Grauslichkeiten mit System
BEZIRK (pez). Zum 40-Jahr-Jubiläum des Arbeitszeitgesetzes will sich bei der Arbeiterkammer keine besondere Feierlaune einstellen. Der Grund: Immer öfter müssen Arbeitnehmer unbezahlte Stunden leisten, Überstunden werden nicht abgegolten oder Arbeitszeit gleich gar nicht bezahlt, wie Gerhard Anderl vom Rechtsschutzbüro der Arbeiterkammer erklärt.
„Es gibt sehr viele kleine Grauslichkeiten mit System“, so der Rechtsexperte. Für den einzelnen Arbeitnehmer mag sich der finanzielle Verlust von beispielsweise zwei unbezahlten Arbeitsstunden oft in Grenzen halten, so Anderl, aber volkswirtschaftlich käme „ein gewaltiger Betrag“ zusammen. Es gibt zwar ein Arbeitszeitgesetz, aber: „Wir haben das Gesetz auf der einen und die vollkommen davon entfernte Praxis auf der anderen Seite“, erklärt Anderl die Probleme der Arbeitnehmer. Dazu kommt, dass Arbeitszeitprozesse kaum zu gewinnen sind, weil oft Aussage gegen Aussage steht.
25-Jährige arbeitete gratis
Einen besonders krassen Fall hat auch der Arbeiterkammer-Leiter in Waidhofen, Leopold Kapeller, auf Lager: Eine 25-Jährige tappte gleich bei zwei Gastronomiebetrieben in die Arbeitszeit-Falle. Sie wurde zum Probearbeiten engagiert, nach einem Tag Arbeit entschloss sich der Lokalbetreiber die junge Frau nicht anzustellen. Lohn für den Arbeitstag erhielt sie keinen. Kurz darauf arbeitete die 25-Jährige sogar vier Tage zur Probe - wieder ohne einen Cent Bezahlung. Bei der Sozialversicherung wurde die Frau ebenfalls nicht angemeldet.
Niedriglohn darf nicht Null-Lohn werden
„Es handelt sich um sehr kleine Beträge, aber wir müssen dem Trend vom Niedriglohn zum Null-Lohn einen Riegel vorschieben“, fordert Kapeller. Ein Trend, der immer öfter zu beobachten ist: „Man glaubt, sich über Probearbeit billige Arbeitskräfte zu holen“, weiß der AK-Experte.
Der Fall der 25-Jährigen kam den beiden Probe-Arbeitgebern jedoch teuer: Nicht nur die Ansprüche der Frau wurden eingefordert, auch die Sozialversicherung wurde von der Arbeiterkammer auf den Fall aufmerksam gemacht.
Arbeitgeber fürchten Imageschaden
Laut dem Horner AK-Chef Robert Fischer wüssten viele schwarze Schafe unter den Arbeitgebern ganz genau Bescheid, dass solche Fälle rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Oft reiche schon ein Anruf der Arbeiterkammer aus, um die Unternehmer zum Einlenken zu bringen, so Fischer. Denn ein Gerichtsprozess, den der Arbeitgeber nicht gewinnen kann, ist nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch mit einem gewaltigen Imageschaden verbunden, sagt Fischer.
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