Lehrlingsschwerpunkt 2020
Narr: "Lehrlinge sind gefragt"

David Narr, selbst Absolvent einer Lehre, koordiniert die Belange der Lehrlinge in der WK Tirol. | Foto: © Die Fotografen
  • David Narr, selbst Absolvent einer Lehre, koordiniert die Belange der Lehrlinge in der WK Tirol.
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David Narr ist der Lehrlingskoordinator der Wirtschaftskammer Tirol. Wir baten ihn zum Interview.

Sie sind seit Dezember 2019 Lehrlingskoordinator in der WK Tirol, mit dem Ziel, Image und Qualität der Lehre zu verbessern. Hat Corona hier dazwischengefunkt?
David Narr:
"Nein, Corona hat sogar gezeigt, dass der Einsatz der Lehrlinge in sehr vielen Fällen systemrelevant war. So wurde vielen bewusst, wie wichtig Fachkräfte für unseren Wirtschaftsstandort sind. Auch die Ausbildung wurde in der Coronakrise genauso qualitativ hochwertig weitergeführt."

Und wie stehen die Chancen in der Krise, in Tirol eine Lehrstelle zu finden?

"Nach wie vor sehr gut. Es gibt derzeit ca. 2.000 offene Lehrstellen in Tirol, quer durch alle Branchen. Natürlich gibt es Bereiche, die sich – bedingt durch Corona – in Schwierigkeiten befinden. Auch gibt es Verunsicherung, was die Zukunft bringt. Trotzdem wage ich die Behauptung, dass in Tirol in den nächsten Monaten die Angebotsseite nicht eklatant einbrechen wird.“

Sie sind ja selber erfolgreicher Absolvent einer Lehre. Warum hat die Lehrausbildung noch immer nicht den Ruf, den sie verdient?
„Das vielzitierte Imageproblem ist ein hartnäckiges Vorurteil. Es ist auch nicht wirklich nachvollziehbar, wenn in der öffentlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema einerseits händeringend nach Fachkräften, die aus der dualen Ausbildung kommen, gesucht wird – andererseits man immer wieder die Botschaft transportiert, dass gerade diese Ausbildung so schlecht sei. Die Lehrlingsausbildung ist eine praxisorientierte Fachausbildung auf hohem Niveau und steht der theoretischen Ausbildung in den Vollzeitschulen um nichts nach. Das wurde jetzt auch durch die entsprechende Einordnung der dualen Lehrlingsausbildung im europäischen Qualifikationsrahmen bestätigt.“

Sind aber nicht auch die Grundschulen und Polytechnischen Schulen schuld, die könnten doch auch dazu beitragen, das Image einer Lehre zu heben?

"Grundsätzlich gehören die Polytechnischen Schulen überholt und generell an den Schulen mehr Wirtschaft gelehrt. Das Interesse der Lehrpersonen an den Schulen ist generell überschaubar. Hier gehört angesetzt, damit das Verständnis für die Lehre verstärkt an den Schulen vermittelt wird."

Der Tenor aus der Wirtschaft lautet, dass Corona den Facharbeitermangel nicht mildern wird. Also eine Chance für die Jugend trotz Krise?
"Davon bin ich fest überzeugt. Der Facharbeitermangel bleibt uns trotz Corona erhalten. Und jeder, der nicht eine Lehre absolviert, heizt den Facharbeitermangel weiter an. Der zieht sich vom Gewerbe und Handwerk über die Industrie durch alle Sparten."

Viele Unternehmen suchen auf der anderen Seite Lehrlinge, ohne Erfolg. Liegt es auch am mangelnden Respekt gegenüber den jungen Leuten oder ist die Qualität der Ausbildung zu niedrig?
„Nein. Denn meine Erfahrung durch viele Betriebsbesuche ist eine ganz andere. Da müssen einige Kriterien zusammenpassen. Das ist kein Spezifikum des Lehrlingsmarktes. Auch hat das nichts mit Respektlosigkeit zu tun. Im Gegenteil – für viele Unternehmer ist die Ausbildung der Lehrlinge Chefsache. Ein Unternehmen kann nur wirtschaftlich arbeiten, wenn es gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung hat."

Liegt es etwa auch an den Lehrlingsgehältern?
"Nein, die Lehrlingsgehälter sind nicht die Ursache. Viele Umfragen belegen das auch. Zudem reagiert der Markt, da haben einige Branchen in den letzten Jahren gut nachgezogen."

Wird am dualen Ausbildungssystem festgehalten oder wird es neue Wege der Lehrlingsausbildung geben?
"Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dieses duale Ausbildungssystem immer noch eines der besten in Europa ist und um das uns viele auch beneiden. Natürlich hat sich die Lehrlingsausbildung über die Jahre verändert und es sind viele Projekte, Initiativen und Spezialisierungen dazugekommen. Das Grundprinzip der Dualität, nämlich Schule in Verbindung mit betrieblicher Praxis, bewährt sich aber nach wie vor."

Sie haben angekündigt, einen Lehrlingsrat installieren zu wollen, der neben bildungspolitischen Themen auch PR und Marketing-Angelegenheiten rund um die Lehre diskutieren und Handlungswege beschließen soll. Wie steht es damit?
"Bei diesem Ansinnen hat uns die Coronakrise einen Strich durch die Rechnung gemacht. Daher wird sich dieses Projekt voraussichtlich auf 2021 verschieben."

Es gibt Berufe, die sind sehr gefragt, andere weniger. Was raten Sie einem Jugendlichen, der eine Lehrstelle sucht und in seinem Wunschberuf nicht findet?
"Ich rate jedem derzeit, sich nicht durch eine Absage entmutigen zu lassen. Auch sollten sich die jungen Menschen verschiedene Berufsbilder ansehen, vielleicht entdecken ja einige ganz neue Betätigungsfelder."

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