoch steigen viele Menschen lieber in den Flieger statt in den Zug. Der Grund liegt unter anderem am komplizierten Kauf internationaler Tickets, wie eine Studie der FH St. Pölten ergeben hat.

Die Verlagerung von Reisen vom Flugzeug auf die Bahn wäre dringend nötig, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. Trotz Digitalisierung und globaler Vernetzung sind aber durchgängige Buchungen nicht immer möglich.

„Fehlende verbindliche Standards oder nationale Besonderheiten in der Tariflandschaft sind der Grund dafür. Für die Buchung internationaler Bahnfahrkarten sind in der derzeitigen Situation also Geduld, Fachwissen oder Hilfestellungen nötig. Darum bevorzugen Reisende trotz guter Verbindungen im Schienenverkehr oft doch aus Einfachheitsgründen das Flugzeug“

, sagen die Studienautoren Thomas Preslmayr und Absolvent Thomas Stütz vom Department Bahntechnologie und Mobilität der FH St. Pölten.

Bis zu 50% mehr internationale Bahnfahrgäste möglich

Das Potenzial für mehr Fahrgäste in internationalen Zügen sei hoch: „Unsere Studie hat gezeigt, dass ein Drittel der Kund*innen an der Buchung internationaler Bahntickets scheitert. Gegenüber heute könnten funktionierende Ticketingsysteme also ein Potenzial von bis zu 50% mehr internationalen Bahnfahrgästen gegenüber heute bedeuten“, so Preslmayr.

Lange Buchungsdauer, häufiger Abbruch

Für die Studie mussten 76 Proband*innen 46 europäische Reiserouten mehrfach buchen – mal mit der Bahn, mal mit dem Flieger. Die Wahl des verwendeten Ticketshops stand den Teilnehmer*innen frei. 20 europäische Ticketshops wurden in der Studie getestet. Von 152 Buchungen sind beim Flieger nur 5 am Buchungsprozess gescheitert – bei der Bahn 50. Das bedeutet eine 10 mal höhere Misserfolgsquote bei Bahnbuchungen im Vergleich zu Flugbuchungen. Die größte Zahl der Flugbuchungen war in 5 bis10 Minuten abgeschlossen, die größte Zahl der Bahnbuchungen hat aber 15 bis 30 Minuten in Anspruch genommen.

Die Studienteilnehmer*innen nahmen Bahnbuchungen aber positiv in Hinsicht auf Preis- und Transparenz wahr, da im Gegensatz zu Flugbuchungen keine versteckten Gebühren auftreten. Internationale Bahnreisen wurden also als günstig wahrgenommen.

„Grundsätzlich gilt, dass alle Direktverbindungen ab Österreich oder auch Umsteigeverbindungen von Österreich nach Deutschland gut buchbar sind. Schwierigkeiten bereiteten Umsteigeverbindungen in alle anderen Länder. Eine Häufung von Buchungsproblemen ist zu Zielen nach Süd- bzw. Osteuropa zu sehen“, so Stütz.

Technische Harmonisierung und politische Vorgaben

Ein wesentlicher Grund für die schwere Buchbarkeit internationaler Bahnreisen ist laut den Studienautoren eine unvollständige technische Harmonisierung der Ticketsysteme: Teils veraltete Vertriebs- und Reservierungssysteme, unterschiedliche Tarifsystematiken und Tickets mit oder ohne Zugbindung erschweren das länderübergreifende Buchen.

Der internationale Eisenbahnverband (UIC) hat einen gemeinsamen Standard entwickelt, der grenzüberschreitende Bahnbuchungen erleichtert. Einige Bahnen wie die ÖBB-Personenverkehr AG versuchen, die Situation proaktiv zu verbessern, so die Studienautoren: Sie nimmt damit eine Vorreiterrolle ein und hat als eine der ersten Bahnen den neuen Standard implementiert. Damit lässt sich jetzt problemlos eine Fahrkarte von Wien nach Rom für eine unter Tags Fahrt mit Umsteigen in Venedig kaufen. Das hat davor in der Studie noch kein*e einzige*r Teilnehmer*in geschafft. „Erste Verbesserungen sind also auf Schiene“, blickt Preslmayr grundsätzlich optimistisch in die Zukunft „Auch die Europäische Union hat die Dringlichkeit des Problems erkannt und arbeitet an einer umfassenden, europaweiten Lösung. Die derzeitigen Verbesserungen sind nämlich nach wie vor Flickwerk, weil die Umsetzung freiwillig ist.“

Interoperabilität im Eisenbahnverkehr

Aber auch unterschiedliche nationale Gesetze oder kommerzielle Entscheidungen der Bahnen tragen einen wesentlichen Teil dazu bei, etwa unterschiedliche Altersgrenzen für Kinder, Vorverkaufsfristen und Ermäßigungen.

Der einheitliche europäische Eisenbahnraum (Single European Railway Area) erfordert Harmonisierungen auf technischer, organisatorischer und rechtlicher Ebene. Damit die Bahn konkurrenzfähig gegenüber dem Straßenverkehr werde, dürfe nicht auf der Brennerroute durch Tirol innerhalb von 100 Kilometern zweimal an den Grenzen die Lok und das Personal gewechselt werden. „Daran arbeitet die Europäische Eisenbahnagentur (ERA) mit den Technischen Spezifikationen zur Interoperabilität. Da ist zum Beispiel mit dem europäischen Zugsicherungssystem ETCS schon viel geschehen – im Ticketing gibt es aber definitiv noch großen Aufholbedarf“, resümiert Frank Michelberger, Leiter des Carl Ritter von Ghega Instituts für integrierte Mobilitätsforschung an der FH St. Pölten.

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