Pflege daheim - Tullner werden immer älter
Im Leben begegnet man Engeln
Die Zahl alter Menschen im Bezirk steigt rasant. Die Politik reagiert mit neuen Pflegekonzepten.
BEZIRK TULLN. Die Zahl der Menschen mit 80 Jahren und älter wird im Bezirk Tulln bis 2035 um 70 Prozent steigen. Derzeit werden rund 59 Prozent im Bezirk informell, das heißt insbesondere durch Angehörige, gepflegt. 18,2 Prozent durch mobile Dienste, 10,7 Prozent sind in der 24-Stunden-Betreung und 11,6 Prozent stationär in Pflegeheimen (siehe zur Sache). Wenn sie an ihre Zukunft denken haben die Tullner ganz klare Vorstellungen. Neun von zehn wollen auch im Alter in den eigenen vier Wänden leben. Das Land Niederösterreich plant deshalb , eine ‚Pflege daheim‘-Garantie einzuführen und den Grundsatz ‚Mobil vor stationär‘ im Pflegesystem verankern. Auch für pflegende Angehörige soll es Verbesserungen geben (siehe Interview).
Pflege oder Pflegeheim
Gertrude Heunebichler ist bereits in Pension und vor einem Jahr nach Tulln gezogen, wo auch ihre Tochter wohnt: "Ich möchte so lange wie möglich zu Hause bleiben und hoffe, dass ich Hilfe durch meine Tochter bekomme. Falls notwendig würde ich auch in ein Pflegeheim gehen." Stefan Fröhlich aus Tulln bekommt bereits Hilfe durch seine Frau Brigitte, die pensionierte Krankenschwester ist: "Ich bin sehr krank und brauche wegen meiner Gattin keine Pflegehilfe. Wir sind getrennt, verstehen uns aber immer noch gut." Sie ergänzt: "Drei Mal in der Woche bin ich bei meinem Gatten, zwei Mal bei meiner 80jährigen Mutter. Ich hoffe, dass mich meine Hunde fit halten, aber wenn es sein muss, würde ich auch in ein Pflegeheim gehen."
Im Garten des Lebens
Die Bezirksblätter haben Roman Hrasny aus Gaisruck befragt, der langjährig Pfleger im Bezirk Tulln war. Heute ist er Stellvertretender Regionalleiter im Weinviertel für die Volkshilfe NÖ. "Das Leben ähnelt einem Garten. Hier sieht man auch das Aufblühen, das Welken, das Sterben - und wir können es annehmen", so Hrasny und ergänzt: "Der Umgang mit Krankheit und Tod ist wichtig. Die Angehörigen müssen gut aufgeklärt sein, damit sie den Verlauf einer Krankheit, wie etwa Demenz, kennen und sich darauf einstellen können. Gerade Demenzkranke benötigen Beschäftigung. Eine Tageszentrale vollbringt oft wahre Wunder."
Ein Klient hat mir gesagt: Im Leben begegnet man lauter Engeln.
- Roman Hrasny
Schöne und bittere Seiten
Auf welche Schwierigkeiten trifft man? "Für die Klienten selbst ist es oft ein Schock gepflegt zu werden. Plötzlich kommt ein völlig Fremder ins Haus, daran müssen sie sich erst gewöhnen." Er rät dazu sich möglichst früh Hilfe ins Haus zu holen, weil eine Gewöhnung langsamer erfolgen kann.
"Auch ist es für die Angehörigen wichtig, damit diese nicht überlastet sind", so der Mann, der schon mit 18 seine Berufung in der Pflege gefunden hat. "Die höchste Wertschätzung ist das Lob durch einen Patienten. Das Schöne am Pflegeberuf ist das Geben. Viele Klienten sind sehr dankbar und auch die Angehörigen sind erleichtert, wenn eine gute Zusammenarbeit erfolgt und sie merken, dass sie nicht verdrängt werden", erzählt Hrasny über die positiven Seiten. Doch wie sehen die dunklen Seiten aus? "Psychische Erkrankung fordern einen körperlich und seelisch stark. Oft ist man auch mit viel Elend konfrontiert, mit Armut und Einsamkeit. Gerade Einsamkeit macht die Klienten krank und depressiv. Dagegen gibt es nun auch Sozial-Alltagsbegleiter, die nicht pflegen, aber mit dem Klienten reden oder spazierengehen", erklärt Hrasny.
Zur Sache
Im Bezirk Tulln gibt es drei Heime, das Pflege- und Betreeungszentrum Tulln und die SeneCura Sozialzentren in Grafenwörth und Sitzenberg-Reidling.
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