"Schlucken bedeutet Lebensqualität"
Europäischen Welttages der Logopädie: Andrea Kammerhofer aus Judenau über das Berufsbild, "Metterlinge" und die Persönlichkeit.
JUDENAU-BAUMGARTEN / BEZIRK. Anlässlich des Europäischen Welttages der Logopädie am 8. März trafen die Bezirksblätter Andrea Kammerhofer. Sie hat ihre Praxis in der Baumgartner Volksschule und spricht über Kinder, die "Dokodile und Meetterlinge" sagen, über ihre eigene Stimme und die Bedeutung des Schluckens.
BEZIRKSBLÄTTER: Frau Kammerhofer, wenn man an Logopädie denkt, denkt man auch sofort an die Behandlung von Kindern ..."
KAMMERHOFER: "Ja, das stimmt. Eltern kommen mit ihren Kindern, weil sie artikulatorische Probleme oder auch Probleme mit Mundfunktionen haben. Beispielsweise sagen sie anstatt Schmetterlinge Metterlinge oder statt Krokodil Dokodil. Doch Kinder sind nicht die einzige Gruppe. Ich habe auch viele Patienten mit Stimmstörungen, beispielsweise Heiserkeit. Und dies kann so weit führen, dass die Stimme gar nicht mehr vorhanden ist".
"Was ist eigentlich Balsam für die Stimme?
"Die Stimme will's gern feucht. Das bedeutet viel trinken. Aber nicht Kaffe. Auch das Rauchen ist nicht förderlich".
"Was sagt die Stimme über einen Menschen aus, beziehungsweise können Sie auf Anhieb erkennen, mit welchem Typ Sie es zu tun haben?"
"Ja, grundsätzlich kann man das. Schließlich hat die Stimme mit Persönlichkeit zu tun, aber nicht umsonst hat Stimmung den gleichen Wortstamm. Der seelische Zustand schwingt immer in der Stimme mit."
"Aber man ist immer über die eigene Stimme entsetzt, wenn man sich beispielsweise auf Band hört. Wie geht's Ihnen dabei?"
"Gleich wie allen anderen auch. Ich denke mir immer: Oh Gott, die armen Menschen, die mir zuhören müssen".
"Sie haben erwähnt, dass nicht nur Kinder Ihre Patienten sind. Wer noch?"
"Ein Drittel sind neurologische Patienten. Menschen, die einen Schlaganfall hatten, ein Schädel-Hirn-Trauma oder an Parkinson leiden. In Wirklichkeit betrifft die Logopädie einfach alle, die eine Störung beim Schlucken, der Stimme oder aber der Sprache haben".
"Wie sieht es eigentlich im Bezirk aus: Gibt es genügend Logopäden oder gebe es mehr Nachfrage?"
"Wir hätten viel mehr Bedarf. Ich glaube aber, dass kein einziger Bezirk abgedeckt ist. Es werden auch wenig Kassenverträge ausgestellt. Bei der Ausbildung gibt es zudem ein Aufnahmeverfahren und viele Bewerber auf wenig Plätzen".
"Der Ansturm auf Logopäden ist enorm hoch: Termine muss man monatelang vorher fixieren. Was hat sich in den letzten Jahren verändert?"
"Das Berufsbild. Die Logopädin ist in den 60er Jahren mehr zum Vorschein gekommen, aber in den letzten 20 bis 30 Jahren hat sich das Bild und vor allem die Ausbildung weiterentwickelt: Das Thema Schlucken ist heute wichtiger als je zuvor und das wurde auch entsprechend in die Ausbildung aufgenommen."
"Warum ist das so wichtig?"
"Niemand denkt über das Schlucken nach. Doch das ist ein hochkomplexer Vorgang. Man weiß erst was man verloren hat, wenn man nicht mehr selbständig schlucken kann. Da geht ganz viel Lebensqualität verloren. Es ist ein riesiger Unterschied ob ich mein Essen mit der Sonde bekomme oder selbst kaue, schlucke und es schmecke".
Danke für das Interview.
Zur Person
Andrea Kammerhofer ist Oberösterreicherin und wohnt seit zehn Jahren in Judenau. Sie wurde am 6. August 1971 geboren. Ihre Hobbys sind Wandern, Schi fahren, Tanzen – kurz gesagt, alles was mit Bewegung zu tun hat. Kammerhofer ist verheiratet, für Kuscheleinheiten mit ihrem Stubentiger nimmt sie sich immer Zeit.
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